Inflation: befeuert von drei essentiellen Themen

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Unseres Erachtens ist es inzwischen nur realistisch anzuerkennen, dass einige für den Preissteigerungsdruck verantwortliche Faktoren nicht mehr nur vorübergehend sind. Diese drei mittelfristigen Trends tragen zu anhaltendem Preissteigerungsdruck bei und dürften dafür sorgen, dass die Inflation dauerhaft zurückkehrt, auch über die kurzfristigen Auswirkungen der Wiederöffnung der Wirtschaften und der überschüssigen Liquidität am Markt hinaus – der aktuelle Marktkommentar von Dhiraj Bajaj, Head of Asia Fixed Income bei Lombard Odier Investment Managers (LOIM)

1.) China exportiert weniger Deflation
Seit Chinas Beitritt zur Welthandelsorganisation vor zwanzig Jahren „exportiert“ das Land gewissermassen Deflation in die westlichen Industrieländer. Exzessive Konjunkturmaßnahmen nach der weltweiten Finanzkrise 2008 bescherten Chinas Wirtschaftssystem hohe Schulden und einen überhöhten Auslastungsgrad und ließen den politischen Willen entstehen, im wuchernden Sektor der staatseigenen Unternehmen angebotsseitige Reformen durchzuführen. Durch den sinkenden deflationären Einfluss Chinas dürften die Preise ab Werk steigen, die exzessiven Exporte zu extrem wettbewerbsfähigen Preisen zurückgehen und weltweit mehr Preisdisziplin zu spüren sein. Dieser Faktor für Preissteigerungsdruck wird durch die Tatsache, dass China ein Nettoimporteur von Roh- und Grundstoffen ist, noch verstärkt.

2.) Unternehmen ändern ihr Verhalten und zeigen Mut zu Preiserhöhungen
Weltweit zeigen Firmen in vielen Sektoren eine neue Bereitschaft, ihre Preise auf Kosten der Investitionen zu erhöhen. Zahlreiche Unternehmen, die die Krise überlebt haben, zögern aus Angst vor langfristiger wirtschaftlicher Unsicherheit, Investitionen zu tätigen, die ihre Fixkosten erhöhen. Dieses kollektive Verhaltensmuster führt sehr wahrscheinlich zu knapperen Kapazitäten und einer grösseren Preissetzungsmacht der Branchenführer. Stahlwerke in den USA sind derzeit beispielsweise nicht bereit, in große neue Anlagen zu investieren, und dies trotz der bevorstehenden staatlichen Infrastrukturinvestitionen.

Mehr Nachfrage nach Wohnraum
In vielen Regionen der Welt und besonders in den USA deuten demographische Daten auf eine stabile Nachfrage nach Wohnimmobilien nach der Pandemie hin, denn immer mehr Millennials erreichen ein Alter, in dem sie Familien gründen und sich für den Eigenheimerwerb interessieren. Die Tatsache, dass die Baby-Boomer-Generation ihren Wohnraum nun nicht mehr verkleinert, wirkt diesem Trend entgegen und führt zu einem strukturellen Ungleichgewicht, mit dem niemand gerechnet hatte. Dadurch steigen die Immobilienpreise in Asien, Grossbritannien und den USA stark an; ein Trend, der sich sehr wahrscheinlich weiter fortsetzen wird, da das Angebot an Immobilien knapp bleibt, weil Eigenheimbesitzer zu günstigen Bedingungen umschulden und in ihren Häusern bleiben.

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Die Argumente für eine kurzfristige Inflation – nämlich die synchrone weltweite Wiederöffnung, die Liquiditätsspritzen und die Lieferengpässe – sind nun allgemein bekannt und akzeptiert, sogar von der Fed. Dieses Tauziehen – hoher Preissteigerungsdruck und die Langzeitfaktoren einer Desinflation – wird weitergehen und sich nur langsam entscheiden, denn kurzfristig überfluten die Zentralbanken die Märkte weiterhin mit Liquidität.

In der Zwischenzeit sehen sich die Anleger mit mehreren Herausforderungen konfrontiert: das Ausmaß des Preissteigerungsdrucks und die Reaktionen der Zentralbanken, eine mögliche Fehlentscheidung der Fed, das Timing der Normalisierung der Geldpolitik in den USA und die Vorhersage der Korrelationsschwankungen zwischen den Anleihen- und den Aktienmärkten.

In der Vergangenheit hat eine höhere Inflation zu niedrigeren Realrenditen geführt und wir glauben, dass dies wieder der Fall sein wird. Angesichts des schwierigen Ausblicks würden wir Anlegern empfehlen, eher in die Wachstums- und Ertragssegmente des Marktes zu investieren, bei vorsichtiger Durationspositionierung, und das Exposure in überlaufenen und überbewerteten Segmenten zu reduzieren, insbesondere im Hinblick auf die in den kommenden Monaten bevorstehende sinkende Liquidität.

Dhiraj Bajaj, LOIM

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