„Größte Zuversicht am ehesten im Bereich qualitativ hochwertiger Investment-Grade-Anleihen“

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BondGuide sprach mit M&G-Anleihe-Experte Dr. Wolfgang Bauer. Dem Fondsmanager mit Schwerpunkt Europa & Amerika Fragen zu stellen, die er nicht ohnehin schon in seinen regulären Kommentaren veröffentlicht hat, war eine Herausforderung.

BondGuide: Herr Dr. Bauer, zum Aufwärmen eine grundsätzliche Frage: Gibt es bei M&G eine Hausmeinung, welche Assetklasse und welches Spezialthema gerade als attraktiv und welche/s als nicht betrachtet wird, oder denkt jeder Fondsmanager für sich selbst?
Bauer: So etwas wie eine Hausmeinung, die alle Fondsmanager der verschiedenen Assetklassen vertreten müssten, haben wir nicht – wir machen uns also unsere eigenen Gedanken innerhalb dessen, wofür wir verantwortlich zeichnen. Trotzdem arbeiten wir natürlich vernetzt und eng miteinander zusammen.

BondGuide: Ich frage deshalb, da ich in den letzten zwölf Monaten sicherlich Dutzende Experten-Kommentar online gestellt habe – wohl keine zwei hatten die gleichen Favoriten. Ist die heutige Gemengelage besonders schwierig zu handhaben?
Bauer: Die Rolle der Zentralbanken ist in letzter Zeit enorm bedeutend geworden – weit mehr, als sie es bis vor noch 1 ½ Jahren war. Innerhalb der gestiegenen Volatilitäten doch noch das passende Wertschöpfungspotenzial zu finden, ist selbstverständlich der Anspruch an uns aktive Fondsmanager. Bis vor 1 ½ Jahren konnten sich alle Marktteilnehmer im Großen und Ganzen darauf verlassen, dass die Notenbanken mit leichten Eingriffen nötigenfalls steuernd eingreifen, sollten irgendwelche Verwerfungen drohen. Dies geht inzwischen nicht mehr, stecken sie doch selbst in der Klemme zwischen Eingrenzung der viel zu hohen Inflationsraten und ihrem Ziel, die Wirtschaft durch zu hohe Leitzinsen nicht gänzlich abzuwürgen. Das ist nicht weniger als ein Paradigmenwechsel.

BondGuide: Ziehen wir es mal von der Basis her auf, denn Geschichte wiederholt sich zwar nicht, reimt sich aber häufig. Mit was lässt sich die derzeitige Ausgangslage Ihrer Meinung nach am besten vergleichen?
Bauer: In der jüngeren Vergangenheit, also sagen wir mal Ihrer und meiner, existiert ein solcher Vergleich nicht. Da müssten wir schon bis in die 1970er Jahre zurückgehen. Mindestens in diesem neuen Jahrtausend ist die neue aktuelle Verantwortung der Zentralbanken einmalig.

BondGuide: Warum finden Sie Bewertungen in Europa aktuell als attraktiver als solche in den USA – und wo steht Asien bzw. stehen die Schwellenländer in diesem Kontext?
Bauer: Für Schwellenländer und Asien hat M&G eigene Experten, aber zu Europa versus Amerika kann ich natürlich etwas sagen. Am Anfang steht stets die grundsätzliche Frage, wo das Kreditrisiko attraktiver gepreist ist. Und das ist derzeit im europäischen Kontext vorteilhafter, z.B. wenn man sich die Credit Spreads anschaut. Nichtsdestotrotz können auch einzelne nordamerikanische Emittenten attraktiv sein, da diese häufig auch Reverse Yankees begeben haben, also auf Euro denominierte Emissionen ohne Wechselkursrisiko für uns hier in Europa. Vor US-Dollar-Anleihen schrecken wir nicht komplett zurück, aber die Fundamentaldaten des Emittenten müssen da schon überzeugend sein.

