Interview: „Immobilien waren immer und bleiben beständig gegen Inflation“

Deutschland ist bekanntlich ein Land der Mieter – Wohneigentum besitzt nicht einmal die Hälfte der Bundesbürger. Ändert sich das vielleicht, wenn der Kaufkraftverlust durch Inflation so sichtbar wird wie die letzten Monate? Darüber sprach BondGuide mit Immo-Experte Alexander Surminski von immocation.de

Herr Surminski, warum erwischte uns die Inflation ausgerechnet in den letzten Monaten dermaßen extrem?
Die eine, alles erklärende Antwort gibt es dazu nicht. Dafür ist Inflation ein zu komplexes Thema. Eingrenzen kann man die Gründe sicherlich auf vier Rahmenfaktoren, die die Geldentwertung massiv beschleunigten: Gerade der massive Nachfrageboom nach Produkten und Dienstleistungen nach einem temporären Coronaschock begünstigte die Inflation um ein Vielfaches. Hinzu kamen – insbesondere für den Standort Deutschland wichtig – die teuersten Energiepreise aller Zeiten, die Verknappung von immer teureren Rohstoffen sowie die Politik des billigen Geldes durch die Europäische Zentralbank. Diese Dinge sind nicht über Nacht gekommen – und werden ebenso wenig wieder so schnell gehen.

Welche Einkommensgruppen sind jetzt besonders betroffen?
Am ehesten sind es die Verbraucher und Normalverdiener, die unter dieser Rekordinflation zu leiden haben. Schließlich fällt nicht nur die Aufmerksamkeit in diesen Bevölkerungsteilen viel zu gering aus – auch gibt es innerhalb dieser Einkommensschicht einen zu hohen Anteil an Sparern. Kein gesellschaftliches Umfeld hat so unter den höchsten deutschen Energiepreisen der Geschichte und der massiven Steuerlast zu kämpfen. Diesem Horrorszenario entkommt man nicht mit weiterem Sparverhalten. Oder anders formuliert: Geld zurück zu halten und zu verwalten ist heute der größte ‚Armutsbeschleuniger‘, den es gibt!

Reichen Aktien und ETFs da noch aus, um sich als Verbraucher langfristig gegenüber dem Kaufkraftverlust zu schützen?
Sicher ist, dass ein Engagement am Kapitalmarkt für jedes Einkommensmilieu langfristig ohne Alternative ist. Aktien solider Unternehmen sowie Gold bilden dabei eine erste, zuverlässige Grundlage. Dennoch haben wir Anfang 2022 gesehen: Auch die Börse kann zeitgleich einer weltweit um sich greifenden Inflation anheimfallen. Hohe Inflationswerte müssen also nicht immer mit Euphoriewellen an den Märkten einhergehen. Der Sturz der Aktienwerte im Dezember und Januar verdeutlicht eher, wie wichtig es ist, sich insbesondere als Normalverdiener ein Vermögen durch Immobilien aufzubauen. Denn nur Immobilien bilden als einzige Assetklasse eine Werthaltigkeit und entwickeln sich mit der Inflation. Sie waren und werden immer in gewisser Weise ‚inflationsresilient‘ bleiben.

Warum ist es dann Ihrer Meinung nach noch nicht zu einem höheren Anteil an Immobilieninvestoren in Deutschland gekommen? – im europäischen Kontext gehören die Deutschen zu den Besitzermuffeln und wohnen mehrheitlich zur Miete.
Dahinter stecken Mentalitäts- und Bildungsfragen: Sparen wird bereits von Klein auf als risikofreie Form des Vermögensaufbaus gesehen – Investieren hingegen verbinden viele mit temporärem Kontrollverlust des eigenen Kapitals sowie vorhandenen Risiken. Beide Einstellungen sind allerdings gefährlicher als jemals zu vor: Denn Vermögen, das nicht in Sachwerten gesteckt wird, verliert jeden Tag an Wert.

Alexander Surminski

Gibt es denn einen ungefähren, gesicherten Ausblick darüber, wie sich Inflation und damit Kaufkraftverlust mittelfristig entwickeln könnten?
Die höchsten Erzeugerpreise in den USA seit 40 Jahren zeigen: Auch die Wirtschaftsstandorte in Übersee haben mit diesem Problem zu kämpfen. Der Unterschied zu Deutschland und Europa ist allerdings ebenso erkennbar: Der prosperierende Arbeitsmarkt deutet auf eine erste Zinswende durch die Fed hin – dass ein Rückgang der Inflation also eher zuerst in den USA und nicht in Europa eintreten wird, gilt daher als wahrscheinlicher.

Interview: Falko Bozicevic

Alexander Surminski ist seit Januar 2021 Geschäftsführer von immocation.de, einem Münchener Ausbildungsunternehmen mit Schwerpunkt Wissenstransfer. Zuvor arbeitete Surminski unter anderem als Director bei onvista (2017-20), Managing Director von ayondo und weiteren international ausgerichteten Finanzunternehmen. Ziel der Münchener ist es, Menschen mit starkem Interesse für Immobilienthemen ein möglichst breit gefächertes Knowhow für den eigenen Vermögensaufbau zu vermitteln.