Law Corner: Veröffentlichung von Insiderinformationen in zeitlich gestreckten Verfahren

Mit dem Listing Act wird sich die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen bei zeitlich gestreckten Verfahren ab 5. Juni 2026 ändern. Von Dr. Anne de Boer

>> aus BondGuide 06-2025 vom 21. März <<

Die ESMA hat am 12. Dezember 2024 ein Konsultationspapier für technische Empfehlungen mit einer nicht abschließenden Liste an Beispielen zeitlich gestreckter Verfahren und den jeweiligen Veröffentlichungszeitpunkten veröffentlicht.

Das Vorliegen von Insiderinformation bei Zwischenschritten und deren Veröffentlichung werden entkoppelt. Normale Insiderinformationen sind weiterhin zu veröffentlichen, sobald deren Eintritt überwiegend wahrscheinlich ist und kein wirksamer Aufschubbeschluss vorliegt.

Die Grundregeln für Zwischenschritte als Insiderinformationen werden wie folgt sein:

Insiderinformationen müssen beachtet werden

– Grundsätzlich gibt es für (reine) Zwischenschritte keine Veröffentlichungspflicht mehr und es ist kein Aufschubbeschluss eines Organs des Emittenten notwendig. Die Veröffentlichungspflicht tritt mit Eintritt des finalen Ereignisses ein.

– Allerdings gelten die Insiderhandelsverbote weiter und es sind Insiderlisten zu führen.

– Die Veröffentlichungspflicht für Zwischenschritte lebt jedoch auf, wenn die Vertraulichkeit nicht mehr gewährleistet ist. Dies gilt auch bei Gerüchten.

Wichtig werden folgende Überlegungen:

(1) Liegt ein Zwischenschritt oder ein finales Ereignis vor?

(2) Ist mit dem Zwischenschritt bereits das Endereignis überwiegend wahrscheinlich, so dass für das Endereignis eine Veröffentlichungspflicht besteht, wenn kein Aufschubbeschluss gefasst wurde?

Nach der Konsultation der ESMA soll ein zeitlich gestrecktes Verfahren eine Reihe von mehreren zeitlich verteilten Aktionen oder Schritten, die durchgeführt werden müssen, um ein vorab definiertes Ziel oder Ergebnis zu erreichen… sein.

Die ESMA schlägt in ihrer Konsultation eine grundsätzliche Kategorisierung von zeitlich gestreckten Verfahren wie folgt vor:

Involvierte Parteien Zeitpunkt der Veröffentlichung
Emittent allein Entscheidung des Leitungsorgans und zwar unabhängig von der Zustimmung von weiteren Gremien wie des Aufsichtsrats oder Gesellschaftern
Emittent und Dritter Nachdem die zuständige Stelle sowohl des Emittenten als auch der relevanten Gegenpartei sich zum Abschluss des Prozesses verpflichtet haben.
Öffentliche Behörde gegenüber Emittenten Übermittlung der behördlichen Entscheidung
Emittent betreibt Verfahren bei öffentlicher Behörde selbst Antragstellung

Übermittlung der behördlichen Entscheidung


Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) kritisiert hier zu Recht, dass Gesellschaften mit dualistischen Organstrukturen (wie überwiegend in Deutschland) schlechter gestellt werden. Wenn für die Veröffentlichung die Entscheidung des Aufsichtsrats abgewartet werden soll, ist nämlich weiterhin ein Aufschubbeschluss notwendig.

Zudem hat die ESMA eine nicht abschließende Liste finaler Ereignisse und deren Zeitpunkt für die Veröffentlichung vorgeschlagen. Beispiele sind:

M&A Transaktionen: nachdem die zuständigen Organe aller beteiligten Unternehmen die Entscheidung getroffen haben, den Vertrag zu unterzeichnen, sobald die Kernbedingungen vereinbart wurden, auch wenn ein anderes Organ des Emittenten möglicherweise seine endgültige Zustimmung erteilen muss. Das DAI regt an, auf die Unterzeichnung des Vertrags abzustellen.

Finanzberichte und Prognosen:  nachdem die Finanzergebnisse von der zuständigen Stelle formell bestätigt oder genehmigt wurden, auch wenn eine andere Stelle des Emittenten möglicherweise noch ihre endgültige Zustimmung geben muss.

Insiderinformationen posaunt man nach wie vor nicht auf den Flur hinaus

Ausschüttung oder Anpassung der Dividendenpolitik: nachdem das zuständige Organ die Entscheidung getroffen hat, den Aktionären eine Dividendenausschüttung oder eine Änderung der Dividendenpolitik vorzuschlagen.

Gewinnwarnungen und Gewinnerhöhungen stuft die ESMA nicht als zeitlich gestrecktes Verfahren ein. Somit wäre eine sofortige Veröffentlichung oder ein Aufschubbeschluss notwendig. Das DAI empfiehlt aufgrund der Komplexität ein gestrecktes Verfahren anzunehmen und auf die Entscheidung des zuständigen Organs abzustellen.

Aufschub oder Aussetzung von Zins- oder Tilgungszahlungen: nachdem das zuständige Organ die Entscheidung getroffen hat, die Zahlungen aufzuschieben oder auszusetzen, auch wenn ein anderes Organ des Emittenten seine Zustimmung geben muss.

Dr. Anne de Boer, Partnerin und Rechtsanwältin, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Dr. Anne de Boer, Partnerin und Rechtsanwältin, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Weiterer Ablauf:

Bis Ende April 2025 sollen die Auswertungen der Konsultation vorliegen. Für Unternehmen bleibt spannend, welche Anpassungen die Leitlinien der ESMA noch erfahren. Ebenso wird interessant, inwieweit die neuen Vorgaben zu mehr Rechtssicherheit und wirklich geringerem Aufwand führen werden – vor allem bei dualistischen Organstrukturen wie der Aktiengesellschaft.

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