„Wir sind Pioniere“ – Interview mit Stephan Dorfmeister, Deep Nature Project

Stephan Dorfmeister, DNP

BondGuide im Gespräch mit Stephan Dorfmeister, Co-Gründer und Geschäftsführer der Deep Nature Project GmbH, über Hanf für Wohlbefinden und Gesundheit – aktuell läuft ein paralleles Anleihe- wie auch Crowdfunding-Projekt.

Herr Dorfmeister, zunächst: Wer oder was ist das Deep Nature Project?

DNP ist ein Unternehmen, das sich mit Biohanf- und Vital-Produkten beschäftigt. 2015 gegründet, in einer Vorform schon 2011. Cannabidiol, kurz CBD, ist eines von mehr als 100 bekannten Cannabinoiden. Von diesen HanfInhaltsstoffen sind nur eines, das bekannte THC psychoaktiv, alle anderen sind nicht berauschend und unterstützen das körpereigene Endocannabinoidsystem. Wir haben in 27 europäischen Ländern Vertriebspartnerschaften, in deren Rahmen wir unsere Produkte auf den Markt bringen.

Wie ist derzeit die Ausgangslage beim Kultivieren der Hanf-Pflanze?
Der Industriehanfanbau ist in Europa generell schon seit rund drei Jahrzehnten legal möglich. In Österreich gibt es darüber hinaus seit 2011 eine Rechtslage, die auch den Vertrieb von sogenannten Pflanzen-Stecklingen mit höherer Wirkstoffkomponente THC möglich machte. Neu in den letzten paar Jahren ist allerdings, dass der Wirkstoff der Cannabinoide aus Industriehanf extrahiert und in unterschiedlichen Anwendungsformen vertrieben wird – das ist jener Geschäftsbereich, womit wir uns befassen. Diese Produktanwendungen haben einen sehr niedrigen THC-Anteil von max. 0,2% der gesetzlichen Höchstgrenze des psychoaktiven Wirkstoffs. Hier muss man auch klar differenzieren zwischen der oftmals aus Nordamerika in den Medien kommunizierten Geschäftsbereich des Medical Cannabis mit höheren THC Inhaltsstoff-Anwendungen.

Wo kommen die Rohstoffe her, konkret: Wo bauen Sie an und wo wird final gefertigt?

Tatsächlich gibt es da ganz vielfältige Möglichkeiten des Anbaus. Die Indoor-Variante mit Lampensystemen oder die Glashauskultivierung ist ein Bereich. Hier geht es vornehmlich um Rauch-Waren, also getrocknete Blüten – mit keinem oder wenig THC. Teilweise werden auch Extrakte produziert. Der Feldanbau – jener Bereich, auf den wir uns als Deep Nature fokussieren – ist in der EU seit Jahrzehnten zertifiziert möglich. Wir setzen hier seit Beginn an auf Bio-Landwirtschaft. Wir verwerten die ganze Pflanze, von der Faser für die Dämmstoff- oder Textilindustrie, bis zu den Samen und die Blätter für den Lebensmittelbereich. Hanf wird schon seit fast fünf Jahrtausenden kultiviert – 2.700 vor Christus erste schriftliche Nennung in China –und für die verschiedensten Zwecke verwendet. Selbst der Name der Hamburger Reeperbahn hat seinen Ursprung in der Produktion von Schiffstauen, deren Fasern aus dem Hanf gewonnen wurden. Hanf ist ein uraltes Kulturgut.

Wie sicher oder abhängig von Umweltfaktoren darf man sich den Pflanzenanbau vorstellen?
Jede Pflanze, die man draußen anbaut, muss mit den äußeren Bedingungen klarkommen. Um die witterungsbedingten Einflüsse einzugrenzen, sind wir auf insgesamt 800 ha in mehreren Regionen, ja Klimazonen, Europas aktiv: in Österreich, in Norddeutschland und in Kroatien. Das hat zugleich den Vorteil, einen größeren Variantenreichtum der Inhaltsstoffkomposition zu bekommen sowie verschiedene Genetiken und Anbaumethoden ausprobieren zu können. Man darf nicht vergessen, dass Pflanzen ihre Inhaltsstoffe in Abhängigkeit ihrer jeweiligen Anbauvoraussetzungen produzieren.

Was mag denn die Hanfpflanze gar nicht: zu trockene Sommer, zu feuchtes Klima?
Die Hanfpflanze ist zum Glück nicht wie etwa unser Mais u.v.m. genetisch überzüchtet. Das macht sie sehr widerstandsfähig und genügsam, sie hat wenig Ansprüche. Ja, zu lange Trockenperioden führen zu Einschränkungen, aber auch Extremjahre überlebt die Pflanze und regeneriert sich. Als Tiefwurzler ist Hanf zudem gut geeignet, den Boden zu dekontaminieren und den Boden aufzulockern, was auch einen positiven Effekt für andere Pflanzen im Fruchtwechsel zur Folge hat.

