„Das Retail-Segment wurde anscheinend bewusst ausgenutzt“

Interview mit Arno Fuchs, CEO, FCF Fox Corporate Finance, über die aktuelle Sachlage bei Mittelstandsanleihen sowie Investoren- versus Platzierungsinteressen.

BondGuide: Herr Fuchs, wo kommen Sie geschäftlich mit Mittelstandsanleihen in Berührung?
Fuchs: Offen gestanden, anfangs, als der Markt für Mittelstandsanleihen über Bondm ins Leben gerufen wurde, war FCF eingeladen bei der Entwicklung mitzuwirken. Seinerzeit haben wir das jedoch abgelehnt, weil ich keine institutionelle Investorengruppe sah, die solche mittelständische Anleihen zeichnen würde. Ich bin dann aber durch den nachfolgenden Retail-Boom natürlich Lügen gestraft worden.

BondGuide: Greift es nicht etwas zu kurz, den Boom den Privatinvestoren in die Schuhe zu schieben?
Fuchs: Ich würde den Markt in drei Investorengruppen einteilen: Es gibt das Retail-Segment, hier zeichnen die Privatleute wirklich selbst. Dann gibt es das  Semi-institutionelle Segment, in dem kleine Vermögensverwalter für ihre Retail-Kunden Depots zeichnen oder durch kleine Fonds zeichnen, die aber immer noch ausschließlich von Kleinstanlegern getrieben werden. Darüber hinaus gibt es dann noch das institutionelle/professionelle Segment.

BondGuide: Und wie sieht es da aus?
Fuchs: Okay, die Institutionellen Investoren sind die Versicherungen und Pensionskassen aus dem deutschen und dem angelsächsischen Raum, die im internationalen Kapitalmarkt dieses Geschäft seit Jahren machen. Die haben zum ersten Mal über dieses neue Produkt geschaut, die Hände über den Kopf geschlagen und gesagt: Das kann doch nicht wahr sein – eine Anlage ohne Kreditklauseln und mit einem Rating auf die Firma und nicht auf die Anleihe und dann noch strukturell subordiniert? Da haben sie gedacht: Was sind das für Anfänger in Deutschland?

BondGuide: Vielleicht überspitzen Sie da etwas?
Fuchs: Es war wirklich so. Wir, FCF, kommen sehr stark über die institutionelle Schiene und daher war es für mich nicht vorstellbar, dass diese Dinge funktionieren. Deswegen haben wir es nicht gemacht. Wir sind kein Spieler im Public-Bond-Bereich, da wir einen stark institutionell geprägten Blickwinkel mit sehr hohen Standards haben. Deshalb ist FCF dann natürlich auch nicht als Public Bond Arrangeur aktiv – obwohl hier seit 2011 viel Geld hätte verdient werden können. 

Emissionen mit und ohne Berater

BondGuide: Aber der Groll hält sich doch sicher in Grenzen, oder?
Fuchs: Ja natürlich. Mein Fokus war schon immer auf nachhaltige Geschäfte mit guten Kunden, sodass möglichst kein Deal und kein Kunde ausfällt. Wenn ich das Risiko sehe, dass eine Transaktion nicht auch langfristig für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation verspricht, nehmen wir ein Mandat lieber nicht an. Wir machen kein Geschäft, um ein paar Jahre abzuräumen und danach die Explosionen im Track-Rekord auszusitzen.  Das ist eine Philosophie-Frage.

fcf day II

BondGuide: Haben Sie den Eindruck, dass bei Schieflagen von Emittenten überhaupt ein Imageschaden für die Arrangeure zurückbleibt?
Fuchs: Das ist bis jetzt tatsächlich nur zum Teil so,– aber vielleicht auch nur auf den ersten und zweiten Blick. Ich bin davon überzeugt, dass sich eine nachhaltige Herangehensweise langfristig auszahlen wird. Vielleicht bin ich da päpstlicher als der Papst – aber in meinen Augen kann es nicht sein, dass ein möglicher Imageschaden und Geldverluste für die zeichnenden Investoren billigend in Kauf genommen werden. Wie gesagt, im langfristigen Interesse aller Beteiligten und im Interesse der Arrangeure.

BondGuide: Den – zunächst ja nur potentiellen – Imageschaden haben viele sicher so nur nicht wahrgenommen…
Fuchs: Doch, das weiß man. Es muss doch nur eine Kreditanalyse durchgeführt werden, um festzustellen, wie kreditfähig ein Unternehmen ist. Das passiert,  indem man sich die Profitabilität ansieht, die Cash-Flow-Statements, die Bilanz und das Geschäftsmodel. Man schaut, wie viel Cash die Firma überhaupt braucht, um ihre Abschreibungen zu refinanzieren. Wenn einem dann noch bewusst ist, wie zyklisch die Branchen sind – das ist alles keine Raketenwissenschaft. Das wird seit hunderten von Jahren so gemacht im Anleihe-Bereich. Dann kann ich als Gesellschaft oder als begleitende Bank ablesen: Ist es ein hohes Risiko – ja oder nein? Wenn ich dann als Arrangeur einfach Covenants vorsätzlich weglasse, ist das für mich ein Problem. Das Ausmaß dieser Probleme können wir ja heute bei den bereits insolventen Fällen sehen.

