Nachhaltige Trendwende am Markt?

Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Der 9. November 2020 wird ebenfalls in die Annalen eingehen, allerdings aus einem anderen Grund: Die „COVID“-Mauer ist gefallen, oder fast. Ein Kommentar von Olivier de Berranger, CIO bei LFDE.

Denn das Pharmaunternehmen Pfizer veröffentlichte sehr vielversprechende Ergebnisse für einen neuen Impfstoff, der in 90% der getesteten Fälle wirksam ist. Dies lässt das Ende der aktuellen Pandemie planbar erscheinen.

Natürlich nahm der Markt nach alter Gewohnheit die Entwicklung vorweg und schloss die bisher verabscheuten „COVID-Aktien“ plötzlich wieder ins Herz. Er suchte begierig nach den seit Monaten am meisten geschmähten Titeln, den sogenannten „Value“-Aktien, wie z.B. Fluggesellschaften oder Einkaufszentren.

Gleichzeitig wurden die am stärksten nachgefragten Werte, die sogenannten „Momentum“–Aktien (also jene mit positivem Trend), wie insbesondere Technologie- und Gesundheitswerte, verkauft. Seit mindestens 2008 hatten Momentum-Aktien nicht mehr derart hohe Verluste gegenüber Value-Aktien verbuchen müssen: -15% binnen eines Tages im Vergleich zum Markt, also das 11fache der durchschnittlichen täglichen Schwankungen. Ein statistisch ebenso unwahrscheinliches Ereignis wie die Landung von Außerirdischen oder die Anerkennung der eigenen Niederlage durch Donald Trump.

Wachsende Hoffnung auf Impfstoffe

Kündigt dieser Donnerschlag eine nachhaltige Trendwende am Markt an, so, wie der Fall der Berliner Mauer eine neue geopolitische Ära einläutete? Es wäre sehr unklug, sich hierauf zu verlassen. Dennoch deuten nach unserer Auffassung einige Aspekte in diese Richtung.

Mehrere Impfstoffe – jener von Pfizer und anderen Pharmaunternehmen – scheinen in Kürze verfügbar zu sein. Dies gilt insbesondere für den Impfstoff von Moderna, einem von einem französischen Unternehmer gegründeten Start-up aus Massachusetts. Zumindest eine dieser Impfstoffhoffnungen sollte sich erfüllen.

Russland und China ihrerseits behaupten, bereits einen zu besitzen. Überdies steigt die Immunitätsrate zumindest vorübergehend automatisch mit der Anzahl infizierter und wieder genesener Personen. Ist in einigen Monaten eine Welt denkbar, die zu großen Teilen von diesem Coronavirusstamm befreit ist?

In der die Menschen das im Lockdown Verpasste nachholen möchten, indem sie wie im Rausch ausgehen, reisen, andere treffen – und arbeiten? Wie die Einwohner Ost-Berlins in den ersten Monaten der wiedergewonnenen Freiheit? Vielleicht kommen neue „verrückte Jahre“ …

Virus und Corona

Aber bisher ist noch nichts gewonnen. Denn der Impfstoff muss bei extrem niedriger Temperatur aufbewahrt werden. Dies macht die Verteilung langsam und teuer. Überdies ist es fraglich, ob sich ein Großteil der Bevölkerung einen Wirkstoff spritzen lassen möchte, der sich noch nicht auf Dauer bewährt hat. Einige werden verständlicherweise Vorbehalte haben, vor allem diejenigen, die a priori nicht zu den gefährdeten Personen zählen. Tatsächlich wurde für ein derart schwierig zu handhabendes und junges Produkt bisher noch nie eine derart massive Impfkampagne durchgeführt. Auch dies wird ein historisches Novum sein.

Hinzu kommt, dass die langfristige Wirksamkeit dieses möglichen Impfstoffs gegenüber dem aktuellen Virusstamm oder etwaigen Mutationen des Virus keinesfalls sicher ist. Falls das aktuelle Coronavirus wie das saisonale Grippevirus mutiert und regelmäßige, neue Impfkampagnen erfordert, wäre die Lage für lange Zeit schwierig.

Langsame Verschiebung des Marktgleichgewichts

Trotzdem scheint sich das Marktgleichgewicht grundlegend zu verschieben, zwar langsam und mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, allerdings mit Blick auf die kommenden Monate unaufhaltsam. Dies bedeutet nicht, dass die bisher angesagten Werte künftig von den Anlegern geschmäht werden. Die digitale Revolution ist im Gange und dürfte kaum aufzuhalten sein. Gesundheit wird vor allem in einer alternden Bevölkerung immer ein wichtiges Thema bleiben, und auch klimabezogene Aktien erfüllen einen noch Jahre oder gar Jahrzehnte andauernden dringenden Bedarf. Der Markt dürfte bei seinen Vorlieben einfach weniger unausgewogen sein als in den vergangenen Monaten und Jahren. Es sei denn natürlich, es taucht eine neuer „Schwarzer Schwan“ auf, der ebenso unvorstellbar ist wie der jetzige. Aber in diesem Fall würden sich der Markt und die Gesellschaft – genau wie die Viren – wieder anpassen und nach tausend Versuchen einen siegreichen Ausweg finden, wie es auch dieses Mal am 9. November 2020, dem 31. Jahrestag des bedeutendsten Tages der zeitgenössischen Geschichte, geschah.

Olivier de Berranger, CIO bei LFDE

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Über LFDE – http://www.lfde.com

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