Wir alle beschweren uns ja regelmäßig über die angeblich überbordende Bürokratie in Deutschland. Doch schauen Sie mal. Von Barkow Consulting*
Oft folgt dann noch ein Klagelied über mangelnde Digitalisierung, Faxgeräte, Handakten und die Forderung nach Firmenstempeln seitens der öffentlichen Verwaltung. Zuviel Papierkram ist zudem eines der größten Hindernisse bei der Kreditvergabe, wie wir jüngst für unseren Kunden ING ermittelt haben.
Bürokratie ist derzeit aber so gering wie noch nie?!
Für alle klagenden Kaufleute haben wir jetzt aber gute Nachrichten: Die Bürokratiebelastung in Deutschland war im März 2024 so niedrig wie nie zuvor oder zumindest seit Beginn der Berechnung des Bürokratiekostenindex des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2012. Wenn man sich die von uns replizierte Grafik des statistischen Bundesamtes anschaut, könnte man sogar denken, die Bürokosten seien quasi auf Null gefallen. Das liegt aber leider nur an der Skalierung der Y-Achse (=Ordinate).
Liegen wir also alle falsch? Schließlich ist „die Wehklage ist des Kaufmanns Gruß“, so besagt ein altes phönizische Sprichwort, das allen Anschein nach auch unser Bundeskanzler schätzt.
Wir wissen ehrlich nicht, wie das Statistische Bundesamt seinen Index genau berechnet. Aber Die Zeit hat sich der Sache dankenswerterweise schon einmal angenommen und ‚nach mehrmaligem Nachfragen‘ zumindest einige Eckpunkte herausgefunden. Der wichtigste scheint zu sein, dass es sich um reale Bürokratiekosten handelt, die Kosten also inflationsbereinigt sind. Mit anderen Worten: Der Index kann sinken, obwohl die absoluten Bürokratiekosten steigen. Diese belaufen sich übrigens auf 65 Mrd. EUR pro Jahr (wir nehmen an, entweder für 2022 oder 2023), was etwa 1,6% des nominalen Bruttoinlandsprodukts entspricht.
Anderer Index – anderes Ergebnis!
Stefan Wagner, Professor für Strategie an der ESMT Berlin, kommt allerdings zu einem ganz anderen Ergebnis. Er misst mit seinem Index das Ausmaß der Bürokratie anhand von Gesetzestexten in DIN-A4-Normseiten. Sein Index steigt seit 2005 um durchschnittlich 4% pro Jahr und misst für 2024 einen neuen Höchststand von knapp 50.000 Seiten.
Vielleicht ist die Wehklage des Kaufmanns in Bezug auf Bürokratie dann also doch nicht vollends unberechtigt…
*) Barkow Consulting zählt zu den renommiertesten Research-Häusern der Bundesrepublik Deutschland und spezialisiert sich vornehmlich auf den Finanzsektor. Die Klientel setzt sich aus führenden Unternehmen in den Bereichen Banking, FinTech, Asset Management, Wirtschaftsprüfung, Unternehmensberatung, Recht sowie diversen Verbänden zusammen.
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