
Law Corner von Dr. Lutz Pospiech, Partner und Rechtsanwalt, und Lena Gerhard, Senior Associate und Rechtsanwältin, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München
>> aus BondGuide #4-2025 vom 21. Feb. <<
Das LG München I hat sich in seinem Beschluss vom 23.02.2024 mit einer Reihe formaler Anforderungen an die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters (gV) nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Emittentin befasst. Schwerpunkte der Entscheidung waren die erforderliche Konkretheit des Beschlussvorschlags über die Bestellung eines gV, die Erstreckung der Beschlusskompetenz der Anleihegläubigerversammlung (AGV) auf die Regelung der Haftung und Vergütung des gV sowie die mögliche Bestellung einer ausländischen juristischen Person zum gV. In seiner Entscheidung hat das LG München I die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen, die dort nun anhängig ist.
Beschluss des LG München I (Az. 14 T 660/24)
Der Beschwerdeführer (Bf) begehrte im Rahmen einer sofortigen Beschwerde die Aufhebung der von einer AGV nach Maßgabe von § 19 II SchVG nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Emittentin gefassten Beschlüsse. Zuvor hatte das AG München (Az. 1509 IN 2357/23) einen entsprechenden Antrag zurückgewiesen und der daraufhin ergangenen sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Das LG München I kommt in seiner Entscheidung zu dem Schluss, dass die Beschlüsse der AGV unter formellen und materiellen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden seien. Hierzu im Einzelnen:
Konkretheit der Beschlussvorschläge in der Einberufung zur AGV
Der Bf rügte unter anderem die fehlende Vorabveröffentlichung eines konkreten mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantwortenden Beschlussvorschlags zur Wahl des gV. Das LG München I wendet in seiner Entscheidung § 13 I SchVG indes restriktiv an und betont, dass der in der Einberufung zur AGV veröffentlichte Tagesordnungspunkt mit dem Wortlaut „Beschlussfassung über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters (…), die Vergütung des gemeinsamen Vertreters und dessen Haftung“ nicht zu beanstanden sei. Sinn und Zweck der Einberufung zur AGV gemäß § 19 II 2 SchVG unter Angabe der Tagesordnung sei es, in verständlicher und umfassender Weise darüber zu informieren, was verhandelt und beschlossen werden soll.
Den Gläubigern solle die Wahrnehmung ihrer Rechte in der AGV und die sachgerechte Vorbereitung der Entscheidungsfindung ermöglicht werden. Die Formulierung der Tagesordnung gewährleiste dies aus Sicht des LG München I in hinreichendem Maße.
Beschlussfassung auch über die Vergütung und Haftung des gV
Der Bf vertritt weiterhin die Ansicht, dass der Beschlussgegenstand zu weitgehend gewesen sei, da er neben der Wahl des gV zugleich die Beschlussfassung über dessen Haftung und Vergütung vorsehe. Nach der Ansicht des Bf lasse § 19 II SchVG nur die Bestellung eines gV, jedoch nicht die Entscheidung über dessen Haftung und Vergütung zu. Für das LG München I sei in dieser derzeit sehr umstrittenen und höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfrage letztlich entscheidend, dass eine Erweiterung der Tagesordnung um Fragen der Vergütung und Haftung „in höchstem Maße sinnvoll und prozessökonomisch“ sei.
Der gV müsse vor der Annahme seines Amts die konkreten Rahmenbedingungen seiner Amtsübernahme kennen, worunter zweifelsohne auch seine Haftungsbegrenzung und die Vergütungsregelung falle. Der gV habe in der Praxis erhebliche Bedeutung. Eine Beschlussfassung über die Vergütung und Haftung des gV auf eine weitere AGV zu verschieben, sei daher nach Auffassung des LG München I verfehlt.
Unzutreffend sei darüber hinaus die Ansicht des Bf, dass die Vergütungsregelung, die sich nach dem Vorbild der Regelungen des RVG richte, und die Haftungsbegrenzung unangemessen seien. Der Gesetzgeber habe bisher keine Regelung zur Vergütung des gV im Insolvenzverfahren der Emittentin aufgenommen. Der gV könne daher grundsätzlich mit dem Insolvenzverwalter eine Vergütungsregelung treffen. Maßgeblich sei aus Sicht des LG München I hierbei, dass diese Vergütungsregelung gemäß § 7 VI SchVG angemessen sei. Eine angemessene Vergütung liege nur dann vor, wenn diese Art und Umfang der ausgeübten Tätigkeit sowie das damit verbundene Risiko hinreichend abbilde. Dabei sei es den Parteien überlassen, die Höhe des Anspruchs innerhalb dieser Grenzen zu konkretisieren. Gleiches gelte für die Haftungsbegrenzung, wie schon § 7 III 2 SchVG zeige.
Zulässigkeit einer ausländischen juristischen Person als gV
Schließlich richtete der Bf seine Beschwerde inhaltlich gegen die Bestellung des konkreten gV, da es sich bei diesem nicht um eine inländische juristische Person handele und dieser daher nicht für das Amt geeignet sei. Das LG München I führt hierzu aus, dass gemäß § 7 I 1 SchVG jede geschäftsfähige Person oder jede sachkundige juristische Person gewählt werden könne. Weiteren Einschränkungen unterlägen die Gläubiger bei der Wahl nicht. Eine juristische Person könne dann zum gV gewählt werden, wenn sie die zur Ausübung dieser Funktion notwendige Sachkunde nachweise. Diese Sachkunde könne auch eine ausländische juristische Person nachweisen, wie es der gV vorliegend getan habe.
Angesichts der grundlegenden Bedeutung der vorgenannten Rechtsfragen zur Beschlusskompetenz der AGV nach § 19 II SchVG und der Zulassung ausländischer juristischer Personen als gV ließ das LG München I die Rechtsbeschwerde zum nun zur Entscheidung berufenen BGH zu (§ 574 III 1, II ZPO).
Fazit
Die Haftungs- und die Vergütungsfrage sind für einen potenziellen gV von so entscheidender Bedeutung für seine Amtsübernahme, dass die vom LG München I angenommene Erstreckung der Beschlusskompetenz der AGV nach § 19 II SchVG auf Regelung der Haftung und der Vergütung aus unserer Sicht überzeugt. Gleiches gilt für die Annahme, dass auch ausländische juristische Personen für das Amt des gV in Frage kommen. Insoweit ist zu hoffen, dass der BGH diesbezüglich zeitnah für Rechtsklarheit sorgen wird. Spannend bleibt, ob der BGH zugleich Konkretisierungen der Angemessenheit der Vergütung eines gV vornehmen wird. Der BGH könnte zudem zu der ungeklärten Rechtsfrage Stellung nehmen, ob eine etwaige Differenz zwischen der von einer AGV nach § 19 II SchVG beschlossenen und einer angemessenen Vergütung des gV von den Anleihegläubigern oder der Emittentin als Insolvenzschuldnerin zu tragen ist.
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