Eyemaxx-Insolvenzverfahren: „Es wird sehr schwer, gegen unsere Anliegen zu argumentieren“

Die Fronten gegen die österreichische Sanierung light bei Eyemaxx sind hochgezogen, gleich mehrere Gläubigerinteressenvertretungen haben sich in Stellung gebracht. Die aussichtsreichste und nachdrücklichste bildet sicherlich das gemischte Doppel aus One Square Advisory und Heuking Kühn Lüer Wojtek – denn es geht bei dem Insolvenzverfahren um wesentlich mehr als lediglich seine Forderungen zu hinterlegen. Und da wir gerade dabei waren, kamen auch noch VST Building Technologies und Hylea zur Sprache.

BondGuide: Herr Dr. Kuthe, Herr Günther, in den vergangenen Tagen haben sich ja weitere Investorenvertretungen in Stellung gegen das Sanierungsverfahren von Eyemaxx Real Estate gebracht, u.a. zuvor schon die SdK, die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre. Droht eine Interessenzersplitterung statt Sprechen mit einer Stimme?
Günther: Zunächst begrüßen wir das Interesse aller Seiten, sich gegen den Plan von Eyemaxx zu wehren – denn es zeigt uns, dass wir richtig liegen. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass die Interessen der Anleihegläubiger gebündelt und einheitlich vertreten werden sollen. Allerdings teilen wir mit der SdK, mit der wir uns in enger Abstimmung befinden, die Sorge, dass es zwischen den Gläubigern der besicherten Anleihe 2020/25 und den Gläubigern der unbesicherten Anleihen zu einem Interessenkonflikt kommen könnte, insbesondere bei der Frage der Anfechtbarkeit der Sicherheiten. Ob das so eintritt oder ob es andere Wege gibt, einen potentiellen Konflikt zu vermeiden, muss sich noch zeigen. Im Wesentlichen wird es davon abhängen, ob die gestellten Sicherheiten halten und welchen Weg die Insolvenzverwalterin für die Verwertung der Assets wählt.

Da wurde der Preuße v. Moltke zitiert für den Vergleich

„Getrennt marschieren, vereint schlagen!“
Frank Günther, OSA

BondGuide: Also quasi Auffahren aller Kräfte, egal von woher?
Günther: „Getrennt marschieren, vereint schlagen“ um Helmuth von Moltke zu zitieren. Und an Moltke haben wir uns auch gehalten, als wir schon am 2. November entgegen der traditionellen strategischen Lehre einen Fremdantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hatten. Also vor Eyemaxx selbst, und verbunden mit dem Einberufungsverlangen für die Anleihegläubigerversammlungen. Auf unsere, sehr frühe Initiative, haben sich bisher schon über 1.000 Anleger registriert, womit wir ein ganz ordentliches Anleihevolumen vertreten. Dies wird nicht nur bei den bevorstehenden Abstimmungen eine große Rolle spielen, sondern ist auch mitentscheidend, wohin sich das Verfahren in Österreich wie auch in Deutschland entwickelt. 

BondGuide: Aus Anlegersicht gefragt: Ist denn gleichgültig, welcher der diversen Initiativen ich mich anschließe und wer meine Interessen im Insolvenzverfahren vertreten soll?
Günther: Das Eyemaxx-Thema ist hoch komplex, nicht nur juristisch, sondern vor allem ein wirtschaftliches Thema und daher mitnichten etwa eine Geschmacksfrage: Im Kern geht es darum, die beste Verwertungsstrategie für die Bestandsimmobilien und die Immobilienprojekte zu finden. Besonders die sich noch in der Entwicklung befindlichen Projekte werden erst in späteren Bauabschnitten werthaltig. Dazu brauchen wir Lösungen, die Zeit verschaffen und damit Wert generieren. Ohne eine Finanzierung werden solche Lösungen nicht darstellbar sein. Schon heute arbeiten wir intensiv an solchen Finanzierungslösungen zur Stabilisierung der Tochtergesellschaften. Gelingt uns dies nicht, bekommen wir zahlreiche Einzelinsolvenzen von Eyemaxx-Projektgesellschaften v.a. in Deutschland und Österreich – in der Holding bleibt kein Wert und damit auch keine Quote für die Anleihegläubiger. Dies gilt es unbedingt zu vermeiden. Daher müssen wir an die einzelnen Projekte ran und nach deutschem Insolvenzrecht verwerten. Genau daran arbeiten wir mit Heuking Kühn Lüer Wojtek. Jeder Betroffene sollte sich daher die Frage stellen: Wer hat die Expertise, die wirtschaftlichen, die juristischen, die finanziellen und übergeordnet die strategischen Herausforderungen zu stemmen, statt nur die Hinterlegung meiner Forderung zu verwalten?
Kuthe: Diese verschiedenen Kriterien und damit die Interessenvertretung sind am Ende des Tages natürlich auch eine Frage der Man Power. Zusammen mit One Square waren wir es, die besagten Fremdinsolvenzantrag gestellt hatten, als wir das Unheil kommen sahen. Ohne diesen Fremdantrag gäbe es aktuell wahrscheinlich gar nicht die Chance, die Anleihegläubigerinteressen kraftvoll umzusetzen und evtl. am Ende mehr zu generieren als das österreichische ‚Sanierungsverfahren‘ vorsieht. Insofern sehen wir uns als Vorreiter in diesem Fall, dem andere gefolgt sind.

