Ein großer Wurf zur Vermeidung von Corona-Insolvenzen – Wesentliche Aspekte des Entwurfs des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG) – Teil I

Dr. Christian Becker (li) und Dr. Lutz Pospiech, GÖRG

Mehrheiten
Die Abstimmung über den Restrukturierungsplan erfolgt in Gruppen. Grundsätzlich ist für eine Annahme des Plans in jeder Gruppe eine Mehrheit von mindestens drei Viertel der Stimmrechte erforderlich. Das Stimmrecht bemisst sich grundsätzlich nach dem Nennwert der Restrukturierungsforderungen bzw. der Höhe der Kapitalbeteiligung an der Schuldnerin. Stimmt eine Gruppe gegen den Plan, kann sie von der Mehrheit der abstimmenden Gruppen, die dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt haben, überstimmt werden, wenn die Mitglieder dieser Gruppe (i) durch den Restrukturierungsplan nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne Plan stünden und (ii) angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf der Grundlage des Plans den Planbetroffenen zufließen soll.

Restrukturierungsbeauftragter
Auf Wunsch der Schuldnerin kann das Restrukturierungsgericht einen sogenannten Restrukturierungsbeauftragten als „verlängerten Arm des Restrukturierungsgerichts“ bestellen. In bestimmten Fällen erfolgt eine notwendige Bestellung eines Richtrestrukturierungsbeauftragten durch das Restrukturierungsgericht, bspw. wenn Rechte von Verbrauchern, mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmen berührt werden, die Schuldnerin eine Stabilisierungsanordnung erwirkt, eine Vertragsbeendigung beantragt wird oder in Rechte von Gläubigern aus gruppeninternen Drittsicherheiten eingegriffen werden soll sowie wenn der Restrukturierungsplan eine Planüberwachung vorsehen soll.

Der Restrukturierungsbeauftragte wird von dem Restrukturierungsgericht beauftragt, die Restrukturierungssache zu überwachen und dem Restrukturierungsgericht Auskunft zu erteilen. Zudem kann das Restrukturierungsgericht dem Restrukturierungsbeauftragten weitere Befugnisse übertragen, wie bspw. die wirtschaftliche Lage der Schuldnerin zu prüfen und deren Geschäftsführung zu überwachen und/oder von der Schuldnerin zu verlangen, dass eingehende Gelder nur von dem Restrukturierungsbeauftragten entgegengenommen werden können. Zudem hat der Restrukturierungbeauftragte zusätzliche Aufgaben und Befugnisse, wenn die Schuldnerin einzelne Sanierungsinstrumente in Anspruch nimmt.

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Privilegierungen von Neufinanzierungen
Für den Zeitraum der Vorbereitung und Umsetzung des Restrukturierungsvorhabens gelten auch die bisherigen Anforderungen der Rechtsprechung zum Sanierungskredit; insb. ist wie auch bisher in bestimmten Situationen für die Finanzierungen ein Sanierungsgutachten erforderlich. Allerdings werden neue Finanzierungen haftungsrechtlich und bzgl. etwaiger Anfechtungsmöglichkeiten in einer ggf. später eintretenden Insolvenz der Schuldnerin in einem im StaRUG näher beschriebenen Umfang privilegiert.

Fazit
Der vorliegende Regierungsentwurf für das StaRUG zur Umsetzung des europäischen Restrukturierungsrahmens ist ein großer Wurf. Die Restrukturierungsinstrumente dieses Gesetzes erlauben es Unternehmen deutlich frühzeitiger und zielgenauer als es bisher nach der Insolvenzordnung der Fall war, einzelne oder auch umfassende Restrukturierungsmaßnahmen zu ergreifen und – auch gegen den Widerstand einzelner Akkordstörer – umzusetzen. Derartige Sanierungsmaßnahmen tragen nicht das Stigma einer Insolvenz und die Gläubiger haben nicht schon allein durch die Insolvenzantragsstellung einen erheblichen Verlust des Unternehmenswerts zu erleiden. Ein Hauptanwendungsfall dieser neuen Sanierungsmöglichkeiten wird sicherlich die Restrukturierung von Finanzverbindlichkeiten sein.

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