„Es ist ein verbreitetes Missverständnis, dass ein Green Bond mit einer Second Party Opinion automatisch ,gut‘ sei“

Foto: © imug Institut für Markt-Umwelt-Gesellschaft e.V.

BondGuide: …also dienen SPOs nachhaltigkeitsorientierten Investoren überwiegend als spezifische Informations- bzw. mitunter sogar als Differenzierungsquelle?
Wilhelm: Nun ja, eine SPO kann als zentrale Entscheidungshilfe für Investoren dienen, denn strukturierter und kompakter wird er diese spezifischen Informationen nirgendwo finden. Jeder Investor muss sich aber die Mühe machen, eine Second Party Opinion auch tatsächlich zu lesen. Die Entscheidung, ob ein bestimmter Green Bond zur eigenen nachhaltigen Anlagestrategie passt, kann indes sowieso nur beim Investor selbst stattfinden.

BondGuide: Wie oder wohin geht der Trend: Werden heute mehr SPOs beauftragt als noch vor zwei Jahren?
Wilhelm:
Der Markt für Green, Social und Sustainability Bonds wächst, und entsprechend wächst der Bedarf an qualifizierten Zweitmeinungen. Das Volumen der emittierten Green Bonds belief sich laut der Climate Bonds Initiative im Jahr 2013 auf etwa 10 Mrd. USD, 2018 stieg das Volumen auf etwa 167 Mrd. USD an. Im ersten Halbjahr 2019 sind wir bereits bei über 100 Mrd. USD angekommen. Das unterstreicht das rasante Wachstum dieses Nischenmarktes. Insofern profitieren auch SPO Provider von einer stetig wachsenden Nachfrage nach unabhängigen und branchenspezifischen Expertenmeinungen zu nachhaltigen Emissionsprojekten.

BondGuide: Apropos, die Emittenten beauftragen eigenständig eine SPO. Wie können sich Investoren sicher sein, dass die Zertifizierung nicht durch den Emittenten beeinflusst wird?
Wilhelm:
Investoren sollten sich einer Sache nie allzu sicher sein. Das ließ sich ja auch bereits sehr schön am Beispiel von Kreditratings studieren. Aber konkret zur Frage: Ein guter Provider hat einen strukturierten Prozess und bildet sich sein Urteil auf Basis der vorliegenden Informationen. In einer guten SPO sind Verfahren und Prozess auch transparent dargestellt. Eine gewisse Zusammenarbeit mit dem Unternehmen ist im Übrigen immer notwendig – egal, wer die SPO beauftragt hat. Auch wird es immer mal inhaltliche Spielräume geben, daher sprechen wir hier ja derzeit auch von einer Second Party Opinion und eben nicht von einer Zertifizierung oder einem Green Bond Rating. Nichtsdestotrotz wird kein langfristig orientierter SPO Provider seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen und einzelne Green Bond-Emittenten oder Projekte besser darstellen, als sie es tatsächlich sind. Ein letzter Hinweis: Viele Green Bonds sammeln Mittel für zukünftige Projekte ein – eine SPO kann vor einer Emission daher zwangsläufig nur die Qualität des Rahmenwerks und der Zielsetzungen bewerten. Es ist es daher sicherlich auch ratsam, dass sich Investoren mit den regelmäßigen Berichten zur tatsächlichen Mittelverwendung eines Green Bonds beschäftigen.

Axel Wilhelm, imug | rating

BondGuide: Herr Wilhelm, besten Dank für Ihre Zeit und die interessanten Einblicke.

Das Interview führte Michael Fuchs.

*) Axel Wilhelm leitet seit Juli 2016 den Arbeitsbereich imug | rating und ist Vorstandsmitglied im Forum Nachhaltige Geldanlagen. Zuvor war Wilhelm Gründer und langjähriger Geschäftsführer der Ratingagentur scoris, der heutigen Sustainalytics GmbH in Frankfurt. Zuletzt arbeitete er im Portfoliomanagement der Concordia Versicherungen Hannover.