Law Corner: Disclosure Letters bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

Foto: © vecstock – freepik.com

Legal Opinions und Disclosure Letters sind ein wesentlicher Bestandteil der Dokumentation von Wertpapieremissionen. Sie sind formalisierte Bestätigungen der beteiligten Rechtsberater über von ihnen beurteilte Rechtsfragen und sind jeweils auf die Rechtsordnung beschränkt, zu der ihr Aussteller berät. Wie damit in grenzüberschreitenden Transaktionen umzugehen ist, wird nur wenig erörtert. Dieser Beitrag zeigt Lösungsansätze auf. Die Law Corner von Dr. Mirko Sickinger (li.), LL.M., Rechtsanwalt und Partner, und Dr. Andreas Meyer, Rechtsanwalt und Senior Counsel, HEUKING

>> aus BondGuide #9-2025 vom 2. Mai <<

Anwaltliche Bestätigungen und deren Funktion
Nach internationaler Kapitalmarktpraxis geben an der Vorbereitung einer Wertpapierplatzierung beteiligte Rechtsberater gegenüber den Emissionsbanken förmliche Erklärungen ab. Eine Legal Opinion bestätigt die Rechtswirksamkeit bestimmter Umstände auf Seiten des Emittenten, wie sein rechtliches Bestehen, die wirksame Ausgabe zu platzierender Wertpapiere oder die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit der abgeschlossenen Verträge.

Dagegen enthält der Disclosure Letter eine negativ formulierte Aussage zur Richtigkeit und Vollständigkeit des dabei erstellten Prospekts. Denn die Banken sind typischerweise neben dem Emittenten für den Prospekt verantwortlich und damit für Prospektfehler haftbar. Von dieser Prospekthaftung können sie sich durch den Nachweis entlasten, dass sie die Verhältnisse des Emittenten und deren Darstellung im Prospekt sorgfältig geprüft haben.

Foto: © pch.vector – freepik.com

In Anlehnung an das US-Recht bezeichnet man dies als Due Diligence Defense. Diese basiert auf der für öffentliche Angebote in den USA geltenden Section 11 des U.S. Securities Act von 1933. Das Konzept hat sich auch bei Privatplatzierungen etabliert, für die die allgemeine Haftungsnorm der Rule 10b-5 unter dem U.S. Securities Exchange Act von 1934 gilt. In Deutschland ist die Prospekthaftung nach § 9 WpPG ähnlich geregelt.

Emittent und Banken sind als Prospektverantwortliche gegenüber den Anlegern haftbar, wenn der Prospekt in Bezug auf wesentliche Angaben unrichtig oder unvollständig ist. Prospektverantwortliche können sich nach § 12 Abs.1 WpPG mit dem Nachweis entlasten, dass sie in Bezug auf den Prospektfehler nicht grob fahrlässig waren. Legal Opinions und Disclosure Letters dienen neben einem vom Abschlussprüfer des Emittenten erstellten Comfort Letter und dem Nachweis eigener Untersuchungen den Banken zur Führung dieses Entlastungsbeweises.

Übliche Ausgestaltung
Anders als eine Legal Opinion dient ein Disclosure Letter nicht der Bestätigung einer Rechtsfrage, sondern der Dokumentation der sorgfältigen Prospektvorbereitung. Daher wird er nicht als Opinion bezeichnet. Bei öffentlichen Angeboten von Wertpapieren in Deutschland ist ein Disclosure Letter durch das Vordringen internationaler, insbesondere US-amerikanischer Investmentbanken seit den 1990er Jahren üblich. Dabei hat sich ein weitgehend der US-Praxis entsprechendes Format etabliert.

Foto: © rawpixel.com – freepik.com

Der Aussteller beschreibt darin zunächst seine Rolle (etwa als Rechtsberater des Emittenten im Zusammenhang mit dem Wertpapierangebot) sowie dabei durchgeführte Maßnahmen. Dazu zählt die Teilnahme an Besprechungen mit Vertretern des Emittenten und der Banken, anderen Rechtsberatern und des Abschlussprüfers des Emittenten, bei denen der Inhalt des Prospekts erörtert wurde, ferner die Durchsicht von der Gesellschaft bereitgestellter Dokumente. Dabei wird oft klargestellt, dass es nicht die Aufgabe von Anwälten ist, im Prospekt dargestellte Sachverhalte zu verifizieren, und dass ihre begrenzten Aktivitäten nicht dazu dienen, den Banken ihre Prospektverantwortung abzunehmen.

Es folgt die Kernaussage, dass den Anwälten dabei nichts zur Kenntnis gekommen ist, was für sie Anlass zur Annahme wäre, dass der Prospekt eine falsche Darstellung eines wesentlichen Umstandes enthält oder in Bezug auf einen solchen Umstand derart unvollständig ist, dass die darin enthaltenen Aussagen irreführend wären (sog. negative Assurance).

