Adler Group bietet Präzedenzfall für Wirtschaftsprüfer

Auf der Suche nach... was?

Der Immobilienkonzern Adler Group S.A. ist weiterhin auf der Suche nach einem Wirtschaftsprüfer. Ein Gericht entscheidet nun. Doch kann es einen WP zwingen, einen Auftrag anzunehmen (?)

Die Situation ist neu für die Gilde der Wirtschaftsprüfer. Trotz Ausschreibungen sowie Direktansprachen findet sich keine Wirtschaftsprüfergesellschaft für die erforderlichen Abschlussprüfungen. Nachdem die Suche erfolglos verlief, schaltete Adler das Amtsgericht ein und hinterlegte sogar eine sog. ‚Shortlist‘.

Die Geschichte bleibt aber heikel. Das Amtsgericht kann einen Abschlussprüfer bestellen und da die Prüfung bei Adler längst überfällig ist, liegen auch ausreichende Antragsgründe vor. Ein Gerichtsbeschluss würde die Wahl des WPs durch die Hauptversammlung und unter gewissen Umständen sogar die Bestellung eines WPs durch den Emittenten selbst überschreiben. Üblicherweise wählt das Gericht einen WP, der vorab seine Bereitschaft signalisiert hatte.

Das ist anders im Fall Adler RE: Dem Vernehmen nach haben bisher alle angefragten relevanten WPs ihre Bereitschaft abgewunken. In ein vermeintliches Nesselnest möchte sich offenbar keiner freiwillig setzen, sollte er nicht dazu gezwungen werden. Gerade nach dem Wirecard-Skandal sind die Hürden für eine Mandatsannahme offenkundig doch wieder gestiegen. Dass es bei einem Großkonzern wie Adler komplex wird mit der Prüfung aller relevanten Sachverhalte, ist sicherlich jedem klar.

Und das ist die Frage: Kann das Gericht eine Mandatsübernahme anordnen, auch wenn der WP seine Bereitschaft zur Übernahme abgelehnt hat? Die Branche unterliegt lediglich der Bestimmung zu einer zeitnahen Erklärung zu einem Ja oder Nein – nicht aber einem verordneten ‚Ja‘.

Dieser fragliche Sachverhalt läuft unter dem bekannten Begriff Kontrahierungszwang. Rechtsanwälte und Notare kennen diesen natürlich (‚Pflichtverteidigung‘, ‚Vorbehaltsaufgabe‘) und er widersteht der ansonsten natürlicherweise geltenden Berufsfreiheit.

Gesetzliche Pflichtprüfungen scheinen der Arbeit von Notaren recht ähnlich, denn auch diese müssen nötigenfalls pflichtgemäß anstehende Beurkundungen vornehmen, auch wenn sie sich um das Mandat nicht gerade reißen, betont auch Spezialist Matthias Schüppen, Honorarprofessor an der renommierten Uni Hohenheim.

Quelle: @Adler Group

Naheliegend sollte nun die zeitnahe – und eigentlich überfällige – Einschaltung der Wirtschaftsprüfungskammer sein, um zu einer Entscheidung in diesem bis dato einmaligen Fall zu kommen, sofern der Kontrahierungszwang nicht über das Amtsgericht durchsetzbar scheint. Dies wäre ein Weg der Selbstreflexion in einem Metier, das in Börsenkrisen schon häufiger im Fokus des Aufbegehrens stand – auch Wirecard lässt an dieser Stelle nochmals grüßen.

Sollte sich die WP-Gilde zu dieser Selbstreinigung einmal mehr nicht erwachsen genug präsentieren, würde wohl nur noch eine behördliche Sonderprüfung (bzw. die Androhung einer solchen reicht wohl aus) hinsichtlich Oligopolvermutung der Big-4, also EY, PwC, KPMG und Deloitte helfen, um auf diese Weise mit ‚sanfter Gewalt‘ einen Stein aus dem Baukasten zu brechen. Speziell EY könnte am ehesten geneigt sein, durch Wirecard aggregierte Malus-Punkte aus seinem Flensburger Punkte-Register wettmachen zu können.

So oder so: Es wird dauern, bis die Adler Real Estate Gruppe endlich ihren Abschlussprüfer findet. Und als nächstes: was.

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