Neuemission artec: „Seestreitkräfte haben bereits ein Demosystem angefragt“

Mit Hard- und Software unterstützt die artec technologies AG Sicherheitsbehörden bei der Kriminalitätsbekämpfung und Terrorabwehr. Zur Wachstumsfinanzierung begibt das börsennotierte Technologieunternehmen aus Niedersachsen derzeit als erstes Unternehmen in Deutschland eine sog. tokenisierte Wandelanleihe über die Plattform Tradias.de.

Das elektronische Wertpapier hat ein Volumen von rund 2 Mio. EUR, eine Laufzeit von 3 Jahren und einen Zinssatz von 3% p.a. Am Ende der Laufzeit wird zu einem Preis von 2,80 EUR in artec-Aktien gewandelt – das Unternehmen ist seit Ende 2006 börsennotiert. Gründer und Vorstand Thomas Hoffmann im Interview bei BondGuide.

Herr Hoffmann, artec ist meines Wissens seit 2006 aktiennotiert, bleibt als Mikro-Cap mit rund 7-8 Mio. EUR Marktkapitalisierung aber unter vieler Leute Radar. Vielleicht mögen Sie uns kurz die artec vorstellen bitte.

artec ist ein im Jahr 2000 gegründetes Technologieunternehmen mit Fokus auf die Sammlung und Analyse von Daten. Konkret entwickeln wir Software- und Systemlösungen für die Übertragung, Aufzeichnung und Analyse von Video-, Audio- und Metadaten – also von Radio, über Kameras und TV bis zu Socia-Media-Kanälen. Unsere Produkte können gekauft, als Software-as-a-Service gemietet oder in einer privaten Cloud genutzt werden.

… und die Kunden?
Unsere Kunden sind nationale und internationale Broadcast-Unternehmen, Medienhäuser, Sicherheitsbehörden und Industrieunternehmen. Beispielsweise nutzen neun deutsche und internationale Landesmedienanstalten unsere Software zur Analyse von Zuschauerquoten und Sendeinhalten. Im Sicherheitsbereich liefern wir inländischen Sicherheitsbehörden seit Jahren das Equipment für verdeckte Ermittlungen.

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Bei erstem Hinsehen fällt die enorm hohe Eigenkapitalquote von rund 84% auf, teilweise ging sie sogar Richtung 100% – lässt dies darauf schließen, dass artec in den über zwei Jahrzehnten seit Gründung z.B. keinerlei M&A-Opportunitäten identifizieren konnte?
Wir sind in unseren Nischen technologisch führend. Daher standen Übernahmen nie wirklich in unserem Fokus. Unsere Bonität wird regelmäßig von der Deutschen Bundesbank analysiert und zuletzt im Juni 2021 erneut mit ‚notenbankfähig‘ ausgezeichnet. Die hohe EK-Quote ist auf unsere Skepsis gegenüber Bankfinanzierungen zurückzuführen. Wir nutzen Bankkredite im Kontokorrentbereich. Für strategische Investitionen verlassen wir uns auf Eigenkapital, was ja für innovative Wachstumsunternehmen im Technologiebereich auch durchaus gängig ist.

Wie sieht denn der für Sie relevante Markt derzeit aus: Wer sind die Zielkunden und wer die Mitbewerber oder gar Platzhirsche?
Spätestens seit Corona ist das Geschäft mit Sicherheitsbehörden unser Wachstumsmotor. Unsere etablierten Sicherheitssysteme tragen wesentlich zur Aufklärung und Vermeidung von Verbrechen bei. Im Bereich Verdeckte Ermittlungen haben wir bei den Landeskriminalämtern einen Marktanteil von rund 50%. Aus dieser Nische heraus haben wir 2018 in Zusammenarbeit mit einer Bundesbehörde den MULTIEYE BOS Manager entwickelt. Dabei handelt es sich um eine cloudbasierte Management-Plattform für Sicherheitsbehörden, um mobile Einsatzkräfte, Lagezentren und Leitstellen miteinander zu verbinden. Mit unserer Lösung können Einsätze geplant, aufgezeichnet und ausgewertet werden. Seit 2020 ist der MULTIEYE BOS Manager bei der größten deutschen Sicherheitsbehörde erfolgreich im Einsatz. Einen großen Wettbewerber gibt es hier nicht: Behörden nutzen häufig technisch veraltete Insellösungen, die nicht miteinander kompatibel sind.