Was genau heißt „Bio-Feldanbau“ in Ihrem Zusammenhang?
Österreich hat hierbei eine weitaus längere Tradition als die meisten europäischen Länder: Über 25% der landwirtschaftlichen Flächen werden in Österreich als Bio-Landwirtschaft kultiviert. Von den Spritzmitteln und Düngemöglichkeiten ist man gegenüber der konventionellen Landwirtschaft stark eingeschränkt. Aber es ist nicht nur der Bio-Feldanbau. Wir haben eine vollintegrierte Bio-Wertschöpfungskette: Anbau und Rohstoffproduktion, Weiterverarbeitung zu Sekundärrohstoffen, Veredelung zu Halbfertigprodukten sowie die Herstellung der Endprodukte. Dieser gesamte Prozess ist zertifiziert. Das ist auch unser USP.

Wie groß ist der Markt für Hanf-Produkte in Europa – haben Sie Zahlen?
Der Markt ist schon größer als in der Allgemeinheit bekannt sein dürfte, obwohl er zumindest in Europa doch noch ein sehr junger ist. In den vergangenen Jahren wuchs er um 30 bis 50% pro Jahr und lag jetzt bei ca. 2 Mrd. EUR im Jahr 2019. Experten schätzen die Marktentwicklung auf bis zu 5 Mrd. EUR in den nächsten drei bis fünf Jahren ein.

Ist die Rechtsfrage in den europäischen Ländern einheitlich?
Ja, alles, was von der Industrie-Hanfpflanze kommt, darf in den Vertrieb gebracht werden – wenn man die Bestandteile der Originalpflanze nicht verändert und unter dem Grenzwert von 0,2% THC liegt. Tut man dies doch, kann es – und hier gibt es noch gewisse Interpretationsspielräume – der EU Regulierung für Novel Food unterliegen. Das würde ein Zertifizierungsverfahren erfordern. Wir verändern die Pflanzenkomposition ausdrücklich nicht, sehen aber immer wieder Erfordernisse von Marktbedürfnissen oder Regelauslegungen im Suchtmittelbereich auch die separierten Pflanzeninhaltsstoffe zu nutzen. In diesem Kontext kommen die Novel Food Regelwerke gegebenenfalls zum Einsatz. Sie haben daher völlig recht hinsichtlich der Frage einer Einheitlichkeit der Vorgehensweise in den europäischen Ländern: Wann eine Novel-Food-Verordnung anwendbar zu sein hat, ist Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Im Wesentlichen sagt diese Verordnung aus, dass sich Lebensmittel, die vor über zwanzig Jahren noch nicht am Markt waren, sich gegebenenfalls einer Sonderprüfung im Sinne der Lebensmittelsicherheit unterziehen sollten. Die Lebensmittelzuständigkeit liegt ganz kleinteilig nicht nur bei einzelnen Bundesländern von EU-Mitgliedsstaaten, sondern kann sogar bei Kommunen liegen – daher ist hier viel Interpretationsspielraum gegeben und es kann zu unterschiedlichsten Auslegungen und Maßnahmen der Lebensmittel Aufsichtsbehörden führen.

Wie sahen die bisherigen Geschäftszahlen aus?
Über die letzten fünf Jahre sind wir in einigen Jahren mit dem Markt, in anderen noch darüber hinaus gewachsen. 2019 lag unser Umsatz bei rund 9 Mio. EUR. Abhängig von den Corona-Auswirkungen sehen wir für 2020 ca. 20 bis 40% Plus und ein ähnliches jährlichen Wachstum in den Folgeperioden.

Wozu dient der Emissionserlös aus Anleihe und Crowdfinanzierung genau, können Sie uns hier das Gesamtkonzept schildern?
Natürlich müssen wir weiter in unsere Wertschöpfungskette investieren und Vorfinanzierungen sicherstellen. Produkterweiterungen und Marketing/ Sales sind die nächsten Schlagworte. Unser USP ist ja nicht nur der diversifizierte Anbau, sondern die Kontrolle und Steuerung der gesamten Bio-Wertschöpfungskette. Diese Strategie macht uns einzigartig in Europa, erfordert aber auch die Vorfinanzierung des Gesamtsystems. Ein Umstand, den nur wenige Marktteilnehmer für sich in Anspruch nehmen. Deshalb soll die Anleihe die Substanz für das Working Capital stärken, um ein dynamisches Wachstum sicherzustellen.

Gibt es eine Schwäche in der Wertschöpfungskette, die man z.B. mit M&A noch adressieren könnte?
Beim Anbau sind wir ja schon sehr gut aufgestellt, uns geht es daher vielmehr um die Gewährleistung der Qualität und Markenbekanntheit unserer Produkte. Sie können mir glauben: Dabei haben wir in den letzten Jahren sehr viel gelernt. Es gibt kaum Marktteilnehmer mit diesem breiten und auch langjährigen Erfahrungsspektrum im operativen Management in dieser jungen Industrie. Insofern sind wir Pioniere in dieser Entwicklung. Neben der Kultivierung kann man bei den Extraktionen und den Verfahrenstechniken noch eine ganze Menge machen – nötigenfalls greifen wir hierbei auch auf Lohn-Dienstleister zurück, wo die eigenen Kapazitäten nicht ausreichen.

Herr Dorfmeister, ganz herzlichen Dank für die interessanten Einblicke in die Materie!

Das Interview führte Falko Bozicevic.

Ursprünglich erschienen im Bondguide Nummer 10-2020

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