Die sog. Sonnenhöfe in Berlin-Tegel: eines der letzten lukrativen Projekte prä-Corona

„Die Frage wird sein, welche Kompetenzen der zu wählende gemeinsame Vertreter bei einem Insolvenzverfahren nach österreichischem Recht hat.“
Dr. Thorsten Kuthe, Heuking

BondGuide: War dieser Fremdantrag nicht sogar ein Risiko? – Sie hätten sich irren können, indem Sie eine nahende Zahlungsunfähigkeit bei Eyemaxx unterstellten. Die allerdings mit der Aussetzung der Zinszahlung Ende Oktober absehbar wurde.
Günther: Natürlich war das ein Risiko. Wenn sich ein Antrag als unberechtigt herausstellt, ist man im Bereich der Rufschädigung. Das wollte also wohlüberlegt sein. Noch als die Meldung mit dem sog. Sanierungsverfahren in Österreich am 4. November über die Ticker ging, sprach ein Mitbewerber davon, dass Eyemaxx jetzt langsam einen Insolvenzantrag prüfen sollte – er hatte noch gar nicht begriffen, dass Sanierungsverfahren der österreichisch-charmante Begriff für Insolvenzverfahren ist. Ein Blick in europäisches Insolvenzrecht hätte allerdings gereicht.

BondGuide: Der 1. Dezember rückt näher. Wie ist es rechtlich, wenn Investoren diesen Termin verpassen, z.B. da ja Depotbanken auch mal einige Werktage für Formulare und Bürokratie benötigen?
Kuthe: Darauf gibt es eine rechtliche und eine praktische Antwort. Rechtlich ist es so, dass der 1. Dezember keinerlei Ausschlusstermin ist – man kann auch danach noch seine Forderungen geltend machen. Aus praktischer Sicht ist der Termin recht knapp gesetzt, so dass wir mit der österreichischen Insolvenzverwalterin einen Modus ausgemacht haben, und zwar zugunsten aller Anleger. Bis zum 7. Dezember können diese ihre Nachweise erbringen, um dann durch eine Sammelanmeldung trotzdem noch vollumfänglich berücksichtigt zu werden. Eben weil die Mühlen der Formularbürokratie manchmal etwas langsamer mahlen. Wenn jemand das auf eigene Faust versucht, ist es eventuell ebenfalls möglich – aber unsicher. Wir haben deshalb vorsorglich die längere Anmeldefrist mit der Insolvenzverwalterin ausgehandelt und dieser Deal gilt ausdrücklich für alle, die sich über One Square registrieren und so ihre Forderungen geltend machen.
Günther: Dieser Termin ist wichtig, da er darüber mitbestimmt, ob man im Rahmen der sog. Plantagssatzung abstimmen darf oder nicht. Wenn unserem Fremdantrag auf Insolvenzverfahrenseröffnung mit Verwertung der in Deutschland befindlichen Assets stattgegeben wird, dann ist das angedachte österreichische ‚Sanierungsverfahren‘ vom Tisch und alles muss neu gedacht werden. Sollte das nicht der Fall sein, dann muss der Plan in Österreich gekippt werden, dazu braucht es eine Mehrheit. Daher kann ich nur eindringlich dazu aufrufen, diesen wenn auch eng gesetzten Termin zu nutzen, um mitzubestimmen, in welche Richtung das gesamte Verfahren geht. Und richtig: Seine Forderungen kann man auch später noch geltend machen. Aber auf der Plantagssatzung wird darüber entschieden, ob die Eigentümer Ihr Unternehmen behalten und die Gläubiger mit 20% über drei Jahre nach Hause gehen oder ob es eine faire, marktgerechte Verwertung und die Ausschüttung aller Erlöse an die Gläubiger gibt. Wenn wir mit 1.000 Gläubigern im Rücken in Österreich anrücken, wird es sehr schwer, gegen unsere Anliegen zu argumentieren. Um bei Moltke zu bleiben: Das Königgrätz von Eyemaxx findet am 26. Januar 20 km nördlich von Wien vor dem Landgericht in Korneuburg statt.

