Neue Regelungen für Schwarmfinanzierungen …?!

Dr. Anne de Boer, Heuking Kühn Lüer Wojtek
Dr. Anne de Boer, RAin, Heuking

Law Corner von Dr. Anne de Boer, Partnerin und Rechtsanwältin, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Die EU hat am 07.10.2020 die Verordnung über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister für Unternehmen – (EU) 2020/1503 (ECSP-VO) verabschiedet, die am 10.11.2021 in Kraft tritt. Durch die Regelungen soll Unternehmen die grenzüberschreitende Aufnahme von Kapital weiter erleichtert und die Kapitalmarktunion vorangetrieben werden. Schwarmfinanzierungsplattformen waren zumindest in Deutschland bisher quasi nur national tätig, da die nationalen Regelungen zu unterschiedlich sind. Fraglich ist jedoch, ob die Strukturen nach den europäischen Regelungen sich durchsetzen werden.

Die ECSP-VO erfasst grundsätzlich nur die Vermittlung von Krediten oder die Platzierung von (übertragbaren) Wertpapieren und bestimmten Finanzinstrumenten. Soweit die ECSP-VO Finanzierungsprodukte nicht erfasst, gelten weiterhin die nationalen Regelungen. In Deutschland wird derzeit davon ausgegangen, dass die Emission von qualifiziert-nachrangigen Darlehen, sofern dies noch weiter erfolgt, mangels Krediteigenschaft nicht der ECSP-VO unterliegt. Deutschland wird zudem zulassen müssen, dass die Emission von Darlehen unter der ECSP-VO auch ohne Bankzulassung bzw. Fronting Bank erfolgen kann. Solche Darlehen können zukünftig auch besichert werden.

Interessant sind auch einige ergänzende Dienstleistungen, die die Schwarmfinanzierungsdienstleister mit einer Zulassung unter der ECSP-VO anbieten dürfen. Dies ist zum einen die Verwaltung des Kreditportfolios von Anlegern. Zum anderen können Schwarmfinanzierungsdienstleister ein Forum für das Interesse am Kauf und Verkauf von Schwarmfinanzierungsprodukten, die ursprünglich auf ihren Schwarmfinanzierungsplattformen emittiert wurden, anbieten. Bislang versuchen einige Emittenten dies als sogenanntes Schwarzes Brett anzubieten.

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Die Schwarmfinanzierungsplattform bedarf einer Zulassung entsprechend den näheren Regelungen der ECSP-VO.

Die Regelungen der ECSP-VO gelten für Emissionen von bis zu 5 Mio. EUR. Zur Bestimmung des Betrags ist nicht auf das einzelne Projekt abzustellen, sondern alle Schwarmfinanzierungen des Emittenten nach der ECSP-VO und weitere prospektfreie Finanzierungen nach § 3 Nr. 2 WpPG über einen Zeitraum von 12 Monaten sind zusammenzurechnen.

Emissionen nach der ECSP-VO sind von der Prospektpflicht befreit. Allerdings ist ein standardisiertes Anlegerbasisinformationsblatt zu veröffentlichen. Das Anlegerbasisinformationsblatt muss bei der Aufsichtsbehörde, also in Deutschland der BaFin, hinterlegt werden. Die Schwarmfinanzierungsdienstleister müssen die Richtigkeit und Vollständigkeit des Anlegerbasisinformationsblatts sicherstellen. Die konkreten Anforderungen für dieses Anlegerinformationsblatt wird die Europäische Kommission noch mittels technischer Regulierungsstandards und unter Berücksichtigung der Empfehlungen der Europäischen Bankenaufsicht und der (ESMA) festlegen. Eine vorherige Gestattung und Billigung ist nicht vorgesehen.

Zudem enthält die ECSP-VO ausführliche Regelungen zum Anlegerschutz. Grundsätzlich wird zwischen kundigen und nicht kundigen Anlegern unterschieden. Dabei ist für unkundige Anleger zu bewerten, ob bzw. welche angebotenen Schwarmfinanzierungsdienstleistungen für diese geeignet sind. Dafür sind die Erfahrungen, Anlageziele, finanzielle Situation und das grundlegende Verständnis des Anlegers hinsichtlich der Risiken der angebotenen Produkte einzubeziehen. Die Bewertung ist alle zwei Jahre zu aktualisieren. Für die Bewertung müssen Schwarmfinanzierungsdienstleister von den Anlegern auch verlangen, dass sie ihre Fähigkeit, einen als 10% ihres Reinvermögens berechneten Verlust zu tragen, u.a. auf der Grundlage ihres Einkommens (einschl. Dauerhaftigkeit), der Vermögenswerte und finanziellen Verpflichtungen simulieren. Die Simulation ist jährlich zu überprüfen.

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Die ECSP-VO sieht zudem verpflichtende Risikohinweise mit besonderer Zustimmungspflicht vor, insbesondere wenn der Anlagebetrag 1.000 EUR bzw. 5% des Reinvermögens – je nachdem, welcher Betrag höher ist – übersteigt.

Weiterhin ist eine vorvertragliche Bedenkzeit von vier Tagen vorgesehen. Insoweit ist noch unklar, ob die Widerrufsrechte nach Fernabsatzrecht daneben gelten oder durch diese Bedenkzeit verdrängt werden.

Um dem Anleger die Risiken im Hinblick auf den konkreten Schwarmfinanzierungsdienstleister noch stärker vor Augen zu führen, muss dieser die Ausfallquoten der auf seiner Schwarmfinanzierungsplattform angebotenen Projekte mindestens der letzten 36 Monate offenlegen.

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Zudem müssen sie innerhalb von vier Monaten ab dem Ende jedes Geschäftsjahres weitere Angaben zu erwarteten und tatsächlichen Ausfallquoten machen.

Die Verordnung verlangt, dass die Länder eine Haftung für das Anlegerbasisinformationsblatt regeln. Die Bundesrepublik plant, dass neben der Emittentin auch die verantwortlichen Mitglieder der Verwaltungs-, Leistungs- oder Aufsichtsorgane für vorsätzlich oder fahrlässig irreführende oder unrichtige Informationen oder fehlende Angaben von wichtigen Informationen haften. Auch wenn die Überlegung nachvollziehbar ist, dürften dies diesen Finanzierungsweg unattraktiv machen und dazu führen, dass die Führungskräfte Emissionen außerhalb der ECSP-VO bevorzugen könnten.

Fazit
Die Internationalisierung des Kapitalmarkts ist sicher sinnvoll. Allerdings überwiegt der Eindruck, dass der Flickenteppich und die Regelungen in der Gesamtschau komplexer und teurer werden, statt einfacher und günstiger. Die Bundregierung hat zudem am 10.02.2021 einen Entwurf zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes beschlossen. Danach sollen Blindpools bei Vermögensanlagen verboten werden und der Vertrieb von Vermögensanlagen – derzeit noch nicht bei Wertpapieren – durch die Emittenten selbst verboten werden. Es wird also noch verwirrender.

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