Der Broadcastbereich hat unter Corona gelitten?
Der Bereich lebt vom persönlichen Kontakt und ist internationaler. Wir haben praktisch seit zwei Jahren an keiner Messe teilgenommen und besuche vor Ort waren nur eingeschränkt möglich. Daraus ergibt sich nun ein starkes Nachholpotenzial – und artec sollte davon stark profitieren.

Wie hat sich das auf Ihre operative Entwicklung ausgewirkt?
Dank des BOS-Geschäfts sind wir verhältnismäßig gut durch die Pandemie gekommen. 2020 haben wir rund 3 Mio. EUR umgesetzt und ein positives EBITDA erzielt. Obwohl die Corona-Pandemie insbesondere das Auslandsgeschäft eingebremst und die Einkaufskosten erhöht hat. Darüber hinaus haben wir in die Produktentwicklung investiert. Daher erwarten wir für die kommenden Jahre ein deutlich profitables Wachstum. Mit diversen deutschen Sicherheitsbehörden sind wir in fortgeschrittenen Gesprächen über den Einsatz unserer Sicherheitslösungen.

Die artec emittiert ein Krypto-Wertpapier, oder eigentlich genauer: ein elektronisches Wertpapier, eine Pflicht-Wandelanleihe. Die Frage ist: Weshalb keine ‚normale‘ Wandelanleihe?
Mit dem Krypto-Wertpapier wollen wir unsere Finanzierungsstruktur diversifizieren und auch neue Anlegerkreise ansprechen. Zudem sind die Kosten für uns als Emittenten und auch für Anleger – beispielsweise bei den Transaktionsgebühren – geringer. Die Emission passt auch zur technologischen Weiterentwicklung von artec, da die Verschlüsselung von Videoaufnahmen in der Blockchain Teil unserer Forschungs- und Entwicklungarbeit ist. Beispielsweise könnten im Rahmen der Überwachung und Observierung aufgenommene Videoclips und Snapshots fälschungssicher gespeichert werden.­

… und natürlich: An welcher Stelle ist das Wertpapier ‚Krypto‘, z.B. da man eine Wallet benötigt?
Sowohl Privatanleger als auch institutionelle Investoren können die Krypto-Wandelanleihe über die Digital-Assets-Serviceplattform tradias.de zeichnen. Über diese einzigartige Plattform bietet das Bankhaus Scheich, das uns bei der Emission begleitet, einen Marktplatz für digitale Vermögenswerte sowie Security Token aus einer Hand in einem regulierten Umfeld. Dort müssen Anleger zunächst die nötigen Schritte durchlaufen, die inzwischen ohnehin bei jeder Konto- oder Depoteröffnung nötig sind. Damit ist man dann fit für die Zukunft und kann auch künftige Emissionen und Token auf tradias.de zeichnen und handeln: Denn der Trend geht zu elektronischen Wertpapieren.

Thomas Hoffmann, artec technologies AG

Der Erlös soll bis zu 2 Mio. EUR betragen. Was möchte und was kann die artec mit dieser Summe bewerkstelligen?
Wir wollen den Erlös ganz wesentlich für das Wachstum im BOS-Geschäft nutzen. Wir wollen neben der Erweiterung des Leistungsspektrums unserer Plattform vor allem den Vertrieb in Deutschland und dem europäischen Ausland ausbauen. Dazu gehört, Interessenten auch mal ein Demogerät zur Verfügung zu stellen. Dies tun wir derzeit beispielsweise bei Seestreitkräften eines europäischen Landes. Derartige Testphasen beim Kunden müssen jedoch zwischenfinanziert werden.

Abschließend – was sollte ein Anleger über diesen Pflichtwandler ferner noch wissen zur Emission?
Anleger investieren in einen innovativen Mittelständler. Unsere cloudbasierte Software und Systemlösung zur Kriminalitätsbekämpfung und Terrorabwehr hat sich bei Sicherheitsbehörden in der Praxis bewährt. In den kommenden Jahren sehen wir in diesem Bereich erhebliche Wachstumschancen in Deutschland und dem europäischen Ausland – und entsprechend Potenzial für unsere Aktie. Mit dem Wandler sichern sich Anleger während der Laufzeit zudem einen Zinssatz von 3% pro Jahr.

Herr Hoffmann, ganz herzlichen Dank an Sie für Ihre Zeit und interessanten Einblick sowie natürlich weiterhin viel Erfolg!

Fotos: @artec

Interview: Falko Bozicevic