Der Klimawandel wartet nicht – wie geht’s weiter mit ESG?

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Transition ist keine Option, sondern Voraussetzung – für Unternehmen, Banken und den Finanzmarkt. Extreme Wetterlagen, zunehmende Regulierung und gesellschaftliche Erwartungen zeigen: ESG ist keine reine Reportingpflicht, sondern Überlebensstrategie. Trotz des Rückzugs einiger US-amerikanischer Banken aus Klimabündnissen bleibt das Thema hochaktuell. Der Klimawandel schreitet voran, physische Risiken nehmen zu und die Erwartungen an nachhaltiges Wirtschaften steigen kontinuierlich. Von Dr. Andreas Wagner*, Chief Sustainability Officer und Head of ESG Germany, HypoVereinsbank/UniCredit Group

Für europäische Banken ist klar: Die Transition der Wirtschaft ist zentrales Ziel – nicht nur regulatorisch, sondern auch aus unternehmerischer Weitsicht und Risikovorsorge.

Klimarisiken sind längst reale Geschäftsrisiken
Extremwetterereignisse sind längst Realität – mit spürbaren Folgen für Unternehmen: Lieferausfälle, Produktionsunterbrechungen, steigende Investitionen in Resilienzmaßnahmen.

Klimawandel, -schutz und -anpassung treiben daher die Transition von Geschäftsmodellen. Das ist relevant für das erfolgreiche Fortbestehen, aber auch bei Investitionen und der Verfügbarkeit von Finanzmitteln.

Für Banken bedeutet dies eine doppelte Herausforderung: Physische und transitorische Risiken müssen bei der Kreditvergabe noch differenzierter bewertet werden, während gleichzeitig die Transition aktiv finanziert werden muss – als Ermöglicher der Transition, nicht als Bremser.

ESG als strategisches Element unternehmerischer Entwicklung
Auch wenn ESG vielfach als Schlagwort der letzten Jahre erscheint: Die inhaltliche Auseinandersetzung mit ökologischer, sozialer und verantwortungsvoller Unternehmensführung ist in vielen Betrieben längst gelebte Praxis. Die aktive Gestaltung der eigenen Transition vertieft diese Entwicklung und setzt fort, was bereits begonnen wurde. Wer langfristig erfolgreich und wettbewerbsfähig bleiben will, muss sein Geschäftsmodell zukunftsfähig ausrichten.

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Was sich hingegen verändert hat, sind die Rahmenbedingungen: Regulatorische Anforderungen – etwa durch die EU-Taxonomie, die CSRD oder das Lieferkettengesetz – führen zu einer Systematisierung und Standardisierung, die vor allem größere Transparenz und Vergleichbarkeit schafft.

Was wir beobachten: Viele Unternehmen, vor allem größere, haben bereits einen CSRD-Report inklusive Transitionsplan erstellt. Insbesondere im industriellen Mittelstand setzen Unternehmen ihre Transition mit großer Ernsthaftigkeit um – auch wenn sie dies nicht immer unter dem Label „ESG“ tun. Investitionen in energieeffiziente Prozesse, der Umstieg auf erneuerbare Energien oder die Digitalisierung von Produktionsanlagen sind keine Marketingmaßnahmen, sondern strategische Entscheidungen zur Zukunftssicherung und Energieautarkie. Dieser Trend hat sich seit „Trump“ und „Omnibus“ noch einmal verstärkt: weg von „me too“ und hin zu einem klaren „ESG-Business-Case“.

Dabei zeigt sich deutlich: Die Transition ist kein einmaliger Akt, sondern ein Prozess. Sie verlangt Klarheit über die eigene Ausrichtung, über Risiken und Potenziale, aber auch über die erforderlichen finanziellen Mittel. Damit ist die Transition als Chance zu sehen – viele Unternehmen haben schon heute verstanden, dass sie nur mit ökologisch und gesellschaftlich nachhaltigen Geschäftsmodellen auch in Zukunft wettbewerbsfähig sein können.

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Mittelstand im Fokus: Vom Reporting zur aktiven Transition
Besonders im deutschen Mittelstand gewinnt ESG an Bedeutung – nicht nur wegen neuer Berichtspflichten, sondern in erster Linie durch steigende Kunden- und Markterwartungen.

Viele kleine und mittlere Unternehmen sind Teil internationaler Lieferketten, müssen zunehmend Informationen zu CO2-Emissionen, Energieverbrauch oder Recycling liefern. Auch Kreditgeber achten verstärkt auf ESG-Strategien – unabhängig der Berichtspflichten. ESG-Kriterien gelten aber nicht als Hürde, sondern sind Ausdruck unternehmerischer Zukunftsfähigkeit. Ein hinreichender Grad an Digitalisierung zur Generierung steuerungsrelevanter ESG-Daten ist dabei wesentlich. Wer seine Transition strategisch und glaubwürdig angeht, sichert sich auch künftig den Zugang zu Kapital.

Finanzierung im Wandel: ESG-Integration statt Produktfokus
Ein interessantes Phänomen zeigt sich derzeit im Bereich der nachhaltigen Finanzierungsinstrumente: Während die grundsätzliche Bedeutung von ESG weiter steigt, nimmt die Nachfrage nach spezifisch „grünen“ Produkten wie ESG-linked Loans oder Green Bonds leicht ab. Hierbei besteht für die meisten Unternehmen kein wesentlicher Vorteil mehr in Bezug auf die Konditionen oder die verfügbare Liquidität.

Dies bedeutet nicht, dass das Interesse an nachhaltigen Finanzierungen schwindet. Vielmehr verlagert sich der Fokus: Viele Unternehmen integrieren ESG-Themen heute so tief in ihre Gesamtstrategie, dass die Transition bereits durch entsprechende Pläne und CSRD-Reports nachweisbar und durch externe Prüfungen validiert ist.

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Für uns als Bank heißt das: Der Trend geht weg vom reinen Produktansatz, hin zu einer ganzheitlichen Kundenbetrachtung. Das ermöglicht eine fundierte Begleitung unserer Kunden auf dem Weg der Transition, die über klassische Produktlogik hinausgeht.

Ausblick: ESG bleibt – und wird differenzierter
Die kommenden Jahre werden ESG-Themen nicht abschwächen, sondern vertiefen. Die Transition der Wirtschaft wird zur strategischen Kernaufgabe – für Unternehmen und Banken gleichermaßen.

Als Bank sind wir gefordert, sowohl Risiken präziser zu erkennen als auch Potenziale gezielt zu fördern. Wir begleiten unsere Kunden in ihrer Transition – mit Kapital und Beratung. Wir sind überzeugt, dass Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg kein Widerspruch sind, lediglich zwei Seiten derselben Medaille!

Dr. Andreas Wagner, HypoVereinsbank/UniCredit Group

*) Dr. Andreas Wagner leitet den Geschäftsbereich Transition Finance der HypoVereinsbank mit den Bereichen Förderkredite, Gründungs- und Nachfolgefinanzierungen sowie Competence Center. Seit 2019 verantwortet er auch die Sustainable-Finance-Aktivitäten der Bank und er leitet seit 2023 als Chief Sustainability Officer (CSO) auch die neu geschaffene Einheit ESG Germany.

Dieser Fachbeitrag erschien ursprünglich in der BondGuide-Jahresausgabe „Green & Sustainable Finance 2025“ am 12. Juni 2025HIER geht’s zur Gesamtausgabe.