Law Corner: BGH – Keine Anwendung des SchVG auf unverbriefte Genussrechte

Dr. Lutz Pospiech & Josepha Rüberg, GÖRG

Der Law Corner Beitrag von Dr. Lutz Pospiech, Assoziierter Partner, und Josepha Rüberg, Associate, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München.

In seinem Urteil vom 22.03.2018 hat der BGH klargestellt, dass Genussrechte nur dann als inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen dem SchVG unterfallen, wenn sie in einer Urkunde (Genussschein) verbrieft sind. Für eine analoge Anwendung des SchVG auf nicht verbriefte Genussrechte fehle es an einer vergleichbaren Interessenlage.

Urteil des BGH (Az. IX ZR 99/17)
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt wählten die Inhaber nicht verbriefter Genussrechte auf einer vom Insolvenzgericht nach § 19 II 2 SchVG einberufenen Anleihegläubigerversammlung einen gemeinsamen Vertreter, der anschließend die Forderungen aus den Genussrechten für sämtliche Inhaber der Genussrechte zur Insolvenztabelle anmeldete. Nachdem dieser Forderungsanmeldung durch andere Gläubiger widersprochen wurde, erhob der gemeinsame Vertreter im Namen der Genussrechtsinhaber Klage auf Feststellung der angemeldeten Forderungen.

Der BGH hatte somit die Frage zu entscheiden, ob auch die Inhaber unverbriefter Genussrechte durch einen gemeinsamen Vertreter nach Maßgabe des § 19 III SchVG in einem Feststellungsprozess gemäß § 179 InsO vertreten werden können. Dies hat der BGH mangels Verbriefung der Genussrechte gemäß der §§ 1 und 2 SchVG – u.E. zu Recht – verneint.

Keine analoge Anwendung des SchVG
Eine entsprechende Anwendung des SchVG auf unverbriefte Genussrechte lehnt der BGH ab. Der BGH führt aus, dass das Leitbild des SchVG die durch die Verbriefung gesichertere Verkehrsfähigkeit der Ansprüche sei. Allein die Tatsache, dass einzelne Gläubiger über Forderungen verfügen, die gleiche Bedingungen aufweisen, stelle keinen ausreichenden Grund für eine analoge Anwendung des SchVG auf unverbriefte Rechte dar. Ebenso wenig genüge die Eintragung der Gläubiger in ein von der Gesellschaft geführtes Genussrechtsregister, um eine vergleichbare Interessenlage zu begründen.

Foto: © Zffoto – stock.adobe.com

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Gegenauffassung in der Literatur: Analoge Anwendung des § 19 SchVG
Es gibt allerdings Stimmen in der Literatur, die sich auch in Bezug auf unverbriefte Genussrechte für eine entsprechende Anwendung der Regelung allein des § 19 SchVG aussprechen. Sie stützen ihre Gegenauffassung darauf, dass dem durch die mangelnde Verbriefung begründete Unterschied zwischen unverbrieften Genussrechten einerseits und Genussscheinen andererseits in der Insolvenz des Emittenten keine Bedeutung mehr zukomme. Vielmehr seien beide Gläubigergruppen in allen wesentlichen Punkten gleich, sodass für eine Ungleichbehandlung kein Grund ersichtlich sei. Eine kollektive Interessenwahrnehmung durch den gemeinsamen Vertreter dennoch lediglich für Gläubiger verbriefter Rechte zuzulassen, widerspräche mithin der ratio legis des § 19 SchVG, eine effiziente Durchführung des Insolvenzverfahrens zu ermöglichen.

Kritische Würdigung
So nachvollziehbar die Argumentation für eine analoge Anwendung des § 19 SchVG auf unverbriefte Genussrechte aus praktischer Sicht auch erscheint, steht dieser Auffassung dennoch die klare Systematik des SchVG entgegen. Auch wenn der Gesetzgeber § 19 SchVG als eine „insolvenzrechtliche Regelung“ versteht, kann diese nicht – losgelöst von den übrigen Regelungen des SchVG – isoliert für den Insolvenzfall betrachtet werden. § 19 SchVG kann vielmehr nur dann Anwendung finden, wenn insgesamt das SchVG gemäß § 1 SchVG überhaupt anwendbar ist. Dies setzt wiederum nach dem im § 2 SchVG verankerten Skripturprinzip die Verbriefung der Forderungen voraus. Etwaige Anpassungen des § 19 SchVG an Bedürfnisse der Praxis bleiben Aufgabe des Gesetzgebers.

Emittenten von Genussrechten, die diese an zahlreiche Gläubiger ausgeben möchten, ist nach der Rechtsprechung des BGH dringend die wertpapiermäßige Verbriefung der Genussrechte anzuraten. Nur so können diese Finanzierungsinstrumente dem Anwendungsbereich des SchVG unterstellt werden.

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