Diese Kernaussage wird aber dahingehend eingeschränkt, dass die Aussteller

–           weder die Verantwortung für Richtigkeit, Vollständigkeit oder Angemessenheit der Prospektangaben übernehmen noch

–           eine Einschätzung zu den im Prospekt enthaltenen Finanzinformationen, Informationen aus dem Rechnungswesen, statistische Angaben oder deren Erläuterung treffen.

Foto: © freepik.com

Internationale Marktpraxis und Umgang mit grenzüberschreitenden Sachverhalten
Die weite Verbreitung von Disclosure Letters ruht daher, dass Platzierungen europäischer Emittenten mit größeren Volumina oft eine Privatplatzierung in den USA beinhalten. Dabei geben US-Rechtsberater einen Disclosure Letter ab. Dieser wird wegen der Anlehnung der Kernaussage an Rule 10b-5 auch 10b-5 Letter genannt. Seit Umsetzung der EU-Prospektrichtlinie werden dafür nach den europäischen Prospektvorschriften erstellte Prospekte verwendet, auf die sich dann der 10b-5 Letter bezieht.

Deutsche Rechtsberater geben zu dem von der BaFin gebilligten Prospekt einen vergleichbaren Disclosure Letter ab, der sich auf das deutsche und europäische Prospektrecht bezieht. Dabei nimmt der Aussteller auf sein Verständnis des WpPG, der EU-Prospektverordnung und der dazu erlassenen delegierten Rechtsakte sowie seine insoweit gewonnene Erfahrung Bezug. Die Kernaussage besagt dann, dass ihm nichts zur Kenntnis gekommen ist, was ihn zur Annahme veranlasst, der Prospekt enthalte unrichtige Angaben, die für die Beurteilung der jeweiligen Wertpapiere wesentlich sind, oder wäre in Bezug auf solche Angaben unvollständig, jeweils i.S.v. § 9 WpPG. Ein solcher Disclosure Letter wird auch als 10b-5 look alike bezeichnet.

Foto: © freepik.com

Enthält der Prospekt Darstellungen ausländischer Sachverhalte, ist die Praxis uneinheitlich. Bei der rechtlichen Prüfung der Verhältnisse ausländischer Tochtergesellschaften des Emittenten und von Verträgen nach ausländischem Recht ist ein deutscher Rechtsberater auf die Unterstützung durch lokale Anwälte (local Counsel) angewiesen. Diese erstellen mitunter eigene Opinions zu Fragen des lokalen Rechts. Der Disclosure Letter nimmt darauf in der Aufzählung der geprüften Unterlagen Bezug.

Die lokale Opinion kann auch eine positive Bestätigung von Prospektabschnitten mit Aussagen zu Fragen des ausländischen Rechts beinhalten. Je nach Bedeutung der ausländischen Tochtergesellschaft kann der ausländische Anwalt gegenüber dem Rechtsberater in Deutschland einen Disclosure Letter mit Bezug auf die europäischen Prospektvorgaben abgeben. Denn innerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes sind diese aufgrund der unmittelbaren Geltung der EU-Prospektverordnung und der dazu erlassenen delegierten Rechtsakte gleich und nach den Vorgaben der ESMA konsistent auszulegen. Der deutsche Rechtsberater kann in seinem Disclosure Letter ausdrücklich Bezug auf Legal Opinions und Disclosure Letters des lokalen Anwalts nehmen, verbunden mit der Aussage, dass er sich zu Fragen des lokalen Rechts auf diese Dokumente verlässt (sog. reliance).

Dr. Mirko Sickinger (li.) & Dr. Andreas Meyer, RAs, HEUKING

Fazit
Disclosure Letters haben sich zum Nachweis der sorgfältigen Prospekterstellung etabliert. Die Dokumentation der Einbindung ausländischer Rechtsberater kann dabei unterschiedlich erfolgen. Maßgeblich sollte sein, in welchem Umfang je nach Bedeutung der betreffenden Rechtsordnung für den Emittenten ausländische Rechtsberater einzubinden sind und wie ihre Einbindung aussagekräftig dokumentiert werden kann, um die bei der Prospekterstellung angewandte Sorgfalt zu demonstrieren. Dies sollte bereits bei der Mandatierung der Rechtsberater bedacht werden.

Unsere BondGuide-Jahresausgabe „Finanzierung im Mittelstand 2024“ steht weiterhin als Download frei zur Verfügung. Daneben können auch unsere weiteren Nachschlagewerke wie bisher als kostenlose E-Magazine bequem heruntergeladen, gespeichert & durchgeblättert werden.

! Bitte nutzen Sie für Fragen und Meinungen Twitter – damit die gesamte Community davon profitiert. Verfolgen Sie alle Diskussionen & News zeitnaher auf Twitter@bondguide !