BondGuide: Wenn man mal auf Branchen schaut, mögen Sie momentan REITs, also Real Estate Investment Trusts. Lehnt man sich nicht ganz schön weit aus dem Fenster, wenn man derzeit etwas Positives zum Immobilien-Sektor sagt?
Bauer: Durchaus, ja. Wenn man aber genauer hinschaut, gibt es auch dort inzwischen attraktive Bewertungen. Klar ist: Der Immobiliensektor wird momentan von zwei Seiten eingeschnürt. Einerseits durch die gestiegenen Zinsen bei der Finanzierung einer Immobilie, andererseits bei der Finanzierung durch die Bauherren selbst. Wir sind stark an einzelnen Bewertungen interessiert und bauen mittlerweile mit Augenmaß wieder Position auf, wo es uns eben attraktiv erscheint.

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BondGuide: Im Finanzsektor muss man derzeit alles ganz genau prüfen. Wie beurteilen Sie die Lage dort und gibt es dort nach den Verwerfungen womöglich sogar Schnäppchen?
Bauer: Das würde ich durchaus bejahen. Eine Exponierung zu kleinen und mittelgroßen amerikanischen Banken hatten wir ohnehin nicht. Man sollte sich in Erinnerung rufen, dass sowohl amerikanische wie auch europäische Großbanken seit der Finanzkrise 2008 deutlich strikter reguliert sind. Die Finanzkennzahlen sind hier praktisch überall solide. Für uns geht es vielmehr um Detailfragen, wie etwa, ob man sich auch in Nachranganleihen von Finanzinstituten engagieren darf oder ob das zu gewagt wäre. Von einem aktiven Fondsmanager wird erwartet, dieses ‚Wagnis‘ fortwährend zu prüfen und entsprechend seine Exponierung zu steuern.

BondGuide: Welche Asset-Klassen innerhalb Ihres Horizonts würden Sie derzeit meiden?
Bauer: Wir sind untergewichtet z.B. in der Telekommunikation oder im Bereich Konsumgüter. Ausgewählte Finanztitel mit Senior und Lower Tier 2 Bonds und auch REITs mögen wir aktuell, wie ja angesprochen.

BondGuide: Knifflige Frage: Wo sind Sie sich am meisten sicher – 95% Konfidenz-Intervall – und wo am wenigsten?
Bauer: Sehr gute Frage! Ich denke mal, die größte Zuversicht haben wir momentan im Bereich qualitativ hochwertiger Investment-Grade-Anleihen. Wenn aktuell 15% Ausfallrate bei BBB-Anleihen eingepreist werden, obwohl die historische Quote nur bei 3% liegt, dann ist offensichtlich, dass wir für das eingegangene Risiko mit einem Puffer entschädigt werden. Am wenigsten sicher sind wir uns auf der Makroseite: Wir versuchen schlicht, keine großartigen Prognosen anzustellen, wenn die Ausgangslage schon morgen eine gänzlich andere sein könnte, im Detail also zu Leitzinsprognosen, Volatilität von Staatsanleihen etc.

BondGuide: Wichtige Frage zum Ausklang: Was würde Sie zur Revision Ihrer aktuellen Einschätzungen veranlassen in einem der Teilbereiche, die wir gerade besprochen haben? – Stichwort: der ‚Schwarze Schwan‘.
Bauer: Die über mehrere Jahre währende Nullzinspolitik der Notenbanken hat ganz sicher zu Fehlallokationen von Kapital in allen möglichen Assetklassen geführt. Nach dem historisch schnellen Zinsanstieg 2022/23 bröckelt nun hier und dort der Lack von der Substanz und man erkennt erst nach und nach, was darunter liegt. Die SVB wurde unter anderem Opfer davon, langfristige Asset-Durationen kurzfristigen Verbindlichkeiten gegenüberzustellen, da sie sich eine andere Welt als die eines Nullzinses wohl nicht vorzustellen vermochte. Wie weit sich dieses Phänomen auch in andere Sektoren hineingezogen hat, lässt sich aktuell erst nur schwer einschätzen.

Dr. Wolfgang Bauer, M&G Investments

BondGuide: Herr Bauer, ganz herzlichen Dank!

Interview: Falko Bozicevic

*) Dr. Wolfgang Bauer ist seit knapp elf Jahren bei M&G Investments, davon seit 2014 als Fondsmanager. Er studierte in Bayreuth und promovierte an der Universität von Cambridge.

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