„Selbst wenn die erste Abstimmung nicht beschlussfähig sein sollte, setzt eine hohe Beteiligung ein wichtiges Zeichen.“
Frank Günther, OSA

Auf Hochglanz poliert: ein Bild aus besseren Eyemaxx-Zeiten

BondGuide: Und an welchem der diversen Termine wird nun der gemeinsame Vertreter gewählt? – sofern wiederum zugelassen.
Kuthe: Dass der gemeinsame Vertreter bei einer Anleihe nach deutschem Recht gewählt werden kann und auch sicherlich wird, das ist sicher. Die Frage wird sein, welche Kompetenzen er bei einem Insolvenzverfahren nach österreichischem Recht hat. Unser Vorschlag war daher ja sofort, dass der gewählte gemeinsame Vertreter die Befugnis erhält, auch in Österreich die Rechte aller Anleihegläubiger, inlands wie auslands, zu vertreten. Bei einem Insolvenzverfahren in Deutschland wäre das automatisch der Fall. Genau dieser Punkt wird derzeit noch juristisch in Österreich geprüft, durch die von uns vorgeschlagene innovative Beschlussfassung für die Gläubigerversammlung sind wir aber optimistisch, dass wir recht bekommen. Die Einberufung ist draußen und der erste Abstimmungszeitraum – mit einem Quorum von 50% der Anleihevolumina – läuft vom 3. bis 7. Dezember. Zu befürchten ist, dass es einer zweiten Abstimmung bei einer oder mehrerer der drei betroffenen Eyemaxx-Anleihen bedarf.
Günther: Eines sollte doch ganz klar sein: Je früher wir einen gemeinsamen Vertreter für die Anleihegläubigerinteressen haben, desto besser für alle. Selbst wenn die erste Abstimmung nicht beschlussfähig sein sollte, setzt eine hohe Beteiligung ein wichtiges Zeichen. Aufgrund des Anmeldungsstands bei uns sehe ich gar die Möglichkeit, das Quorum ist ersten Anlauf bei einer, vielleicht sogar zwei der drei Eyemaxx-Anleihen zu erreichen. Eine wichtige Indikation über die Gläubigerschaft boten ja die drei AGVs von Eyemaxx im Frühjahr, als es um die Veränderung der Eigenkapitalanforderung ging.

Ohne Fortführung begonnener Projekte wird keine weitere Werthebung stattfinden.

