Law Corner: Das scharfe Schwert des schuldverschreibungsrechtlichen Freigabeverfahrens

Dr. Christian Becker (li) und Lutz Pospiech,
Rechtsanwälte, GÖRG, München

Der Law Corner Beitrag von Dr. Christian Becker, Partner, und Lutz Pospiech, Rechtsanwalt, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München

Die aus dem Aktienrecht bekannte Gefahr des Missbrauchs der Anfechtungsklage existiert auch im Schuldverschreibungsrecht. Die Karawane der Anfechtungskläger ist mittlerweile auch zu den schuldverschreibungsrechtlichen Anleihegläubigerversammlungen weitergezogen. Die stattgebende Freigabeentscheidung des OLG Köln zum Schuldverschreibungsrecht (Az. 18 U 175/13 – SolarWorld) stärkt die Position von Anleiheemittenten bei der Restrukturierung von Anleihen nach dem SchVG. Demnach überwiegt das Interesse eines von der Insolvenz bedrohten Emittenten am Vollzug von Sanierungsbeschlüssen das Aufschubinteresse einzelner opponierender Anleihegläubiger, wenn die Beschlüsse die Anleihegläubiger diese gegenüber einer Insolvenz besser stellen.

Beschlussmängelrecht
Anleihegläubiger können in der Krise eines Emittenten mit bestimmten Mehrheiten Restrukturierungsbeschlüsse nach dem SchVG fassen. Auch Anleihegläubiger, die gegen entsprechende Beschlussvorschläge gestimmt oder nicht an der Abstimmung teilgenommen haben, sind daran gebunden (Prinzip der kollektiven Bindung).

Die gefassten Restrukturierungsbeschlüsse werden allerdings häufig angefochten – oft auch durch regelmäßig auftretende sog. „Berufskläger“. Vor Vollziehung muss zuvor ein gerichtliches Freigabeverfahren durchlaufen werden. Wenn darin ein Freigabebeschluss des zuständigen OLG ergeht, können erst dann Beschlüsse und Restrukturierung umgesetzt werden.

Freigabeentscheidung des OLG Köln
Das OLG Köln (Az. 18 U 175/13 – SolarWorld) gab dem Freigabeantrag eines Emittenten bzgl. umfassender Restrukturierungsbeschlüsse der Anleihegläubiger (u.a. Umsetzung eines Debt-Equity-Swaps) statt. Es habe ein überwiegendes Vollzugsinteresse des Emittenten bestanden, da ohne eine (rasche) Vollziehung der Beschlüsse die Insolvenz gedroht habe. Die Nachteile des Vollzugs der Beschlüsse für die klagenden Anleihegläubiger seien demgegenüber nachrangig. Das überwiegende Vollzugsinteresse wurde insbesondere damit begründet, dass die Beschlüsse der Anleihegläubiger dringend zur Rettung des Emittenten, d.h. zur Vermeidung der Insolvenz, notwendig seien und im Falle einer Insolvenz nur eine geringe Insolvenzquote (ca. 7,5%) zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger (einschließlich der Anleihegläubiger) zur Verfügung stünde – die Vollziehung der Beschlüsse für die Anleihegläubiger also insgesamt vorteilhaft sei.

Vorteilhaftigkeit des Sanierungskonzepts – Wertaufholungspotenzial
Nach der Rechtsprechung des OLG Köln kommt es für eine positive Freigabeentscheidung darauf an, dass den Anleihegläubigern durch das Restrukturierungskonzept ein Wertaufholungspotenzial angeboten wird, das über der zu erwartenden Insolvenzquote liegt.

Sofern ein Sanierungskonzept den Umtausch einer Anleihe in Aktien des Emittenten (Debt-Equity-Swap) vorsieht, kann das Wertaufholungspotenzial und damit die Vorteilhaftigkeit des Sanierungskonzepts für die Anleihegläubiger durch eine Unternehmensbewertung des Emittenten untermauert werden. Ein erhöhtes Wertaufholungspotenzial für die Anleihegläubiger kann diesen z.B. durch die Gewährung stimmberechtigter Vorzugsaktien eingeräumt werden, die eine bevorrechtigte Beteiligung am Gewinn und Liquidationserlös haben.

Fazit
Wenn Anleihegläubigern ein faires und marktgängiges Sanierungskonzept mit einem angemessenen Wertaufholungspotenzial vorgeschlagen wird, dürfte dieses Konzept nicht nur eine breite Zustimmung bei Anleihegläubigern finden. In ggf. erforderlichen Freigabeverfahren wird ein solches Konzept zudem regelmäßig dazu führen, dass auch das Vollzugsinteresse des Emittenten überwiegt.