Die Score Capital begibt nach ihrer Debütemission vor vier Jahren eine Folgeanleihe. Doch von Fußballromantik kann keine Rede sein: Der Handel mit Forderungen, meist aus Transferverpflichtungen, ist ein knallhartes Geschäft – und übrigens eines, in dem Deutschland weltweit führend ist. BondGuide zum Start der Emission im Gespräch mit Co-Gründer und -Inhaber sowie Vorstand für Sales/Strategie Stephan Schnippe.
>> Aus BondGuide 23-2024 von Freitag <<
BondGuide: Herr Schnippe, zum Einstieg kurz einige Worte sowohl zu Ihnen selbst als auch zur Score Capital bitte.
Schnippe: Ich bin Bankkaufmann und Ökonom. Bevor ich die Score Capital AG gegründet habe, war ich lange Zeit bei der IBB, dem Internationalen Bankhaus Bodensee als Vorstand tätig. Da kam ich mit dem überaus interessanten Metier Fußballgeschäft in Kontakt. Diese spezielle Form der Finanzierung haben mein Kollege und ich dort erfunden und von 2004 bis 2015 erfolgreich aufgebaut.
BondGuide: Wozu braucht es in diesem Geschäftsbereich Zwischenfinanzierer oder Makler, die mit diesen Forderungen handeln?
Schnippe: Wir kaufen feststehende Zahlungsverpflichtungen, meistens aus Transfers. Wir sind quasi Bindeglied zwischen dem kaufendem und verkaufendem Verein bei einem Transfergeschäft. Im Prinzip ist es ein Fortaitierungsgeschäft, oder wie Sie es womöglich kennen: Zahlung mit Skonto. Ein kaufender Club zahlt weniger bei Sofortzahlung des gesamten Transferbetrags und mehr bei Streckung auf Raten. Diese Ratenzahlung kaufen wir an und die Verkäuferseite erhält das Geld sofort – abzüglich unserer Gebühren – und der Käufer zahlt an uns den Ablösebetrag gemäß Transfervertrag.
„Mit dem Verkauf einer Transferforderung kann der Verein auch sehr bequem die Einnahmen außerhalb der beiden Transferfenster Juli / August und Januar glätten.“
BondGuide: Der FC Bayern beispielsweise prahlt doch oft mit dem berühmten Festgeldkonto. Der könnte doch direkt bezahlen.
Schnippe: Ja, Sie haben Recht, der FC Bayern verfügt über eine einwandfreie Bonität und auch über entsprechende Liquidität. Unser Kunde ist aber eher ein Verein, der einen Spieler an den FC Bayern abgibt. Selbst wenn sich das ein FC Bayern leisten kann, also das Festgeldkonto prall gefüllt ist, wird sich auch ein FC Bayern überlegen, ob er einen großen Transfer auf einmal bezahlt oder auf Raten. Das ist eine ganz normale betriebswirtschaftlich Entscheidung. Auch weiß der FC Bayern, dass der abgebende Verein jederzeit die Raten gegen den FC Bayern günstig finanzieren kann. Somit ist das eine Win-Win-Situation für beide Vereine und wir kommen ins Spiel. Gerade die bekannten Ausbildungsvereine, z.B. in Portugal oder Südamerika, sehen diese Forfaitierung als Teil ihres Geschäfts. Andere müssen schlicht den Cashflow möglichst sofort haben, da sie finanzielle Probleme haben, z.B. nach einem Abstieg. Die Gründe sind vielfältig. Mit dem Verkauf einer Transferforderung an uns kann der Verein auch sehr bequem die Einnahmen außerhalb der beiden Transferfenster Juli / August und Januar glätten.
BondGuide: Was können Sie uns über das fußballspezifische Kreditrating und seine Beteiligten sagen?
Schnippe: Das haben wir mit der Creditreform gemeinsam entwickelt und baut auf einer Datenbank von rund 2.500 Bilanzen auf. Wir arbeiten bei der Risiko- und Asset-Auswahl wie eine Bank, auch wenn wir keine sind. Die Regulatorik im Fußball ist wie ein Schutzschild um unser Geschäftsfeld. Die FIFA gibt die Regeln vor; die fließen herunter auf die kontinentalen Zonen wie die UEFA. Jeder Verein, der sogar nur potentiell international spielt, muss dreimal im Jahr nachweisen, seinen Transferverpflichtungen nachzukommen – andernfalls wäre er weg vom Fenster. Daher hatten wir bisher auch Null Ausfälle. Und regional fließt es dann weiter bis z.B. in die DFL. Kein Verein kriegt mit ungeklärten Transferforderungen noch eine Lizenz für den weiteren Spielbetrieb.
„Wahrscheinlich ist unser Metier, der Handel mit Forderungen im Fußballgeschäft, die einzige Branche weltweit, in der Deutschland führend ist…“
BondGuide: Mit wem stehen Sie da national wie international in Konkurrenz?
