Was mich ärgert, entscheide ich – Eine Anleitung für ein ärgerreiches Leben

Anregung 3: Suche nach Unterschieden
Gib dir Mühe. Auch wenn es dir anfangs schwerfällt und dein Gegenüber dir sehr ähnelt. Du wirst Unterschiede finden. Du musst es nur wollen. Und im schlimmsten Fall einfach immer weiter spezifizieren und verfeinern. Dein Gegenüber ist auch Deutscher wie du? Dumm gelaufen, leider kein Unterschied. Schau, ob er auch dein Geschlecht hat, oder deine Klamotten oder deine Art, sich auszudrücken. Immer noch alles sehr ähnlich? Suche weiter, suche jetzt nach Werten, nach Glaubenssätzen. Endlich mal ein „Anders“? Glaub mir: Wer sucht, der findet. Du darfst einfach nicht aufgeben.

Such so lange, bis du endlich einen Unterschied gefunden hast, und wenn es nur die Farbe seiner Socken ist. Oder nimm das Beispiel „Bier“. Auch er trinkt Bier? Kein Problem. Probier es mit Weizenbier. Er geht auch mit? Nicht schlimm, frag nach der Brauart: Hefe oder Kristall? Noch immer alles gleich? Kein Weltuntergang, fokussiere auf das Behältnis: Flasche oder Fass? Und wenn ihr immer noch deckungsgleich seid, bleib dran, verfeinere weiter, vielleicht gelingt dir etwas über die Temperatur (kalt oder eiskalt), oder über die Marke, da gibt es so viele, du wird sich früher oder später schon ein Unterschied ergeben.

Vertraue und suche und finde, und sobald der Unterschied da ist, mach ihn groß. Ach was, mach ihn riesig! Ignoriere alles noch so Ähnliche und fokussiere auf jedes noch so kleine Detail, das euch unterscheidet. Mach es groß, gib ihm grelle Farben und schrille Formen, gib ihm Geräusche, bring es in Fahrt. Du schaffst es, irgendwann haut dich dieser anfangs noch so kleine Unterschied derart um, dass dich eine Welle erfasst und den anfangs noch so vertrauten Menschen als widerwärtigen Gegenspieler erscheinen lässt. Und endlich hast du dein Ziel erreicht. Ärger über einen schwierigen Zeitgenossen. Und wenn es nur die Biersorte oder die Sockenfarbe ist …

Anregung 4: Bewerte, wo du kannst
Beobachten ist was für Buddha und alle, die ihn anhimmeln. Bis du Buddha? Wohl kaum. Willst du Buddha werden? Wohl auch nicht. Und das ist gut so. Denn Buddha beobachtet sich am Ärger vorbei. Wie willst du Ärger generieren, wenn du einfach nur beobachtest, wenn du einfach nur wahrnimmst, was ist, wie eine gefühlslose Videokamera? Kann nicht dein Ziel sein, es sei denn, du willst innerlich tot sein.

Nein, wenn du dich ärgern willst, lass das neutrale, bewertungsfreie Beobachten. Lass diese tolerante „Das-ficht-mich-nicht-an-mir-doch-egal-Haltung“ und geh über zum Bewerten. Maximal radikales Bewerten. Um genau zu sein. Abwerten. Du richtig, dein Gegenüber falsch. Du oben, dein Gegenüber unten.

Wie gelingt dir das gut? Indem du jede Beobachtung um eine Bewertung ergänzt. Ein Beispiel: Wenn dein Gegenüber die Augenbrauen hochzieht, dann zieht er natürlich nicht nur die Augenbrauen hoch, das wäre ja nur eine Beobachtung. Nein, er guckt dich verächtlich an, wenn er das macht. Du spürst bestimmt sofort den Unterschied: Die hochgezogenen Augenbrauen lösen noch keinen Ärger aus, erst deine Bewertung bringt den Ärger ins Haus. Es ist das Adjektiv verächtlich, das den Ärger erzeugt.

Ein zweites Beispiel: Dein Kollege spricht seit drei Minuten über eine Sache, für die du keine 20 Sekunden gebraucht hättest. Ja, klingt ein bisschen nach Ärger, aber reicht das schon? Auf keinen Fall! Du lässt das ganze Ärgerpotenzial liegen, wenn du nur bei der sachlichen Beschreibung bleibst. Wir suchen wieder das abwertende Adjektiv, nur dann kommt dein Ärger auf seine Kosten. Was hältst du von „Der labert seit drei Minuten!“ Nicht schlecht, oder? Aber es geht noch viel besser, was hältst du hiervor: „Der labert schon seit drei Minuten!“ Das kleine Wörtchen „schon“ macht einen Riesenunterschied, vor allem wenn du stimmlich da so richtig schön nach oben gehst. Aber es ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Hier meine Empfehlung für maximale Ärgerproduktion: „Der labert schon wieder über drei Minuten!“ Jetzt hast du „labert“ drinnen, und „schon“, und zusätzlich noch das „wieder“. Merke: Je mehr abwertende Adjektive und Adverben, umso höher das Ärgeraufkommen. Und das war ja dein Ziel. Nicht dass du dich am Ende ärgerst, weil du dich nur ein bisschen ärgern konntest …

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