China : Covid-Politik, Aktienmarkt und Taiwan

Was verbirgt sich hinter der Null-Covid-Politik in China? Und wie groß ist das Risiko eines militärischen Konflikts um Taiwan? Von Jian Shi Cortesi, GAM Investments

Die chinesische Regierung steht vor einem Zielkonflikt zwischen der Anzahl an Covid-Sterbefällen und wirtschaftlichem Abschwung. Zu den Herausforderungen hinsichtlich der Covid-Todesfälle zählen: das Fehlen einer Herdenimmunität, Impfverweigerer unter den älteren Generationen und eine mangelhafte medizinische Infrastruktur.

Aufgrund erfolgreicher Eindämmungsmaßnahmen in China in den vergangenen zwei Jahren infizierten sich weniger als 0,1% der chinesischen Bevölkerung mit Covid, und China hatte nur einige Tausend Covid-Todesfälle zu beklagen, im Vergleich zu einer Million in den USA. Dies macht die chinesische Bevölkerung vermutlich anfälliger für eine Covid-Infektion im Vergleich zu Ländern, die schon weiter auf dem Weg sind, eine Herdenimmunität zu erreichen.

Die am stärksten gefährdete Bevölkerungsgruppe in China ist nicht bereit, sich impfen zu lassen. Nur 60% der Menschen über 60 Jahre haben eine Auffrischungsimpfung erhalten, was bedeutet, dass 100 Mio. ältere Menschen in China nicht geimpft sind.

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Der Anteil der Intensivbetten ist in China völlig unzureichend. Laut Umfragedaten der Chinese Society of Critical Care Medicine beträgt das Verhältnis von Intensivbetten zu Krankenhausbetten landesweit lediglich 1,65%, was bedeutet, dass pro 100.000 Menschen nur 3,43 Intensivbetten zur Verfügung stehen.

Mögliche Konsequenzen daraus: Ausgehend von den 2-3 Todesfällen pro 1.000 Menschen, die in zahlreichen westlichen Ländern zu verzeichnen sind, könnte das Einstellen der Null-Covid-Maßnahmen in China zu 3-4 Mio. Todesfällen im Land führen. Ausgehend von einer Million Covid-Todesfällen in den USA bei einer Bevölkerung von 300 Mio. China hat die vierfache Bevölkerung. Das würde zu einem erheblichen Druck auf die Krankenhäuser führen. Dies ist das Szenario, das die politische Führung Chinas vermeiden möchte.

Wird der mRNA-Impfstoff für China zu einem Wendepunkt führen?

China steht kurz vor der Zulassung seines ersten mRNA-Impfstoffs. Derzeit befinden sich mindestens sechs inländische mRNA-Impfstoffe in der klinischen Erprobung. mRNA-Impfstoffe lösen nachweislich eine stärkere Antikörperreaktion aus als der Sinovac-Impfstoff aus China. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass ein mRNA-Impfstoff für China den Durchbruch bringt; drei Impfungen mit dem Sinovac-Impfstoff führen zu einer Wirksamkeit von mehr als 90% gegen den Covid-Tod (Quelle 1).

Daher liegt der Schlüssel für China nicht im mRNA-Impfstoff, sondern in der Erhöhung der Impfrate bei älteren Menschen. Um ältere Menschen zur Impfung zu motivieren, bietet die Regierung mittlerweile verschiedene finanzielle Anreize.

Wann wird China die Null-Covid-Politik lockern?

Es ist schwer vorherzusagen, wann genau China die Null-Covid-Politik aufgeben wird, wir erwarten jedoch, dass der Trend in Richtung einer Lockerung geht. So wurde beispielsweise die Quarantänezeit für einreisende Touristen vor Kurzem von zwei Wochen auf eine Woche verkürzt. China wird die Null-Covid-Politik endgültig aufgeben, wenn die Städte über ausreichende medizinische Ressourcen und eine hohe Durchimpfungsrate verfügen, insbesondere bei älteren Menschen und sonstigen gefährdeten Gruppen.

Was tut China, um die Wirtschaft und den Aktienmarkt zu stützen?