Schnippe: Die Struktur ist oligopolistisch: Es gibt nur vier Adressen, die dieses Geschäft betreiben. Das sind konkret Macquarie in England, die Oldenburger Landesbank und mein früherer Arbeitgeber IBB neben uns eben. Wahrscheinlich ist es die einzige Branche weltweit, in der Deutschland führend ist… Diese Art von Forfaitierung ist jährlich rund 15 Mrd. EUR schwer, inklusive TV-Geldern.
BondGuide: Klingt alles sehr geschäftlich. Ist die Fußball-Romantik mit der Kommerzialisierung in den vergangenen Jahren irgendwie abhandengekommen?
Schnippe: In der Tat können Sie das heutige Fußball-Geschäft nicht einmal mehr mit dem von vor zwei Jahrzehnten vergleichen. Vereine wie Real Madrid machen 1 Mrd. EUR Umsatz im Jahr. Fußball ist die dominante Sportart in Europa. Die Romantik darf man sich gerne beibehalten, aber Clubs, die mehrere Hundert Millionen Euro Umsatz pro Jahr machen, müssen auch wie Unternehmen mit diesen Zahlen geführt, finanziert und gesteuert werden.
„Jeder Verein, der sogar nur potentiell international spielt, muss dreimal im Jahr nachweisen, seinen Transferverpflichtungen nachzukommen.“
BondGuide: Wem gehört die Score Capital AG?
Schnippe: Die Score Capital gehört zu rund 75% meinem Kollegen und mir. Dazu noch drei, vier private Investoren, die den Rest ausmachen.
BondGuide: Ich habe mal gelernt, Geschäft wie Ihres sei Peoples‘ Business. Geht das denn ohne Herumreisen von Deutschland aus?
Schnippe: In der Tat, dafür muss man Leute vor Ort haben. In Südamerika kann man ohne einen Einheimischen wohl kein Geschäft machen. Dazu kommen die kulturellen Unterschiede, die mindestens auf jedem Kontinent, wenn nicht sogar in vielen Ländern so unterschiedlich sind, dass man einen Vertrauten vor Ort haben muss: die sogenannten Brückenbauer. Ein Argentinier kann dir dein Gespräch um die Ohren hauen und morgen tut er so, als sei nie etwas gewesen. Wir sind nicht so vermessen zu denken, dass wir alles aus München heraus arrangieren können. Wir haben in allen wichtigen Fußballländern unsere Repräsentanten.
BondGuide: Was kann die Score Capital mit den avisierten Anleihegeldern stemmen?
Schnippe: Damit wir uns darüber klar sind: Wir versuchen nicht, ein großes Buch im Eigenbestand aufzubauen – wir sind Händler von Forderungen. Je öfter wir einen Betrag drehen, desto größer absolut unser Ertrag unter dem Strich. Also hilft jeder zusätzliche Euro, den wir in unserer Forfaitierung zum Einsatz bringen können. Ein Euro kann durchaus drei- bis viermal im Jahr gedreht werden mit Marge für uns. 20 Mio. EUR Anleihemittel bedeuten an die 80 Mio. EUR Neugeschäft für die Score Capital.
„20 Mio. EUR Anleihemittel bedeuten an die 80 Mio. EUR Neugeschäft für die Score Capital.“
BondGuide: Nun hat die Score Capital ja schon seit 2020 eine Anleihe ausstehend, die bis März 2025 läuft. Die steht aber bei 95% unter pari. Stört das das aktuelle Emissionsvorhaben? – bei pari wäre sicherlich besser.
Schnippe: Die Anleihe wurde nur an institutionelle Investoren platziert. Insofern gibt es in der Anleihe praktisch keinen täglichen Börsenhandel. Das waren alles Käufer mit ‚Call to Maturity‘, also Buy & Hold. Der Kurs von 95% ist ein Geldkurs, zu dem ein Investor kaufen möchte, aber es gibt keine Abgeber.
BondGuide: Warum jedoch nur drei Jahre Laufzeit?
Schnippe: Unser Forderungshandel passt eigentlich mehr zu einer kürzeren Laufzeit. Viele Investoren haben die gewohnten fünf Jahre an Laufzeiten in ihren Depots. Da ist eine deutlich davon abweichende Laufzeit eine willkommene Diversifizierung.
BondGuide: Die Folgeanleihe wird teurer. Wie kommt der Finanzvorstand mit der höheren Zinsbelastung zurecht?
Schnippe: Wenn ich unsere bisherigen Zahlen zugrunde lege, bedeuten 20 Mio. EUR mehr Kapital bis zu 2,5 Mio. EUR mehr Rohertrag pro Jahr. Wenn wir die 1,6 Mio. EUR Zinsen abziehen, bleibt also ein großer Puffer. Und das geht ohne weitere Mitarbeiter bzw. ohne große Kostensteigerungen im operativen Bereich.
BondGuide: Herr Schnippe, ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit und interessanten Einblicke!
Interview: Falko Bozicevic
Fotos: @Score Capital bis auf Mitte rechts St. Pauli – FC Mainz
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