Das Spiel mit dem Feuer

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Handelskrieg und eintrübende Fundamentaldaten der US-Unternehmen erhöhen die Rezessionsgefahr – ein BrExit ohne Deal würde Großbritannien, aber auch der Eurozone schaden – die US-Notenbank Fed könnte Abwärtstendenzen bekämpfen. Von Tim Drayson.

Die Aussichten verdunkeln sich. Tweets des US-Präsidenten Donald Trump haben zuletzt den fragilen Waffenstillstand zwischen den USA und China zunichte gemacht. Das Timing war denkbar ungünstig. Führende US-Unterhändler – Steven Mnuchin und Robert Lighthizer – waren gerade von einer Wiederaufnahme der Gespräche in Shanghai zurückgekehrt. Trump hielt sich offenbar nicht an seine Berater, als er mit Wirkung zum 1. September Zölle in Höhe von 10% auf die verbleibenden Importe aus China im Wert von 300 Mrd. USD ankündigte, von denen einige nun auf Dezember verschoben wurden.

Dies wird sich direkt auf hochkarätige Konsumgüter auswirken, pünktlich zur besten Urlaubs-Shopping-Zeit. Das unerwartete Vorgehen der Amerikaner hat China schockiert. Die Chinesen hielten Trump wahrscheinlich für zu unzuverlässig und zu unvernünftig, um sich mit ernsthaften Verhandlungen zu beschäftigen. Die Vertrauensbasis ist nicht mehr vorhanden. Chinas Kalkül ist es womöglich, den USA zunehmend Schmerzen zuzufügen, um nach den Präsidentschaftswahlen 2020 einen Regierungswechsel herbeizuführen. Die Reaktion der USA, China als Währungsmanipulator zu bezeichnen, als Antwort auf eine leichte Abschwächung des Renminbi, hat die Spannungen nur noch weiter angeheizt.

Die direkten Auswirkungen sind eher überschaubar, das US-Wirtschaftswachstum könnte sich um 0,2% verringern. Insgesamt betrachtet summieren sich aber die negativen Nachrichten. Das globale Wachstum hat sich im letzten Jahr bereits deutlich abgekühlt. Angesichts der schwierigen Investitionsbedingungen kann sich der Rückgang der Produktion aufgrund der gestiegenen Lagerbestände verschärfen. Wir befürchten, dass wir uns einem Wendepunkt nähern, an dem das Vertrauen stärker geschädigt wird und Unternehmen ihre Investitionen und ihre Beschäftigung reduzieren. Letzteres würde auch die Verbraucherstimmung eintrüben, die bisher trotz allem relativ gut gewesen ist.

Zwei weitere Faktoren tragen ebenfalls zu den Abwärtsrisiken bei. Erstens ist der Ansatz des neuen britischen Premierministers und seines Pro-BrExit-Kabinetts aggressiver als gedacht. Wir waren daher gezwungen, unsere Wahrscheinlichkeit für einen BrExit ohne Deal zu erhöhen. In diesem Szenario erwarten wir, dass Großbritannien rasch in eine Rezession gerät, gefolgt von der Eurozone. Für die Eurozone wäre dies eindeutig problematisch, da keine politischen Instrumente zur Verfügung stehen, um den Schock zu kompensieren. Wenigstens die Federal Reserve hat Spielraum, zinssensible Teile der Wirtschaft wie den Wohnungsbau zu stimulieren. Die Fed, die in diesem Jahr weitere Kürzungen vorsieht, ist bisher einer der Gründe gewesen, warum man die US-BIP-Prognose nicht stärker herabgesetzt hat. Wir bezweifeln nicht, dass die Fed alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen wird, wenn der Handelskrieg die Rezession noch stärker bedroht.

Der zweite Punkt ist zwar ein Nischenbereich für Ökonomen, wirkt sich jedoch auf Rezessionsindikatoren und Markteinschätzungen aus. Im Rahmen der jährlichen US-Benchmark-Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen sind die Unternehmensgewinne stark nach unten revidiert worden. Das Einkommen ist den Haushalten zugewiesen worden und zeigt sich in einer höheren persönlichen Sparquote. Unsere BIP-Komponentenmodelle deuten jetzt auf ein stärkeres Wachstum der Verbraucherausgaben hin, das durch geringere Unternehmensinvestitionen ausgeglichen wird – das BIP bleibt dabei insgesamt unverändert. Durch die Verschiebung der Zusammensetzung ist der zuvor anfällige Unternehmenssektor jedoch noch stärker gefährdet.

Zwei unserer Rezessionsindikatoren – Gewinnmargen und Finanzierungslücke – bewegen sich jetzt auf den roten Bereich zu. Indessen wird der Haushaltssektor noch robuster. Unter dem Strich ist die Auslösung einer Rezession in diesem Zyklus unwahrscheinlich. Darüber hinaus hätten schwächere Investitionen negative Auswirkungen auf den US-Fertigungszyklus, der tendenziell einen größeren Einfluss auf die US-Aktien- und Kreditmärkte habe, als dies durch die Gewichtung des BIP impliziert wird.

Tim Drayson, Legal and General IM

Fazit
Inmitten der Dunkelheit gibt es jedoch eine positive Entwicklung: Die USA haben sich auf ein Haushaltsabkommen geeinigt und die Schuldengrenze um ein paar Jahre außer Kraft gesetzt. Damit ist ein wichtiges Abwärtsrisiko beseitigt. Aber die Finanzpolitik ist dabei, neutraler zu werden, nachdem sie im vergangenen Jahr fast 1% zum Wachstum beigetragen hat. Alles in allem ist eine weltweite Rezession nicht unser Basisszenario. Zugleich ist dies ist die größte Sorge, die wir seit der Krise im Euroraum haben.

Tim Drayson
ist Head of Economics bei Legal and General Investment Management (LGIM).