BondGuide: Der KFM Fonds zusammen mit mzs Rechtsanwälte moniert schwerwiegende Täuschung sowie schwere/gravierende Verstöße gegen Informationspflichten sowie gegen die Marktmissbrauchsverordnung von Seiten Dr. Müller, seines Zeichens seit einem Jahr Alleinvorstand und damit Alleinverantwortlichem. Bringt es denn etwas, gegen ihn strafrechtlich vorzugehen? – im Anlegersinne.
Kuthe: Das ist überaus knifflig. Falls man Dr. Müller tatsächlich strafrechtlich haftbar machen könnte, dann zahlt seine Managerhaftpflicht nicht und er würde mit seinem Privatvermögen zur Rechenschaft gezogen werden können. Ich drücke es mal ganz allgemein aus: Jemand, der sich einer vorsätzlichen Tat vollauf bewusst ist und später mögliche negative Konsequenzen absieht, der wird auch dafür sorgen, etwaiges Privatvermögen rechtzeitig in Sicherheit gebracht oder übertragen zu haben.
Günther: Grundsätzlich finde ich recht mutig, dies öffentlich auszusprechen, denn dazu sollte man schon etwas in der Hand haben. Strafrechtliche Konsequenzen gegen den Vorstand sind allerdings auch nicht Teil eines Insolvenzverfahrens, sondern müssten separat von Gläubigern verfolgt werden. Ich gebe allerdings auch Folgendes zu bedenken: Eine strafrechtliche Verfolgung ist nur dann sinnvoll, wenn beim Beschuldigten sehr konkret etwas zu holen ist. Wenn man Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachweist, springt die D&O bzw. Managerhaftfpflicht nämlich nicht ein. Das heißt, die Insolvenzquote für alle Gläubiger kann niedriger ausfallen, da man sein Glück dann beim Beschuldigten suchen muss, was aus meiner Erfahrung heraus in den meisten Fällen ziemlich fruchtlos ist – der Kollege hat es schon geschildert. Das sollte man also ganz sorgsam abwägen.

„Bei VST Building Technologies lautete die Begründung des Gerichts zum Kurator genau anders herum als bei Eyemaxx.“
Dr. Thorsten Kuthe, Heuking

BondGuide: VST Building Technologies, mehr oder minder eine Tochtergesellschaft von Eyemaxx, hat die letzten Tage beim selben Gericht in Österreich Antrag auf Sanierungsverfahren gestellt. Die haben allerdings nicht ihren nominellen Hauptsitz in Deutschland, wie Eyemaxx in Aschaffenburg. Was ist aus Ihrer Sicht ggf. bei VST zu retten oder zu bewerkstelligen?
Kuthe: Wir haben uns das ebenfalls angesehen. Rein rechtlich ist es aus deutscher Sicht praktisch dasselbe: Anleihe nach deutschem Recht, der Emittent hat wohl sein insolvenzrechtlich relevanten Schwerpunk in Österreich. Was dann verblüfft, ist Folgendes: Im Falle Eyemaxx hat man entschieden und begründet: Anleihe nach deutschem Recht, daher Kurator nach nicht rein österreichischem Recht. Bei VST Building Technologies lautete die Begründung genau anders herum und zwar deswegen, weil der formale juristische Sitz der VST in Österreich ist. Hier widersprechen sich jetzt wohl deutsches Recht – da ist der gemeinsame Vertreter zuständig auch in Österreich – und österreichisches Recht – da soll der Kurator zuständig sein. Wie wir damit umgehen, müssen wir erst noch abwägen.

Frank Günther, One Square Advisory

BondGuide: Und schließlich noch: Hylea dürfte sich kurzfristig in den Bund der Sanierungsmaßnahmen einreihen. Dabei war Hylea doch angeblich in mehr oder minder aussichtsreichen Finanzierungsverhandlungen, die natürlich auch Zeit in Anspruch nahmen, dann aber doch letztendlich platzten – und dann ist der Timer abgelaufen. Im Zuge eines Insolvenzverfahrens ist meistens leichter an Assets heranzukommen, denn der Zeitdruck ist erneut da. Ist dieses Muster nicht bekannt, z.B. von SeniVita, um ein jüngeres Beispiel zu nennen?

Dr. Thorsten Kuthe, Heuking

Günther: Bei Sichtung der Meldung vor wenigen Tagen und dem Buschfunk scheint es mir, als würde Hylea jetzt nach Ablauf besagter Finanzierungsgespräche in eine Insolvenz gezwungen. Finanzierungsgespräche brauchen viel Zeit, sind häufig natürlich auch exklusiv – und wenn sie dann doch im Nichts enden, hat der Emittent keine weiteren Optionen mehr und muss zwangsläufig Insolvenz anmelden. Wir fragen uns deshalb ebenfalls, ob jemand in den letzten Wochen und Monaten auch mit Dr. Müller über Finanzierungsoptionen für die Eyemaxx Real Estate gesprochen hat. Jedenfalls offenbar ebenfalls ohne positives Ergebnis oder wie es Hylea ausdrückte: Die Gespräche gestalten sich schwierig.

BondGuide: Herr Dr. Kuthe, Herr Günther, besten Dank an Sie beide für die mehr als praktischen Einblicke!

Interview: Falko Bozicevic