Law Corner aus BG 15-2023: „Wählt die Euroboden einen kooperativen oder einen konfrontativen Weg?“

Dr. Thorsten Kuthe, RA, HKLW

Die Aussagen der Euroboden-Geschäftsführung mochte Dr. Thorsten Kuthe, bei Heuking Mitglied des sog. Ad-hoc-Committees, nicht so ohne Weiteres im Raum stehen lassen. BondGuide sprach kurzerhand mit dem Kapitalmarktrechtler.

Original im BondGuide 15-2023 von Freitagmittag, Seite 20

BondGuide: Herr Dr. Kuthe, Heuking Kühn Lüer Wojtek hat sich wie in der Vergangenheit schon einmal mit One Square zu einem sog. Ad-hoc-Committee zusammengeschlossen. Wie dramatisch sehen Sie die Situation der Euroboden, speziell nach dem Webcast diese Woche?
Kuthe: Wie die Situation wirklich ist, kann man aktuell nicht sagen. Wir wissen nicht, wie viel die Grundstücke Wert sind. Davon ausgehend, dass die Banken, die Kredite über 240 Mio. EUR mit Grundschuld besichert vergeben haben, diese bestimmt konservativ bewertet haben, kann es hier durchaus eine Differenz geben. Bislang steht nur eines fest, nämlich dass die Gesellschaft hier eine Restrukturierung vorschlägt zu Bedingungen, die weder marktgerecht sind noch akzeptabel erscheinen. Das verbindet Euroboden mit einer mangelhaften Kommunikation, die mehr Fragen aufwirft als diese zu beantworten.

@Euroboden: Berg am Starnberger See

BondGuide: Apropos: Ist es richtig, dass der Wertpapierprospekt – also 2019 und auch 2020 für die jeweilige Anleihe – dermaßen unpräzise war, dass jetzt wirklich kein gemeinsamer Vertreter für die Anleihegläubiger vorgesehen ist bzw. überhaupt gewählt werden kann?
Kuthe: Wir haben das noch nicht im Detail geprüft, auf den ersten Blick scheint das aber richtig zu sein. Deswegen koordinieren One Square und wir im Auftrag verschiedener großer Investoren die Interessen wesentlicher Gläubiger, damit die Anleihegläubiger eine starke Stimme in diesem Prozess erhalten.

BondGuide: Die beiden Anleihen bringen zusammen fast 100 Mio. EUR auf die Waage. Ist es überhaupt möglich, angesichts dieses Umfangs eine Sperrminorität zusammenzubekommen, um mitreden zu können bei der Sanierung?
Kuthe: Aber sicherlich! Zum einen ist es wie bei der Hauptversammlung: Man braucht keine Sperrminorität auf das gesamte Volumen, da ja faktisch nie alle Gläubiger an Beschlüssen teilnehmen. Auch reicht es erfahrungsgemäß, in einer der Anleihen die Stimmen zusammen zu bekommen. Das dürften wir bereits erreicht haben. Wir können aber nur jeden Anleiheinvestor auffordern, seine Interessen durch uns vertreten zu lassen.

BondGuide: Im Webcast hatte ich das Gefühl, dass die Euroboden möglicherweise schon mit Adressen verhandeln könnte, Stichwort Change-of-Control-Klausel (CoC) in den Anleihebedingungen – die Anleihen vom Tisch zu bekommen, ist da häufig eine Vorbedingung von Interessenten, wie im Übrigen auch von Banken, bevor sie sich weiter engagieren. Wie war Ihr Eindruck dazu? Aber das ginge eigentlich nicht, laufende Gespräche über einen gewissen Status hinaus müsste die Euroboden doch sicherlich publik machen.
Kuthe: Dem kann man nur zustimmen. Der starke Verdacht ist: Es gibt einen Plan bei Euroboden und den verschweigt man den Gläubigern. Juristisch kann man nur sagen: ein gefährliches Spiel. Denn es gibt auch ungeschriebene Informationspflichten. Falls man den Gläubigern hier Zugeständnisse abringen will, ohne die vollständige Sachlage offen zu legen, finde ich das bedenklich.

Hammerschmidt: Die Vermarktung schleppt sich

BondGuide: Ich komme nochmal auf von der Euroboden geführte und auch freigegebene Interviews vom Dezember 2022 zurück – bei BondGuide, aber auch bei anderen Portalen. Zu dem Zeitpunkt lag der Zins für Wohnungsbaukredite bei über 3% und das neue Geschäftsjahr der Euroboden war zu diesem Zeitpunkt bereits knapp ein Quartal alt (Gj.ende: 30. Sep.). Die Entwicklung 2022 war jetzt also nicht mehr ganz so ad hoc und der ‚durchschnittliche Effektivzinssatz von 2,65%‘ im Jahre 2022 zu dem Zeitpunkt ziemlich obsolet. Bin ich zu kleinlich in der Interpretation, was wann bekannt und absehbar gewesen sein müsste bei vorausschauenden Kaufmännern?
Kuthe: Hier stellen sich in der Tat Fragen. Zum Zeitpunkt des Interviews, auf das Sie sich beziehen, lagen die Bauzinsen auf einem ähnlichen Niveau, wie im Jahr 2023. Weiterhin berichtete die Geschäftsführung in einem anderen Interview, dass man operativ auf einem guten Weg sei. Nun stellt sich heraus, dass in zwei großen Schlüsselprojekten jeweils nur eine Wohneinheit verkauft worden ist. Wie gesagt: Die Kommunikation überzeugt nicht. Am Ende stellt es sich doch so dar: Findet man einen Weg, der von allen Beteiligten als fair empfunden wird und zu dem jeder, also nicht nur die Anleihegläubiger, seinen Beitrag leistet, der den wirtschaftlichen Gegebenheiten entspricht? Dann kann man das Ruder herumreißen und eine Zukunft für das Unternehmen mit den jetzigen Stakeholdern finden. Oder soll ein konfrontativer Weg gewählt werden?

BondGuide: Nach der Ausschüttung für die beiden Geschäftsführer wurde im Webcast ebenfalls gefragt. Schon klar: Diese waren für ein oder zwei zurückliegende Geschäftsjahre – ziemlich gute –, nicht für das aktuelle. Wie vorausschauend war das zum Zeitpunkt des Beschlusses? – wir sprechen immerhin von ziemlichen Mio-Beträgen, die die Euroboden aktuell gut würde gebrauchen können.
Kuthe: Es ist schwer zu sagen, was man zum Ausschüttungszeitpunkt hätte erkennen und wissen müssen oder nicht. Sicherlich werden solche Abläufe aber in den Gesprächen eine Rolle spielen, denn sie wirken zumindest unglücklich und haben der Gesellschaft letztendlich benötigtes Eigenkapital entzogen sowie für den Kapitalmarkt nicht vertrauensschaffend gewirkt.

BondGuide: Dr. Kuthe, danke für Ihre Zeit und Einschätzung auf die Schnelle!

Interview: Falko Bozicevic