Law Corner: Anleihen als elektronische Wertpapiere

Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung von elektronischen Wertpapieren ist in aller Munde. Er hat insbesondere für Anleihen Relevanz, allerdings beschränkt auf die Fragen der Verwahrung und Übertragung von Anleihen. Die Platzierung und Prospektpflicht werden nicht behandelt. Von Dr. Mirko Sickinger und Dr. Martin Konstantin Thelen, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Der Anwendungsbereich des Gesetzesentwurfs beschränkt sich auf Inhaberschuldverschreibungen im Sinne des BGB. Insbesondere Anleihen und Genussscheine sollen erfasst werden, Aktien dagegen nicht. Das elektronische Wertpapier wird im Wege der Gesetzesfiktion einer beweglichen Sache und damit dem gewöhnlichen Wertpapier gleichgestellt. Emittenten sollen frei zwischen der Begebung einer physischen Globalurkunde und eines elektronischen Wertpapiers wählen können. Ferner soll unter bestimmten Voraussetzungen der Wechsel vom physischen Wertpapier zum elektronischen Wertpapier und umgekehrt möglich sein.

Registerarten

Das elektronische Wertpapier soll in ein Register eingetragen werden. Der Referentenentwurf unterscheidet zwischen zwei Registerarten:

Das zentrale Register ist auf einen Zentralverwahrer, namentlich die Clearstream Banking AG, zugeschnitten. An die Stelle der Einlieferung einer Globalurkunde tritt die Eintragung eines elektronischen Wertpapiers in das zentrale Register. Wie in der bisherigen Praxis entstehen Miteigentumsanteile an dem Wertpapier und der Zentralverwahrer bucht diese zum Handel in den Effektengiroverkehr ein.

Dagegen soll das sogenannte „Kryptowertpapierregister“ die von der Blockchain-Technologie bekannte dezentrale Speicherung von Wertpapieren ermöglichen. Die Eintragung des Wertpapiers kann auf den Namen des einzelnen Eigentümers erfolgen. Allerdings fordert der Gesetzentwurf auch hierfür eine zentrale registerführende Stelle. Das Betreiben des Kryptowertpapierregisters soll eine neue erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung darstellen, sodass der Betreiber einer KWG-Erlaubnis bedarf.

Übertragung von Kryptowertpapieren

Die Übertragung von Kryptowertpapieren erfolgt durch formlose dingliche Einigung sowie Austragung des bisherigen und Eintragung des neuen Berechtigten. Insoweit orientiert sich der Referentenentwurf stark an grundbuchrechtlichen Prinzipien. Diese passen aber nicht zur Distributed Ledger Technologie. Denn die dezentrale Speicherung von Informationen und der Konsensmechanismus innerhalb des Netzwerks stellen rein faktisch sicher, dass kein Unberechtigter handeln kann.

Der Referentenentwurf schützt den Erwerber dagegen durch eine in dieser Form bislang nicht vorkommende Reihe von Tatbeständen des gutgläubigen Erwerbs. Neben dem guten Glauben an Eigentum und Verfügungsbefugnis sollen auch der gute Glaube an eine bestehende Vertretungsmacht und eine nicht vorhandene beschränkte Geschäftsfähigkeit geschützt werden. Grundlage ist jeweils die Eintragung im Kryptowertpapierregister.

Haftung des Verwahrers

Da dem Inhalt des Registers eine so große Bedeutung zukommt, wird die registerführende Stelle verpflichtet sicherzustellen, dass die im Register dargestellte Lage stets der wahren Rechtslage entspricht. Hat ein Registerteilnehmer aufgrund einer falschen Eintragung einen Schaden erlitten, kann er einen Ersatzanspruch gegenüber der registerführenden Stelle geltend machen. Zusätzlich muss die registerführende Stelle die erforderlichen Maßnahmen treffen, um einen Datenverlust und eine unbefugte Datenveränderung über die gesamte Dauer der Eintragung zu verhindern.

Insofern besteht eine Garantiehaftung und damit eine noch schärfere Haftung als nach der DSGVO. Angesichts dieser hohen Haftungsrisiken stellt sich die Frage, ob es überhaupt Anbieter geben wird, die die Tätigkeit der registerführenden Stelle übernehmen werden.

Prospektpflicht und Kapitalmarkt-Compliance

Indem der Referentenentwurf das elektronische Wertpapier als Sache fingiert und den gutgläubigen Erwerb ermöglicht, lässt sich das elektronische Wertpapier leicht handeln, ist also fungibel. Infolgedessen erfüllt das elektronische Wertpapie

Autorenduo Dr. Sickinger (li.) und Dr. Thelen

r alle Merkmale des europarechtlich vorgegebenen Begriffs des übertragbaren Wertpapiers im Sinne der EU-Prospekt-VO. Als Konsequenz löst das öffentliche Angebot von elektronischen Wertpapieren im Grundsatz eine Prospektpflicht aus. Ferner unterliegt der Handel mit elektronischen Wertpapieren den Vorgaben der Marktmissbrauchsverordnung.

Ursprünglich erschienen in BondGuide 20-2020 vom 2. Oktober 2020