Law Corner: BGH-Urteil zur Vergütung des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren – viele Fragen offen

Dr. Christian Becker, Partner und Lutz Pospiech, Assoziierter Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München
Dr. Christian Becker (li) und Dr. Lutz Pospiech, GÖRG

Der Law Corner Beitrag von Dr. Christian Becker, Partner, Dr. Lutz Pospiech, Assoziierter Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München.

Der BGH hat sich in seinem Urteil vom 12.01.2017 mit der kontrovers diskutierten Frage nach der Vergütung des gemeinsamen Vertreters aller Anleihegläubiger (GV) in der Insolvenz auseinandergesetzt. In der Entscheidung hat der BGH die Begründungen der bis dahin ganz herrschenden Auffassung im Schrifttum verworfen und überraschend entschieden, dass die Vergütung eines GV nach Insolvenzeröffnung nicht automatisch vorab aus der Insolvenzmasse zu zahlen ist.

Vergütung des GV nach Insolvenzeröffnung
Ein GV hat gem. § 7 VI SchVG Anspruch auf eine „angemessene Vergütung“, die der Emittent zu tragen hat. Zu der praxisrelevanten Frage, wie dieser Vergütungsanspruch nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Emittenten zu erfüllen ist, schweigen sich allerdings sowohl das SchVG als auch die InsO aus. Dies überrascht, da in der Insolvenz dem „starken“ GV eine besonders wichtige Rolle zukommt (§ 19 III SchVG). Gerade hier ist es wichtig, dass die Interessen der Anleihegläubiger durch den GV gebündelt vertreten werden.

Bisher ganz herrschende Auffassung im Schrifttum
Die weit überwiegende Anzahl der Fachautoren hat die Vergütung als Masseverbindlichkeit qualifiziert. Lediglich vereinzelt wurde die Vergütung als (teilweise nachrangige) Insolvenzforderung erachtet. Die Begründungsansätze für die Annahme einer Masseverbindlichkeit variieren; es besteht jedoch Einigkeit, dass dann, wenn die Vergütung des GV nicht vorab aus der Insolvenzmasse befriedigt wird, geeignete Kandidaten für das Amt nur schwer zu finden sein dürften.

BGH-Urteil vom 12.01.2017 (Az. IX ZR 87/16)
Gegen die herrschende Auffassung in der Literatur hat der insolvenzrechtliche Senat des BGH geurteilt, dass die Vergütung des GV nach Insolvenzeröffnung nicht automatisch vorab aus der Insolvenzmasse gezahlt werden muss. Der GV vertrete nur die Anleihegläubiger: Eine automatische Belastung der Insolvenzmasse und damit aller Gläubiger sei daher nicht immer gerechtfertigt.

Aus Sicht des BGH ist es aber auch künftig zulässig, durch eine Vereinbarung zwischen Insolvenzverwalter und GV eine Masseverbindlichkeit nach § 55 I Nr. 1 Fall 1 InsO zu begründen. Auf dieser Basis kann dann der GV vorab aus der Masse vergütet werden, wenn sich seine Tätigkeit insgesamt positiv auf die Insolvenzmasse auswirkt. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn ein Rechtsanwalt mit besonderer Expertise im Kapitalmarkt- und Schuldverschreibungsrecht das Amt des GV übernimmt und im Rahmen seiner Tätigkeit auch Rechtsberatung erbringt, sodass ein Insolvenzverwalter auf die Einschaltung externer Rechtsanwälte für die betreffenden Themenkomplexe verzichten kann. Wir gehen davon aus, dass eine klare Regelung durch eine entsprechende Vereinbarung zwischen Insolvenzverwalter und GV auch künftig der Regelfall sein wird.

Altfälle
Vergütungen für Tätigkeiten eines GV in der Insolvenz, die vor dem BGH-Urteil vom 12.01.2017 gezahlt wurden, sind stets als Masseverbindlichkeiten bezahlt worden. Die InsO sieht für solche Zahlungen keine Rückforderungsansprüche vor; vielmehr genießt ein GV insoweit Vertrauensschutz. Auch bereicherungsrechtlich besteht kein Rückforderungsanspruch gegen den GV. Da ein Emittent gem. § 7 VI SchVG die Kosten für einen GV trägt, lag ein rechtlicher Grund für die Auszahlung der Vergütung vor.

Fazit
Ohne GV kommt auf einen Insolvenzverwalter eines Anleiheemittenten nicht zuletzt bei der Prüfung und dem Abgleich der Forderungsanmeldungen mit den Depotauszügen der einzelnen Anleihegläubiger und der erforderlichen Umbuchung in neue ISIN / WKN bei (Vorab-)Ausschüttungen ein enormer Mehraufwand zu. Insolvenzplan-Sanierungen werden ohne GV kaum umsetzbar sein. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die bisherige Praxis nicht ändern wird und der Insolvenzverwalter den GV als Masseverbindlichkeit vergütet. Zudem bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber schnell für Rechtsklarheit sorgt und diesen Punkt ausdrücklich regelt.

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