Benchmarks für Anleihen – Messlatte oder Gehhilfe?

Anleiheinvestoren, die sich zu stark auf den Tracking Error stützen, können durch diese Ineffizienzen sogar in große Schwierigkeiten kommen. Wenn Benchmarks ineffizient sind, ist eine Abweichung von ihnen theoretisch ein positives Zeichen, das zu geringerem Risiko oder höheren Renditen führen sollte. Dennoch beobachten wir oft das Gegenteil. Die Manager bleiben zu stark an ihrem Vergleichsindex, und Abweichungen gelten als zusätzliches Risiko, während das Gesamt-Beta oder die Volatilität im Portfolio gegenüber der Benchmark kaum beachtet wird.

Tracking Error: das Gute und das Schlechte
Anleihemanager können den Tracking Error auf zweierlei Weise einsetzen: auf eine gute und eine schlechte. Ein Anleihemanager, der sich zu stark auf die Benchmark konzentriert und den Tracking Error reduzieren will, hält möglicherweise ein Wertpapier, das er negativ einstuft, weil ein erheblicher Anteil des Vergleichsindex darauf entfällt. Vielleicht zeigt er seine Abneigung, indem er die Anleihe im Portfolio untergewichtet. Dennoch bleibt sie weiter im Portfolio, auch wenn sie nicht zu den besten Anlageideen gehört. In diesem Fall würden wir die Verringerung des Tracking Errors als schlecht ansehen. Dem Manager könnte es gelingen, seinen Tracking Error durch eine starke Nähe zur Benchmark zu senken, aber diese Sicherheit dürfte die Überschussrendite kaum erhöhen und vielleicht sogar die Gesamtperformance belasten.

Auf der anderen Seite kann die Berücksichtigung des Tracking Errors jedoch auch die Portfoliorendite begünstigen. In diesem Beispiel vermeidet ein Anleihemanager eine Emission, deren Ausblick seines Erachtens negativ ist. Er sieht sich nach einer anderen Chance um, die ein ähnliches Risiko- und Volatilitätsniveau aufweist. Eine solche Abweichung von der Benchmark gilt als zusätzliches Risiko, weil der Tracking Error dadurch steigt. Falls die Entscheidung jedoch das vom Manager erwartete Ergebnis hat, sprich: wenn die Vermeidung des in Ungnade gefallenen Wertpapiers die Verluste erfolgreich minimiert und die bevorzugte bessere Idee einen positiven Beitrag zur Performance leistet, sollte die risikobereinigte Rendite trotz des höheren Tracking Errors steigen.

Letztlich fahren Anleger mit einem Fondsmanager besser, der eine robuste Assetallokation aufbaut, die Portfolios mit seinen besten Ideen strukturiert und Investitionen basierend auf seinen Überzeugungen auswählt.

Eine bessere Benchmark erstellen
Jeder Fondsmanager, ob nun bei Anleihen oder anderen Anlageklassen, folgt bei der Portfoliostrukturierung und der Risikoallokation einem Prozess. Wenn Anleger sie und ihre Prozesse bewerten, sollten sie sich eine wichtige Frage stellen: Erzielt ihr Prozess eine höhere Rendite mit niedrigerem Risiko oder die gleiche Rendite mit einem niedrigeren Risikoprofil als der Vergleichsindex? Das ist die Definition von Alpha. Anders gesagt, wenn es einem Fondsmanager nur gelingt, in Hausse-Phasen eine Outperformance zu erzielen, ist die Wahrscheinlichkeit weitaus höher, dass er lediglich Beta hinzufügt, um eine Überschussrendite zu erzielen.

Eine ideale Portfoliokonstruktion sollte sowohl bei einem geringeren oder ähnlichen Risiko eine höhere Rendite erzielen als auch konsequent bei allen Marktbedingungen eine risikobereinigte Rendite erwirtschaften, nicht nur bei anziehenden Märkten. Die Umsetzung dieses Ziels erfordert wohl einen komplexeren Ansatz als die üblichen Bottom-up-Prüfung und das Due-Diligence-Verfahren. Bottom-up- oder Top-down-Methoden sind nicht unbedingt falsch, dürften jedoch nicht genügen, um während eines vollständigen Kreditzyklus eine Überschussrendite zu verbuchen. Eine besser durchdachte Taktik könnte zusätzliche Alphaquellen aufdecken, die eine grob vereinfachende Technik übersieht.

Josh Lohmeier

Josh Lohmeier, Aviva Investors

Fondsmanager brauchen neben dem Tracking Error weitere Instrumente, die bei der Risikoallokation während der Portfoliokonstruktion helfen. Wenn ein Anleiheinvestor den Tracking Error nicht länger als Gehhilfe, sondern mehr als Messlatte benutzt, kann er sich auf die Suche nach einer höheren risikobereinigten Rendite und auf eine verringerte Volatilität konzentrieren.

Fotos & Grafik: @Aviva Investors