Law Corner: Börse 2.0 – tatsächlich eine Stärkung der Kapitalmarktkultur?

Dr. Anne de Boer

Dr. Anne de Boer, Partnerin GSK Stockmann + Kollegen

Wir Berater freuen uns sicher, wenn der Kapitalmarkt – vor allem bei Aktienemissionen – sich wieder belebt. Auch Unternehmen dürften dies positiv sehen, da sie sich dann eventuell stärker über den Kapitalmarkt finanzieren können. Für die Venture Capital und Private Equity Investoren könnte ein beliebter Exitweg wieder realistischer werden. Nachfolgend seien – nur – einige Überlegungen zur Börse 2.0 aufgeführt: 

EU-Marktmissbrauchsregelungen: Herausforderung für junge Unternehmen
In dieser Kolumne wurde bereits mehrfach auf die Erhöhung der Transparenzanforderungen auch für den einfachen Freiverkehr durch die EU-Marktmissbrauchsregelungen hingewiesen. Diese enthalten zwar zugleich kleinere Erleichterungen für so genannte KMU-Wachstumsmärkte, die jedoch ohne wesentliche Bedeutung sein dürften. 

Start-up-Unternehmen, die an die Börse gehen möchten, müssen damit zumindest in einem gewissen Umfang kapitalmarktfähig sein: ihre internen Strukturen und ihr Verständnis müssen so klar und transparent sein, dass insbesondere Adhoc-Mitteilungen und Finanzinformationen pünktlich und korrekt veröffentlicht und die insiderrechtlichen Regelungen eingehalten werden.

Auch private Investoren?
Neben institutionellen Investoren dürfte auch eine Vielzahl privater Investoren interessiert sein, sich an solchen Start-ups zu beteiligen. Neben einem allgemeinen Interesse an unternehmerischen Beteiligungen dürfte dies auch an dem niedrigen Zinsumfeld liegen. Deutschland ist nach meinem Eindruck dabei immer wieder hin- und hergerissen: Einerseits soll es eine Kapitalmarktkultur geben, bei der auch Privatinvestoren sich beteiligen können und sollen; sobald es in einem Risikosegment, zudem Wertpapiere sicherlich zählen, zu vermehrten Ausfällen kommt, sollen andererseits die Privatanleger wieder stärker – zwangsweise – geschützt werden. Eine solche Tendenz zeigt sich auch im ersten Vorschlag zum Kleinanlegerschutzgesetz im Rahmen des „Aktionsplans der Bundesregierung zum Verbraucherschutz im Finanzmarkt“ vom 24.07.2014, das auch bereits in der Law Corner besprochen wurde. 

Internet-Emissionen
Gerade für die IT-Branche – der Wirtschaftsminister hat die Börse 2.0 für Start-up Unternehmen auf deren 8. IT Gipfel in Hamburg beworben – dürften die in den letzten Jahren entwickelten Emissionswege über das Internet interessant sein. So werden bei Anleihen und der Crowdfinanzierung die Produkte teilweise unmittelbar über die Webseite des Emittenten oder Emissionsplattformen angeboten. Diese Wege stehen grundsätzlich auch bei Aktienemissionen offen: PNE Wind hat dies bereits genutzt. 

Regelungspuzzle
Die Finanzwelt ist in den letzten Jahren erheblich reguliert worden und es ist kein Ende in Sicht. Die Regelungen sind dabei für ähnliche wirtschaftliche Sachverhalte nach meinem Eindruck jedoch sehr unterschiedlich. Beispielhaft seien nur die Anforderungen an Prospekte für Wertpapiere und Vermögensanlagen, wie z.B. bei Planzahlen, und deren Bewerbung in Folge des geplanten Kleinanlegerschutzgesetzes genannt. Eine Vereinheitlichung der Regelungen und Anforderungen könnte wesentlich der Transparenz von Finanzprodukten dienen und damit auch den Anlegern bei der Bewertung und Auswahl helfen. 

Fazit
Ein sich belebender Kapitalmarkt ist sicher wünschenswert für alle Beteiligten. Allerdings sollte dies dann konsequent umgesetzt werden. Privatanleger sollten ebenfalls berechtigt sein, sich zu beteiligen, dann aber auch mit in die Verantwortung genommen werden. Dies bedeutet, dass im Vorfeld genau überlegt wird, für welche Investoren und mit welchen Transparenzanforderungen und Emissionswegen die Börse 2.0 aufgesetzt wird.