China hat verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Wirtschaft und den Aktienmarkt zu unterstützen. So ist China zum Beispiel die einzige große Volkswirtschaft, die dieses Jahr die Zinsen gesenkt hat. Des Weiteren hat China durch Lockerung der Beschränkungen für den Immobilienerwerb und die Hypothekenvergabe zur Unterstützung des Immobilienmarktes beigetragen. Zudem wurden Verbraucherausgaben für Autos und Wohnungen durch die Befreiung von 60 Mrd. RMB an Kfz-Steuern für Käufer von Personenkraftwagen sowie die Verbesserung der Wohnungsbaupolitik zur Erleichterung von Immobilienkäufen gesteigert. Hinzu kommen Maßnahmen zur besseren Unterstützung der arbeitslosen Bevölkerung.

Um Unternehmen zu unterstützen, hat China außerdem noch die MwSt.-Vergünstigungen erhöht sowie für Kleinunternehmen die Möglichkeit eingeräumt, Sozialversicherungszahlungen aufzuschieben. Zusätzlich wurde das Volumen von Vorzugsdarlehen für mittelgroße Unternehmen verdoppelt und ein Zahlungsaufschub von Darlehensrückzahlungen für Privatpersonen und kleine Unternehmen ermöglicht.

Die Infrastruktur Chinas soll durch die Beseitigung von Transportbeschränkungen für die Industrielogistik und den Ausbau der nationalen und internationalen Flugverbindungen gestärkt werden. Während die Energiesicherheit durch die Steigerung der Kohleproduktion gewährleistet werden soll. Aber auch das Internet-Wachstum und die Förderung der globalen Wettbewerbsfähigkeit des chinesischen Internets stehen auf der chinesischen Agenda.

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Wie groß ist das Risiko eines militärischen Konflikts um Taiwan?

Die Volksrepublik China definiert ihr Territorium als China plus Taiwan, sie kontrolliert Taiwan jedoch nicht. Laut taiwanesicher Verfassung ist Taiwan Teil der Volksrepublik China und definiert sein Territorium als Taiwan inklusive chinesisches Festland. Dies ist das Ergebnis des früheren Bürgerkriegs. Die Kommunistische Partei Chinas hofft, dass Festlandchina und Taiwan durch friedliche Gespräche, wie sie zwischen Ost- und Westdeutschland stattgefunden haben, wiedervereint werden können.

In den letzten Jahren haben jedoch einige Politiker in Taiwan darauf gedrängt, die Verfassung zu ändern, um Taiwan als eigenständige souveräne Einheit neu zu definieren. Für Festlandchina käme dies einer Unabhängigkeitserklärung gleich. Die chinesische Regierung hat offen erklärt, dass sie Taiwan in diesem Fall mit militärischer Gewalt besetzen wird. Wir sind jedoch der Überzeugung, dass der derzeitige Krieg in der Ukraine als Abschreckung dient und die Wahrscheinlichkeit eines Taiwan-Konflikts tatsächlich verringert.

Jian Shi Cortesi, GAM Investments

Verfolgt man die Medienberichterstattung über Taiwan, so zeigt sich, dass sich die Taiwanesen nicht sicher sind, ob die USA im Falle eines Krieges für sie kämpfen würden. Wir haben den Eindruck, dass Taiwan derzeit weniger auf die Unabhängigkeit drängt als in früheren Zeiten. In Anbetracht der Sanktionen und der wirtschaftlichen Störungen, denen Russland ausgesetzt ist, ist es unwahrscheinlich, dass China militärische Maßnahmen ergreift, ohne dass Taiwan seine Unabhängigkeit erklärt.

Die USA haben einen sehr starken Einfluss auf Taiwan und sind stark motiviert, das Land an einer Verfassungsänderung zu hindern, um einen dauerhaften Frieden zu ermöglichen. Sollte Taiwan beschließen, seine Verfassung zu ändern, würde dies die USA in eine sehr schwierige Lage bringen, da sie vor einem Dilemma stünden – sie könnten entweder gegen China kämpfen oder nichts tun – und keine der beiden Alternativen erscheint besonders wünschenswert.

Quelle 1: https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2022.03.22.22272769v1

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