
Law Corner von Dr. Thorsten Kuthe, Rechtsanwalt und Partner, HEUKING
>> aus BondGuide #12-2025 vom 13. Jun. <<
Ein praktisch relevantes Kommunikationsinstrument für Aktien- und Anleiheemittenten sind seit einiger Zeit die sogenannten Pre-Close Calls. Das sind Gespräche zwischen Emittenten und Analysten vor der Veröffentlichung von Unternehmensergebnissen wie Quartals- oder Jahreszahlen.
Seit einiger Zeit gibt es Diskussionen dazu, ob hierdurch unzulässigerweise Informationen weitergegeben werden, die zu Handelsverzerrungen führen. Angeblich soll es nach Pre-Close Calls auffällige Kursbewegungen geben. Die Aufsichtsbehörden ESMA und jetzt im Juni auch die BaFin haben daher Handlungsempfehlungen für Emittenten veröffentlicht.
Eine Stellungnahme der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA aus dem letzten Jahr stellt Pre-Close Calls in einem negativen Licht dar: Danach würden diese Gespräche ein erhöhtes Risiko der unzulässigen Weitergabe von Insiderinformationen mit sich bringen insbesondere durch die fehlende Transparenz und fehlende Aufzeichnungen.
Das lässt sich aus Sicht der Praxis nicht nachvollziehen. In jedem Gespräch mit einem Analysten erfolgt eine vertiefende Erläuterung der Geschäftstätigkeit und der finanziellen Treiber. Das gleiche gilt für One on Ones mit Investoren oder auch bei Gesprächen im Rahmen von Roadshows oder Investorenkonferenzen. Mit der Argumentation wäre sämtliche Investorenkommunikation außerhalb von Earnings Calls unzulässig. Hinzu kommt: Nach der eigenen Diktion der ESMA darf es in Bezug auf (erwartete) Ergebnisse gar keine unveröffentlichten Insiderinformationen geben, wäre doch ein Aufschub der Ad-hoc-Publizität diesbezüglich wegen Irreführung des Marktes unzulässig.
Erfreulicherweise tritt das Ergebnis einer Untersuchung durch die BaFin dieser Stigmatisierung von Pre-Close Calls entgegen: Die Behauptung von auffälligen Kursbewegungen nach Pre-Close Calls hat sich danach nicht bestätigt. Kursreaktionen am Tag der Pre-Close Calls im Zeitraum von 2022 bis 2024 der DAX- und MDAX-Unternehmen zeigen nach Auswertung der BaFin keine Hinweise für systematische Verstöße gegen das Verbot der unrechtmäßigen Offenlegung von Insiderinformationen und Marktmanipulationen. Auffällige Kursreaktionen nach derartigen Gesprächen sind selten und weisen, sofern sie doch vorkommen, keine Anhaltspunkte dafür auf, dass die Reaktionen aufgrund verbotenerweise offengelegter Insiderinformationen erfolgten.
Pre-Close Calls weiterhin zulässig
Es gilt also festzuhalten, und so letztlich auch BaFin und ESMA: Pre-Close Calls stellen einen festen Bestandteil der Kapitalmarktkommunikation dar und sind grundsätzlich zulässig. Dass dort keine Insiderinformationen preisgegeben werden dürfen, versteht sich von selbst. Die Gespräche müssen sich also auf bereits öffentlich bekannte oder nicht-insiderrelevante Inhalte beschränken wie etwa Details dazu, wie/warum eine öffentliche Guidance erreicht werden wird.
Was empfiehlt die BaFin?
In Anlehnung an die Empfehlungen der ESMA in Bezug auf Pre-Close Calls spricht sich die BaFin ebenfalls dafür aus, die Calls so transparent wie möglich durchzuführen, damit bereits der bloße Anschein einer unrechtmäßigen Offenlegung von Insiderinformationen vermieden wird.
Um dem gerecht zu werden, wird den Unternehmen geraten, Folgendes als Good Practice zu berücksichtigen:
Pre-Close Calls sollen im Vorfeld öffentlich angekündigt werden z.B. auf der Website der Emittentin. Zudem legt die BaFin nahe, zur Vermeidung des Eindrucks selektiver Informationsweitergabe möglichst auf Einzelgespräche zu verzichten.
Des Weiteren wird empfohlen, die Unterlagen, die gezeigt werden, zu veröffentlichen und die Gespräche aufzuzeichnen, damit man diese der Aufsichtsbehörde zur Verfügung stellen kann.
Dabei weist die BaFin ausdrücklich darauf hin, dass die Umsetzung dieser Empfehlungen nicht für alle Emittenten gleichermaßen möglich ist, eine One-Size-fits-all-Lösung existiert nicht.
Letzteres kann man nur mit ‚immerhin‘ kommentieren. Denn die Vorschläge greifen in einer Weise in die Kommunikation ein, die weit über das Gesetz hinaus geht. Aufnahme von Gesprächen sind dem Kapitalmarkt nicht fremd z.B. aus der Marktsondierung. Jedoch sind dies weitgehende Eingriffe und in der Form abzulehnen. Marktteilnehmer aufgrund eines nicht belegten Verdachts in solche Maßnahmen zu zwängen und das noch ohne gesetzliche Grundlage, ist deutlich abzulehnen. Am Ende müsste ein Gericht beweisen, dass es irgendwelche Verstöße gegen Insiderrecht gibt. Wer das für sich ausschließen kann, kann diese Empfehlungen letztlich ignorieren.
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