Multitude: „Wir schauen mal, was der Markt hergibt“

Die finnische Multitude Bank, vollständige Multitude-Tochter, prüft bekanntlich die Emission einer neuen Anleihe – guter Anlass für ein Interview mit dem deutschsprachigen CFO Bernd Egger*.

Herr Egger, wie läuft denn das Geschäft in Ihrem Sektor aktuell?
Da muss ich etwas weiter ausholen – was nicht zuletzt an den letzten drei Ausnahmejahren lag. Von unserer Gründung bis zu Beginn der Pandemie Anfang 2020 verlief unser Wachstumspfad mehr oder weniger linear. 2020 dann ist unser Umsatz – wie bei vielen in der Branche – gesunken. Von unserem Umsatzrückgang in jenem Jahr entfiel die Hälfte auf Corona, die andere Hälfte allerdings auf unsere Umstellung auf nachhaltiges profitables Wachstum – diese Reduzierung war sozusagen hausgemacht und basierte auf einer bewussten strategischen Entscheidung.

Mit anderen Worten: Weg vom unausgesprochen ursprünglichen Geschäftsmodell, erst einmal möglichst viele Fleckchen auf Landkarte mit einem Fähnchen zu markieren?
Das ist sehr umgangssprachlich ausgedrückt, aber im Kern ziemlich richtig. Noch Pre-Covid haben wir uns Ende 2019 aus einigen Märkten zurückgezogen, Anfang 2020 folgten weitere. Die Hälfte unseres Erlösrückgangs 2020 war daher einkalkuliert.

Im Folgejahr haben Sie aber ein weiteres Mal die Bremse betätigt, so sah es jedenfalls aus: zurück aus Hoffnungsmärkten, Fokus auf Ihre Kernmärkte.
Das ist richtig. Erinnern Sie sich zurück an die völlig unplanbare Zeit Anfang 2021 mit ihren weltweiten Lockdowns – da war die Unsicherheit im Markt sehr hoch. Daher haben wir damals beschlossen, die Qualität unserer Assets an erste Stelle zu setzen und zu schützen. Das Geschäft mit KMUs haben wir damals beispielsweise um ca. 90% reduziert. Und die weitere Entwicklung gibt uns recht.

Wirtschaftlich hatten wir fast global drei Jahre Ausnahmezustand aus unterschiedlichen Gründen – was bleibt davon und ist 2023 erstmals wieder ein ‚reguläres Geschäftsjahr‘?
Nach diesem Schrumpfungs- oder Refokussierungsprozess 2019-21 stellten sich viele – und auch wir selbst – die Frage, ob Multitude noch eine Wachstumsstory ist oder nicht mehr. Die Frage haben wir mit einem profitablen Umsatzzuwachs schon ab dem zweiten Halbjahr 2021 beantwortet. Wir haben durchaus hohe und ambitionierte Wachstumsziele für uns ausgegeben und auch als Guidance für die kommenden Jahre publik gemacht, aber mit einem Fokus auf rentables Wachstum.

Haben wir gesehen: 50% EBIT-Wachstum p.a. bis 2024 einschließlich – das klang 2021 absolut ambitioniert, und tut es weiterhin!
Das stimmt, aber den Anstieg von 20 auf 30 Mio. EUR haben wir vergangenes Jahr wie angekündigt erreicht. Die 45 Mio. EUR für dieses Jahr sind weiterhin unsere Richtschnur.

Und wie geht das, 50% EBIT-Wachstum pro Jahr mehrere in Folge?
Das Erreichen dieser ambitionierten Vorgabe hat mehrere tragende Säulen. Die erste haben wir besprochen, darüber hinaus haben wir zudem parallel durch unsere neue Fokussierung auf unsere Kernmärkte diverse Kosten reduziert. Zuletzt trägt auch unsere Rückkehr zum Wachstumskurs und die Fokussierung auf profitables Wachstum einiges dazu bei. Das funktioniert in unseren Märkten überall anders und unterschiedlich stark, aber im Durchschnitt fühlen wir uns gut im Rahmen unserer Guidance.

Die Rahmendaten der neuen Anleihe 2023/33 sind teilweise außergewöhnlich. Mal der Reihe nach: Zunächst, wozu dient der neue Bond? – das Volumen ist für die Multitude relativ überschaubar.
Dazu müssen Sie sehen, dass Multitude vor fünf Jahren ein anderes Unternehmen war als heute. Lagen früher unsere Einlagen auf Höhe unseres Anleihevolumens, so sind sie derzeit in etwa fünf- bis zehnmal so hoch wie unsere Anleihen, je nach Definition. Der Senior Bond von Dezember 2022 diente der Refinanzierung der vorherigen Altanleihe. Die neue Anleihe findet auf Ebene der Multitude Bank statt, unserer 100%igen Tochter. Das eingenommene Kapital aus der Anleihe kann als sogenanntes Tier-2-Kapital gelten, das für Banken sehr wichtig ist. Wir hätten diese Summe auch aus der Gruppe heraus zur Verfügung stellen können, aber betriebswirtschaftlich macht eine eigenständige Anleihe unserer Bank-Tochter viel Sinn.

Die Anleihe soll als sogenanntes Tier-2-Kapital durchgehen – das müssen Sie allen Nicht-Finanzfachleuten aber bitte doch erläutern.
Dieser Fachbegriff ergibt sich aus den regulatorischen Vorschriften für eine Bank. Zum Kernkapital, also Tier-1, gibt es Ergänzungskapital, Tier-2. Beides bildet das Gesamtkapital und die Gesamtkapitalquote. In Europa muss diese 8% betragen. Die 25 Mio. EUR der neuen Anleihe sollten sehr gut in das Ergänzungskapital passen.

Weshalb die ungewöhnlichen zehn Jahre Laufzeit?
Zehn Jahre Laufzeit sind Standard für Eigenkapitalinstrumente. Für die Anrechenbarkeit sind mindestens fünf Jahre vorgeschrieben – als Standard haben sich zehn Jahre etabliert.

Dazu soll sie auch wieder variabel verzinst werden, also ein sogenannter Floater aus z.B. Euribor plus Aufschlag.
Genau, Euribor plus Aufschlag, wie auch der Senior Bond aus dem letzten Jahr. Der hat eine auffällig kurze Laufzeit von drei Jahren. Hintergrund war, dass wir uns nicht zu lange festlegen wollten, wenn die internationalen Zinssätze gerade ihren Höhepunkt erreichen. Ob wir damit richtig lagen, wird man erst noch sehen – aber im Moment schaut es gut aus.

Bernd Egger, CFO der Multitude

Bernd Egger

Was sagt der Finanzvorstand, wo bezüglich des Kupons die Belastungsgrenze erreicht wäre?!
Mit dem flexiblen Kupon haben wir ja abermals indirekt eine Anpassung an die Inflation. Ich meine, sie wird sinken, was sie ja schon tut, aber dies könnte viel länger dauern als der rasante Anstieg. Preislich wollen wir erst sehen, was der Markt hergibt, und dann, ob wir zuschlagen wollen oder noch nicht.

Herr Egger, ganz herzlichen Dank an Sie!

Interview: Falko Bozicevic

Fotos: @Multitude

*) Bernd Egger kam 2019 als CFO zu Multitude. Egger verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im internationalen Bankwesen, im Finanzwesen und in der Unternehmensentwicklung, davon 15 Jahre in leitenden Funktionen wie Vorstandsmitgliedern und CFOs in der Banken-, Fintech-, E-Geld- und Zahlungsbranche.

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