Sanierungsfall Hertha BSC a.k.a. Big City Club

Hertha BSC GmbH & Co. KGaA

Hertha Geschäftsführer Thomas Herrich hat der SZ ein überaus lesenswertes Interview gegeben. Da nicht ein/e Jede/r darauf Zugriff hat, hier die Highlights.

Headline: ‚Die Hertha ist ein Sanierungsfall‘

Immerhin, ein guter Einstieg ins Thema, der Lust auf mehr macht. Just am Freitag im Flutlichtspiel kommt es zu so etwas wie dem Abstiegs-Paarung in der 1sten Bundesliga: Schalke 04 gegen die Hertha, Letzter gegen Vorletzter. Wer da verliert, sollte bereits alternativ planen, sofern nicht ohnehin schon geschehen.

Zu Beginn geht der Allein-Geschäftsführer auf die Causa Sanierungsfall ein. Einerseits würde gespart werden, andererseits müsse sportliche Performance her, um die Erlöse aus Marketing und Sponsoring zu erhöhen. Zu allem Überfluss muss auch gerade ein neuer Trikotsponsor, oftmals auch, aber nicht ganz korrekt, ‚Hauptsponsor‘ genannt, gefunden werden.

Jeder, der nicht Fußball-blind ist, weiß nur zu gut, dass diese Vorhaben den traditionellen Zielkonflikt heraufbeschwören. Und 17 andere Erstligavereine haben übrigens exakt das Gleiche im Aufgabenheft stehen. Jahr für Jahr. 18 individuelle Saisonziele jedes Jahr, zwei Drittel davon werden regelmäßig verfehlt – die Systemimmanenz des Ligasystems.

Zu den Windhorst-Millionen: weg ist weg. Über die Verhältnisse gelebt und in etwa so, als würde die Bundeswehr durch besondere Umstände einen Sonderetat von 100 Mrd. EUR zugeschanzt bekommen: Die Abnehmer / Anbieter wissen das natürlich, die Preise steigen auf das Doppelte. Genau wie die Hertha wird auch die Bundeswehr im Wissen um den ausgelobten Sonderetat wie eine Weihnachtsganz ausgenommen werden [Kommentar von BondGuide – ich denke nur bereits mal wieder voraus und ggf. etwas zu weit für den einen oder anderen Leser].

Nächste Saison zusammen mit der Hertha womöglich Leidensgenossen in der 2ten Liga

Herrich argumentiert, die Windhorst-Dukatenesel-Millionen hätten nicht nur Schaden angerichtet, sondern ‚wichtige Dinge angeschoben‘, die die Hertha adressiert habe. Gut 40 Maßnahmen, Strategieprojekt ‚Goldelse‘. Bin nicht sicher, ob da nicht ein Buchstabendreher vorliegt: Goldesel wäre für mich plausibler.

Die Windhorst-Millionen seien zum ungünstigsten Zeitpunkt für die Hertha geflossen, nämlich direkt vor Corona. Die Hertha bezahlte Mondpreise für mittelprächtige Spieler mit hoch dotierten langfristigen Verträgen. Dann brach Corona über die Fußballwelt und uns alle herein, die Spielerpreise fielen ins Bodenlose. 2020 gab – weltweit! – kein Fußballklub mehr Geld aus für neue Spieler als der Hauptstadt-Club.

Zwischen den 77 Mio. EUR für neue Spieler 2020 bleibt jedoch eine diffuse Differenz zu den offiziellen 374 Mio. EUR aus dem Windhorst-Säckel. Wo bitte sind die denn(?) Die Hertha habe Investor KKR ausgezahlt und Verbindlichkeiten abgelöst, so Herrich. Dazu die Folge der Pandemie bewältigt.

Andere Vereine hätten das irgendwie effizienter bewältigt, hakt die SZ nach. Herrich bekräftigt das Hertha-Ziel, am Ende der Saison 2025/26 ein ausgeglichenes Betriebsergebnis vorzeigen zu wollen. Betriebsergebnis  = Ergebnis vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen, also vor so ziemlich allem.

Hintergrundinfo: In den vergangenen zwei Jahrzehnten hatte der Small Big City Club ein einziges Mal ein positives Betriebsergebnis.

Apropos Anteilseigner: Vorher war es KKR, jetzt liegen die Windhorst-Anteile bei einem anderen Private-Equity-Investor, Triple Seven[1]. Herrich sieht 777 Partners nicht als neue Heuschrecke, sondern als Partner auf Augenhöhe. Für die Erfüllung von DFL-Auflagen sei der Einstieg nicht alternativ gewesen, so doch aber notwendig. 95% etwaiger Hertha-Gewinne stehen dem neuen Investor zu.

Zweite Liga?

Natürlich steht die Frage im Raum, was eine erneute Saison in der 2ten Liga für die Herthaner bedeuten würde – wonach es derzeit bereits stark aussieht. Als Gegenbeispiel führt Herrich den HSV an, der sich nach mehreren Jahren in der 2ten Bundesliga finanziell konsolidiert habe – sogar mit Gewinn in letzter Saison. Die Hertha hatte in ihrer letzten 2t-Liga-Saison den höchsten Zuschauerschnitt.

BondGuide-Urteil: Genau meine Prognose, sh. Kommentar neulich. Sowohl Schalke als auch die Hertha werden nächste Saison Zeit erhalten, ihre Saisonziele und die für den Verein neu zu definieren – die 13te Verfehlung gesteckter Ziele in Folge ist keine Alternative. Wünschen tue ich mir, dass beide Pflicht-Absteiger, wer sie denn auch sein mögen, die Zeit gut nutzen. Auf die kommende 2t-Liga-Saison mit zwei weiteren abgekippten Traditionsvereinen plus unweigerlichem Rekordzuschauerschnitt freue ich mich schon jetzt!

Für Hertha BSC: 1 Million Euro in 9 Minuten und 12 Sekunden kapilendo mit neuer Rekordzeit bei Crowdfinanzierung

Foto @ Hertha BSC GmbH & Co. KGaA

Die Hertha hat auch eine börsennotierte Anleihe ausstehend: Volumen 40 Mio. EUR, Kupon 6,5%, aus dem Jahr 2018 und damit fällig im November dieses Jahres – also in Bälde. Das wird eine Herausforderung. Immerhin: Kurs im refinanzierungsfähigen Bereich von 99%.

Falko Bozicevic

[1] Triple Seven hält Anteile an Traditionsvereinen wie FC Genua, Standard Lüttich und FC Sevilla, und jetzt eben auch Hertha BSC

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