Genussscheine – flexible Möglichkeiten der Unternehmensfinanzierung

Dr. Anne de Boer, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Law Corner von Dr. Anne de Boer, Partnerin und Rechtsanwältin, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Genussscheine sind wieder vermehrt in der Unternehmensfinanzierung anzutreffen. Sie sind nicht gesetzlich geregelt und bieten eine große Flexibilität in der Ausgestaltung als Finanzierung zwischen Anleihe und Aktien. Genussscheine als verbriefte Genussrechte bieten als Kernkriterium, dass Anleger am Unternehmensgewinn- und auch -verlust beteiligt werden können. Dies kann sich sowohl auf den Emittenten insgesamt, aber auch bestimmte Assets wie eine Immobilie oder Unternehmensbeteiligung beziehen. Hinsichtlich der Ausgabe wird auf die Regelungen der Anleihe nach §§ 793 ff. BGB zurückgegriffen.

Fremd- oder eigenkapitalähnlich: Genussscheine können bei allem Hybridcharakter eher fremd- oder eher eigenkapitalähnlich ausgestaltet sein. Eigenkapitalähnlich sind sie dabei insbesondere, wenn die Laufzeit unbefristet ist und kein fester Zins vereinbart ist. Dabei ist darauf zu achten, dass die Regelungen der stimmrechtslosen Vorzugsaktie nicht umgangen werden und z.B. der Anspruch auf Liquidationserlös im Rang vor den Aktionären steht.

Wertpapierprospekt: Als Wertpapiere unterliegen Genussscheine bei der Emission z.B. im Wege eines öffentlichen Angebots grundsätzlich der Prospektverordnung und es ist – soweit keine Ausnahme einschlägig ist – ein Wertpapierprospekt zu erstellen. Dabei können auch die Anhänge für Wachstumsprospekte verwendet werden. Bei der BaFin sind auch bei aktienähnlichen Genussscheinen die Anhänge für Nichtdividendenwerte zu verwenden.

Fondsregelungen/AIFM: Bei der Ausgestaltung von Genussscheinen ist aufgrund der Verlustbeteiligung zu prüfen, ob damit die Fonds-/AIFM-Regelungen anzuwenden sind, vor allem wenn der Emittent kein operatives Geschäft im Sinne AIFM-Regelung hat.

Kredit- und Einlagengeschäft: Genussscheine können so ausgestaltet werden, dass sie aufgrund der Verlustbeteiligung neben der eventuellen Bereichsausnahme für Schuldverschreibungen weder als Kredit- noch als Einlagengeschäft qualifizieren.

Allgemeine Geschäftsbedingungen: Wie Anleihebedingungen sind auch Genussscheinbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen. Aufgrund der Komplexität ist daher sehr genau darauf zu achten, dass Regelungen klar und eindeutig, verständlich sowie nicht überraschend sind. Insbesondere ist die Rechtsprechung des BGH zu Nachrangabreden zu beachten, die es sehr schwer macht, wirksam qualifizierte Nachränge bei Emissionen an Verbraucher zu vereinbaren.

Foto: © STUDIO GRAND WEB – stock.adobe.com

Verlust-, Gewinn- und Beteiligung am Liquidationserlös: Typische Ausgestaltungen sind die Verlust-, Gewinn- und Beteiligung am Liquidationserlös. Damit verbunden ist eine Wiederauffüllung von Verlusten aus zukünftigen Gewinnen. Genussscheine sehen grundsätzliche eine Verlustbeteiligung vor, der den Nennbetrag bis zur vollen Höhe aufbrauchen kann. Wichtig ist, dass die Berechnungen eindeutig sind und auch klar vereinbart, ob sich eine eventuelle Zinsregelung auf den Nennbetrag oder wohl eher den Valutabetrag bezieht.

Soweit die Gewinn- und Verlustbeteiligung quotal zu den anderen Eigenkapitalgebern erfolgt, sind gegebenenfalls Mechanismen zur Anpassung notwendig, wenn Kapitalerhöhungen erfolgen oder andere Finanzprodukte ausgegeben werden.

Bei der Gewinn- und Verlustbeteiligung wird teilweise auf den Emittenten insgesamt abgestellt. Ebenso ist es möglich, dass auf ein bestimmtes Asset oder Unternehmensteil abgestellt wird.

Berechnungen und deren Kontrolle: In jedem Fall ist wichtig, dass die Berechnungen eindeutig sind und alle anfallenden Posten korrekt entsprechend den Interessen der Emittentin berücksichtigt sind. Ebenso ist zu empfehlen, diese durch einen Sachverständigen prüfen zu lassen.

Steuern und Bilanz: Emittenten sollten sich auch vor einer Emission klar darüber sein, wie sich die Struktur steuerlich und auch bilanziell auswirkt.

Foto: © Yuttana Studio – stock.adobe.com

Zustimmungsmodus: In Genussscheinbedingungen, die an ein wesentliches Asset wie eine Immobilie oder Beteiligung anknüpfen, sind häufig Zustimmungsvorbehalte der Genussscheininhaber zu finden. Das Objekt darf z.B. nur mit Zustimmung der Genussscheininhaber verkauft werden. Dabei wird regelmäßig überlegt, Alternativen zu den Regelungen des SchVG zu schaffen. Fraglich ist, ob solche Regelungen AGB-rechtlich Bestand haben. Auch muss sichergestellt sein, dass im Abstimmungsmodus alle Genussscheininhaber erreicht werden und jeder nur einmal sein Stimmrecht ausübt.

Fazit
Die Flexibilität von Genussscheinen gewähren interessante Finanzierungsbausteine. Die Berechnungen müssen sehr sorgsam strukturiert und die Bedingungen klar, eindeutig und verständlich sein.

Unsere neueste
BondGuide Jahresausgabe ,Green & Sustainable Finance‘ ist erschienen und kann ebenso wie unser BondGuide Nachschlagewerk ,Anleihen 2020‘ als kostenloses E-Magazin bequem heruntergeladen, gespeichert & durchgeblättert werden.

! Bitte nutzen Sie für Fragen und Meinungen Twitter – damit die gesamte Community davon profitiert. Verfolgen Sie alle Diskussionen & News zeitnaher auf Twitter@bondguide !