Euroboden: „Im Moment haben wir keine andere Wahl“

Spätestens im Webcast diese Woche wurde deutlich, dass die Euroboden eine Restrukturierung benötigt – und die möglichst rasch. Es geht, nicht nur, aber auch, um zwei Anleihen im Gesamtvolumen von über 90 Mio. EUR. Jetzt und kaum überraschend laufen die Diskussionen darüber, welcher der richtige Weg ist und welchen Beitrag wer wann zu leisten habe. BondGuide sprach deshalb sogleich mit Co-Geschäftsführer Martin Moll.

BondGuide: Herr Moll, in dem Investoren-Call am Dienstag war ich auch dabei. Jetzt mal unabhängig von erläuterten Hintergründen wie Anstieg des Baukostenindex, der Verbraucherpreise etc: Wie schlimm steht es um Euroboden – in Ihren eigenen Worten?
Moll: Ich möchte das Wort nicht überstrapazieren, aber wir erleben gerade eine ‚Zeitenwende‘ für Projektentwickler. Natürlich war uns nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine bewusst, dass durch die plötzlich stark gestiegene Inflation das Ende der Niedrigzinsphase eingeläutet wird. Aber dass es in dieser Intensität nach oben geht und sich damit sämtliche Parameter für unser Geschäft massiv verschlechtern, damit war in dem Ausmaß nicht zu rechnen. Die Situation ist schlimm für unsere Stakeholder, aber wir sind davon überzeugt, dass wir mit unserem vorgeschlagenen Konzept den bestmöglichen Sanierungsweg ebnen.

BondGuide: Die Frage ist, wie zwischen der Ankündigung der Restrukturierung vom letzten Montag und dem Interviews Anfang Dezember mit BondGuide nur ganze sieben Monate vergehen konnten, in denen sich die Welt offenkundig um 180 Grad gedreht haben muss. Zitat vom 7. Dezember: „Die planmäßige Rückzahlung der beiden Anleihen ist aus heutiger Sicht gewährleistet. Eine Begebung einer weiteren Anleihe ist nach unserer heutigen Planung hierzu nicht notwendig.“ Und: „Gestiegene Baukosten sind auf Basis aktueller Kenntnisse bereits berücksichtigt.“
Moll: Euroboden verfügte zum damaligen Zeitpunkt über eine freie Liquidität in Höhe von 33,6 Mio. EUR. Dass sich die wesentlichen Parameter in der ersten Jahreshälfte 2023 so drastisch ändern würden, war nicht prognostizierbar. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Im Jahr 2022 lag der durchschnittliche Effektivzinssatz für einen Wohnungsbaukredit bei 10-jähriger Zinsbindung bei 2,65%, per Ende Juni 2023 sind es 3,76%. Das sind nochmals fast 50% mehr und hat die Nachfrage natürlich deutlich einbrechen lassen. Diese neuen Bedingungen haben dazu geführt, dass wir unsere ursprüngliche Strategie nicht mehr fortsetzen konnten und nun den Strategiewechsel zur bestmöglichen Verwertung unserer Vermögenswerte vollzogen haben.

„Zeitenwende für Projektentwickler“

BondGuide: Was mir auch während des Webcasts nicht vollständig klar wurde: Worin besteht künftig dann das Geschäftsmodell der Euroboden? Was Sie in der Adhoc, der Corporate News und dem pdf auf Ihrer Homepage angekündigt haben, liest sich wie eine Abwicklung aus Insolvenz in Eigenverwaltung – nur eben ohne Insolvenz.
Moll: So weit würde ich nicht gehen. Ob es eine Zukunft für die Gesellschaft gibt, hängt von der weiteren Marktentwicklung ab. Sollten sich allerdings die Rahmenbedingungen nicht schrittweise wieder bessern oder gar weiter verschlechtern, dann ist das von Ihnen skizzierte Szenario sicher nicht unrealistisch. Fakt ist, im Moment haben wir keine andere Wahl, als die Abwicklung der vorhandenen Projekte zu forcieren, um Liquidität zu generieren und unseren unternehmerischen Handlungsspielraum zu erhalten. Gleichzeitig haben wir operative Restrukturierungsmaßnahmen initiiert und mit den Banken Gespräche angestoßen, um ebenfalls über eine Verbesserung der Konditionen oder Stillhaltevereinbarungen zu sprechen.

BondGuide: Lässt sich die gesamte Abwicklungsstrategie nicht en bloc an einen potenten Käufer abtreten? – und die Euroboden macht mit dem Rest weiter, der noch vielversprechend und handhabbar wäre?
Moll: Das will ich nicht ausschließen. Wir prüfen alle gangbaren Optionen für die Abwicklung unserer Projekte.

