Die Märkte sehen die Inflation bereits als mehr oder weniger erledigt an. In der Logik steigen die Märkte und markieren neue Hochs. Von Benjamin Bente*
Dies ist begründet, denn wichtige Indikatoren zeigen Entspannung auf der Inflationsseite. Doch lohnt es sich, auch einen Blick auf die Gefahrenseite zu werfen, denn vor allem die Bankenkrise wird noch unterschätzt.
Aus dem aktuellen Marktverhalten ist deutlich erkennbar, dass der Markt komplett auf die monetäre Lage schaut und die Inflationsrate als wesentliches Kriterium für Anlageentscheidungen wählt. Positive Nachrichten an der Inflationsfront wirken entspannend auf den Markt und davon sollte es in der kommenden Zeit noch mehr geben. Und das auch in der Kernrate.
Denn während die Energiepreise bereits nachgegeben haben, sinken jetzt erstmals in diesem Zyklus auch die Preise für Wohnen. Der Bereich Wohnen/Miete stellt mit rund 30% den größten Teil des US-Warenkorbs, mit dem die Preissteigerungsraten gemessen werden. Der Rückgang der Wachstumsraten könnte in den kommenden Monaten positive Überraschungen bei der Kerninflationsrate schaffen.
Das sind gute Nachrichten, solange der Markt auf die Geldpolitik zentriert bleibt. Das wäre allerdings verwunderlich und ungewöhnlich, weil es auf der anderen Seite weitere Puzzlesteine gibt, die für rezessive Gefahren sprechen. So scheint am Aktienmarkt das Thema Bankenkrise ad acta gelegt zu haben, der Markt hat sich deutlich erholt seit Mitte März, als es zum Höhepunkt der Bankenprobleme mit der faktischen Pleite der Crédit Suisse kam. Allerdings gibt es seitdem negative Folgeentwicklungen, die im Markt derzeit noch nicht durchschlagen.
Das Wichtigste: Es mehren sich die Anzeichen, dass die Kreditvergabestandards in den USA als Folge der Bankenprobleme in diesem Jahr teilweise sogar deutlich restriktiver werden. Und ähnlich wie die Zinsstrukturkurve waren auch die Kreditvergabestandards historisch ein sehr valider Vorlaufindikator. Denn wenn weniger Kredite vergeben werden, die Kreditwachstumsraten also leiden, führt das in unserer Schuldgeldökonomie zu rezessiven Bewegungen. Dieser Kreditimpuls war und ist ein sehr wichtiger und valider Vorlaufindikator für eine konjunkturelle Abschwächung.
So gibt es derzeit zwei Seiten einer Medaille: Auf der einen Seite monetäre Verbesserungen, insbesondere auch an der Inflationsfront. Diese sollten weiter zunehmen und auch zu einem zeitnahen Ende des Zinserhöhungszyklus der FED führen. Auf der anderen Seite aber, und das nimmt der Markt derzeit noch überhaupt nicht wahr, fressen sich die negativen Folgewirkungen all dieser monetären Restriktivität der letzten Quartale zunehmend in weitere Bereiche vor, die historisch sehr gute Vorlaufeigenschaften für rezessive Gefahren haben.
Die große Frage der nächsten Wochen wird sein, ob die Märkte diesen Bereich der Entwicklungen weiterhin ausblenden. Dann hat sicherlich der Markt weiteres Potenzial nach oben. Wenn aber ein Umdenken in der Betrachtungsweise des Marktes stattfindet, der nicht mehr so stark auf das monetäre Thema schaut, sondern eher auf die potenziellen, rezessiven Folgewirkungen, dann könnte es selbst bei überraschend positiven Inflationsraten dennoch zu Schwierigkeiten an den Aktienmärkten kommen.
*) Benjamin Bente ist Geschäftsführer der Vates Invest GmbH
Die Vates Invest GmbH, gegründet 2011, ist eine inhabergeführte Asset-Management-Boutique. Die Erfahrung zweier tiefer Aktienbärenmärkte (2001 und 2008) war prägend für die Philosophie von Vates. Das Spezialgebiet sind börsentägliche quantitative Analysen des monetären, konjunkturellen und sentimenttechnischen Umfelds. Seit 2014 verkörpert der Vates Parade Fonds die Portfoliomanagementstrategie von Vates Invest. Kernziel ist es, langfristig positive Rendite zu erzielen und zugleich die Anleger vor großen Verlusten in Bärenmärkten zu schützen.
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