MONTE CARLO/HINTERGRUND: Mit Renten auf Katastrophen wetten

MONTE CARLO (dpa-AFX) – Versicherungsrisiken als Geldanlage fürs Alter: Auf der Flucht vor den Niedrigzinsen versuchen sich Pensionsfonds verstärkt im Geschäft mit Wirbelstürmen. Wenn große Schäden ausbleiben, liefern ihnen sogenannte Katastrophenanleihen vergleichsweise satte Renditen. Die Rückversicherungsbranche wappnet sich gegen die aufkommende Konkurrenz – und macht das Spiel im Zweifel mit. Ob die Pensionskassen auch nach Milliardenschäden noch bei der Stange bleiben, muss sich allerdings noch zeigen.

Beim Treffen der weltweiten Rückversicherungsbranche ‚Rendez-vous de Septembre‘ im Fürstentum Monaco kommt an dem Thema keiner vorbei. Zehn Milliarden Dollar haben Anleger binnen der letzten anderthalb Jahre in verbriefte Versicherungsrisiken gesteckt, analysiert Torsten Jeworrek, Vorstand des weltgrößten Rückversicherers Munich Re. Meist handelt es sich bei diesen Insurance Linked Securities (ILS) um Katastrophenanleihen.

Der weltgrößte Makler Aon Benfield erwartet, dass in den kommenden fünf Jahren weitere 100 Milliarden Dollar in solche alternativen Rückversicherungsmodelle fließen. Nach Berechnungen aus der Branche summiert sich der Markt schon jetzt rund 44 Milliarden Dollar – rund neun Prozent des gesamten Rückversicherungskapitals auf der Welt.

Vor allem Sturmrisiken in den USA stehen im Interesse der Investoren – denn sie werden gut bezahlt. ‚Die Rendite liegt mindestens drei bis vier Prozentpunkte über dem risikolosen Zins‘, sagt James Eck, Analyst der Ratingagentur Moody’s. Im Extremfall kann solch ein Papier auch einmal 17 Prozent Rendite abwerfen.

In den Katastrophenanleihen bündeln Anbieter – oft selbst Rückversicherer – meist eng umrissene Risiken aus einer bestimmten Weltregion. Bleiben die Schäden innerhalb der Laufzeit des Papiers unter einer bestimmten Marke, bekommt der Anleger sein Geld samt Zins und Risikoprämie zurück. Übersteigt der Schaden die Schwelle, kann das Kapital allerdings weg sein.

Erst im April hat die Munich Re Wirbelsturmrisiken aus dem US-Bundesstaat North Carolina mit einer Risikoprämie von 8,5 Prozent auf den Markt gebracht. Die Anleihe hatte ein Volumen von einer halben Milliarde Dollar. Der Branchendritte Hannover Rück kam bei dem Tsunami in Japan im Jahr 2011 vergleichsweise glimpflich davon, weil er sich die Risiken über eine Zweckgesellschaft mit Anlegern geteilt hatte. Privatanlegern wird diese Form der Geldanlage ebenso wenig angeboten wie die ILS-Papiere.

Pensionsfonds und Fondsgesellschaften hingegen stecken die Gelder ihrer Kunden derzeit verstärkt in solche Anlagen. In den dicken Portfolien machen die übernommenen Katastrophenrisiken nur einen Bruchteil aus. Trotzdem ist fraglich, wie die Großanleger reagieren, wenn ein Wirbelsturm eine Stadt in den USA überrollt und sich das Kapital einer Anleihe binnen Minuten in Luft auflöst. ‚Bisher ist ein solcher Fall ja ausgeblieben‘, sagt Munich-Re-Vorstand Ludger Arnoldussen. Der große Test dürfte also noch kommen.

Die Rückversicherer machen unterdessen aus der Not eine Tugend. Sie können Risiken für ihre Kunden gegen Gebühr strukturieren und die Anleihen auf den Markt bringen. Oder sie können eigene Risiken auf diese Weise mit Anlegern teilen oder in Katastrophenpapiere anderer Anbieter investieren. Denis Kessler, Chef des französischen Rückversicherers Scor, sieht es pragmatisch: ‚Es gibt die ILS nun einmal, da ist es besser sie zu nutzen, als die Sache anderen zu überlassen.‘ Ob der Kunde des Pensionsfonds dies nach einer Katastrophe genauso sieht, bleibt abzuwarten./stw/zb

— Von Steffen Weyer, dpa-AFX —