BondGuide: Mir fiel auf, dass in der Adhoc vom Montag schon auf die taggleiche Veröffentlichung im Bundesanzeiger verwiesen wurde. Die brauchen erfahrungsgemäß mindestens zwei Werktage Vorlauf, Bürokraten halt. War die Adhoc dann nicht früher fällig oder hatte die Euroboden eine Aufschuberlaubnis für solche Situationen von der BaFin beantragt?
Moll: Ja, korrekt. Es gab eine Selbstbefreiung durch Aufschubbeschluss.

„Die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters scheint bei der Emission der Anleihe von den beratenden Juristen nicht bedacht worden zu sein.“

BondGuide: Weshalb es keinen gemeinsamen Vertreter geben soll für die Anleihegläubiger, hatte ich leider akustisch nicht ganz verstanden im Webcast. Sind solche Passagen dazu nicht Standard in den Wp-Prospekten neuzeitlicher Art?
Moll: Ja, wir sind darüber auch nicht glücklich und ursprünglich hatten wir geplant, die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters für die Gläubiger beider Anleihen vorzuschlagen. Allerdings haben uns leider unsere Juristen mitgeteilt, dass dies bei uns nicht möglich sei, da eine Bestellung eines gemeinsamen Vertreters durch Mehrheitsbeschluss in den Anleihebedingungen nicht vorgesehen ist. Das scheint bei der Emission der Anleihe von den beratenden Juristen nicht bedacht worden zu sein.

Für die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters müssten daher in unserem Fall 100% aller Anleihegläubiger stimmen, was uns nicht realistisch erscheint. In den Anleihebedingungen ist lediglich vorgesehen, dass die Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss geändert werden können. Eine Änderung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss dahingehend, dass ein gemeinsamer Vertreter bestellt werden kann, halten unsere Juristen für eine Umgehung der schuldverschreibungsrechtlichen Regelung und daher für unzulässig.

BondGuide: Wie im Call ebenfalls beantwortet wurde, ist die Euroboden ja zu GÖRG gewechselt als Rechtsberatung. GÖRG ist bekannt u.a. auch für Debt-to-Equity-Swaps. Hätte man vor dem Hintergrund der monatelangen Verschlechterung der Geschäftsperspektiven nicht rechtzeitig einen DtE-Swap in die Wege leiten können?
Moll: Wir haben zusammen mit unseren Beratern alle Optionen geprüft. Aus rechtlichen und steuerlichen Gründen führt das vorgeschlagene Konzept zur besten Befriedigungsquote für die Anleihegläubiger. Bei einem DtE-Swap würden die Anleihegläubiger nach jetziger Planung eine niedrigere Quote erhalten.

„Die Euroboden wird aus heutiger Sicht die Forderungen der Anleihegläubiger nur teilweise bedienen können.“

BondGuide: Im Call hatten Sie ja bereits angedeutet, dass Anleihegläubiger mit hoher Wahrscheinlichkeit weder ihre volle Investitionssumme noch die gesamten Zinsen wiedersehen würden. Können Sie den Restwert der Forderungen, sozusagen, etwas konkreter eingrenzen, sprich: Liegt er eher Richtung pari oder eher Richtung 8%, wie die aktuellen Kurse widerspiegeln?!
Moll:
Ja, es ist richtig, dass Euroboden aus heutiger Sicht die Forderungen der Anleihegläubiger nur teilweise wird bedienen können – es sei denn, die aktuelle Marksituation verbessert sich signifikant und die Immobilienpreise steigen wieder auf das frühere Marktniveau oder darüber hinaus. Dies ist jedoch im Moment nicht abzusehen. Wie viel am Ende zur Befriedigung der Forderungen der Anleihegläubiger zur Verfügung steht, ist eigentlich nicht seriös bezifferbar, da es von den Abverkaufspreisen etc. abhängt.

Co-Geschäftsführer Martin Moll

BondGuide: Am Mittwoch, 26. Juli 2023, hat One Square Advisors im Team-up mit Heuking Kühn Lüer Wojtek in einer Pressemitteilung kundgetan, dass sie den Restrukturierungsvorschlag von Euroboden für nicht akzeptabel halte. Was sagen Sie zu der dargelegten Kritik?
Moll:
Zunächst einmal ist es völlig normal in einem solchen Prozess, dass nicht alle Beteiligten ‚Hurra‘ schreien, wenn eine Gesellschaft die Restrukturierung ankündigt und um einen Forderungsverzicht bittet. Wir werden uns mit dem Feedback aller Stakeholder auseinandersetzen und versuchen eine für alle tragfähige Lösung zu finden. Fest steht aber auch, dass unser Vorschlag wohlüberlegt ist und wir aktuell nur wenig Spielraum für maßgebliche Änderungen sehen.

BondGuide: Herr Moll, vielen Dank für das offene Interview! Viel Erfolg bei der Anleiherestrukturierung und die nötige Weitsicht bei den bedeutenden Entscheidungen, die jetzt anstehen.

Interview: Falko Bozicevic