BondGuide: Und warum dann oftmals eher nein als ja?
Fuchs: Weil die Dinger einfach heiß waren. Die erste Welle war Solarenergie. Da ist selbst eine Windreich rausgekommen. Obwohl im Ratingbericht der Creditreform doch tatsächlich drinnen stand, dass der Besitzer Geld aus der Firma für private Zwecke abgezwackt hat, wurden die Anleihen BBB geratet. Und trotz alledem wurden die beiden Anleihen rausgebracht und tatsächlich gezeichnet. Ohne Covenants. Ich finde so etwas sehr grenzwertig. Windreich ist nur die Spitze der Unmöglichkeiten in diesem Umfeld. 

BondGuide: Was müsste sich in Bezug auf Covenants tun? 
Fuchs: Das Covernant-Thema ist mittlerweile ausgewachsen. Da ist man erwachsen geworden. Wenn man die drei wesentlichen hat, ist das schon auf demselben Niveau wie viele Emissionen, die im internationalen High-Yield-Markt laufen. Und die Financial Covenants: Da ist auch nicht mehr so viel Diskrepanz. 

BondGuide: Wie schätzen Sie den Markt heute ein?
Fuchs: Meine Einschätzung heute ist, dass der Markt sich bereits professionalisiert hat und die Kinderkrankheiten auswachsen. Die Frage ist aber: War der Weg dorthin so wirklich notwendig? Ich behaupte, dass die Investment-Banken, die das gemacht haben, wissentlich Bonds strukturiert haben, bei denen die Standard-Sicherungen vernachlässigt wurden. Andernfalls müsste man es mit Unkenntnis erklären, was genauso fatal wäre.

Performances MStAnl 2013

BondGuide: Hätten die verantwortlichen Banken das vorher kommen sehen müssen?
Fuchs: Wenn man als Investmentbank in diesem Geschäft tätig ist, muss man das wissen. Werden dann trotzdem Bonds wider besseres Wissen strukturiert, dann bringt man seine Investoren in Gefahr. Irgendwie liegt die Vermutung nahe, dass insbesondere das Retail-Segment bewusst ausgenutzt wurde. Jetzt, da das Segment schon nicht mehr so freizügig zeichnet, müssen die besseren Investoren adressiert werden.

BondGuide: Und wie schafft man das?
Fuchs: Man bewegt sich nach rechts zu den institutionellen Investoren. Und dann geht nichts mehr, wenn man nicht deren Bedingungen akzeptiert. Deswegen kommen jetzt diese ganzen Standardthemen rein und der Markt professionalisiert sich ein wenig.

BondGuide:
Also Professionalisierungstendenzen?
Fuchs: Mein Eindruck ist, dass dieser Markt von vielen B- und C-Platzeuren geprägt ist, die dort ihr Glück versuchen und lieber einen abgebrochenen Deal haben oder einen Deal, der nur ein paar Jahre hält als gar keinen – damit sie sagen können, sie spielen auf dem Bond-Markt.

BondGuide: Ist das nicht etwas hart ausgedrückt – auch im Hinblick auf Emittenten?
Fuchs: Aber so ist die Welt: ein Drittel der Emittenten verbessert sich, ein Drittel verbessert sich nicht, kommt aber irgendwie durch, weil sie clever sind. Und das letzte Drittel der Emittenten wird kaputt gehen. Das ist aber eine viel zu hohe Ausfallquote im Bondbereich, insbesondere wenn man für dieses Risiko nur mit einem Zins von 7% bezahlt wird. 

BondGuide: Welche Trends sehen Sie für 2014?
Fuchs: Zuerst ein Statement zu 2013: Die Tatsache, dass auch ohne große Zinswende die Indizes für Mittelstandsanaleihen unter Wasser sind und allen anderen institutionellen Bond Indices hinterher hinken, spricht Bände. Diese Performance schreit den Arrangeuren ihre schlecht Arbeit ins Gesicht. Für 2014 glaube ich, dass die schlechte Performance bei einem guten Teil der Emittenten weiter anhalten wird. Für neue Emissionen hoffe ich, dass bessere Emittenten kommen und der Markt erwachsen wird. Letztendlich ist ein funktionierender Bond-Markt auch im Mittelstandsbereich grundsätzlich eine gute Entwicklung zur Unternehmensfinanzierung. 

BondGuide: Herr Fuchs, wie gewohnt herzlichen Dank für die ebenfalls gewohnt interessanten Insights!

Arno FuchsDas Interview führten Falko Bozicevic und Cynthia Castritius. Erschienen im Special Anleihen 2014 (22. Feb.) – hier geht’s zum ePaper.

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