Corona-Krise wird das Wirtschaften nachhaltig verändern

Covid-19 hat eine Pandemie ausgelöst. Die Zahl der Erkrankten steigt, Menschen sterben. In vielen Teilen der Welt und auch in Deutschland ist die Wirtschaft zum Beinahe-Stillstand gezwungen. Nationale Politik und etliche Notenbanken versprechen Wirtschaft und Währung zu unterstützen. Die Investment Professionals des DVFA haben ihre eigene Meinung zu den Maßnahmen, so etwa zu den Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB), sogenannten Corona-Bonds und wie sich die Corona-Krise auf das Wirtschaften auswirken könnte.

Weitgehend einig sind sich die Befragten in der Frage, was sie grundsätzlich vom geplanten 750 Mrd. EUR schweren Anleihekaufprogramm der EZB halten. 49% halten das Programm für richtig, weitere 29% für eher richtig. Lediglich 5% und 8% halten es für falsch bzw. eher falsch. Bemerkenswert sind die zahlreichen Kommentare der Investment Professionals. Die Befürworter halten den Anleihekauf für eine wichtige Maßnahme, um Ruhe und Vertrauen zurück in die Kapitalmärkte zu bringen. Andere halten zwar den Umgang mit der Pandemie grundsätzlich für falsch, im Rahmen der durchgeführten Pandemiepolitik aber halten sie den Anleihekauf für richtig. Wortreicher noch als die Befürworter haben diejenigen sich geäußert, die das Programm ablehnen. Es sei nicht Aufgabe der EZB ständig als Feuerwehr einzuspringen und sämtliche Schulden auf ihre Bücher zu nehmen, die Wirkung sei zu indirekt, statt erneut den Anleihenmarkt zu wählen, sei ein Investment in börsennotierte Aktien zielführend, heißt es in den Kommentaren.

Eingriff in den Aktienmarkt eher nicht – ESM statt Corona-Bonds
Weniger eindeutig ist das Meinungsbild unter den Investment Professionals hinsichtlich der Frage, ob die EZB, angesichts verstärkter Aktivitäten von Shortsellern während der Corona-Krise, auch am Aktienmarkt tätig werden solle. Die größte Gruppe hält dies für falsch (26%) und weitere 23% halten dies für eher falsch. Immerhin 19% sind der Ansicht, Aktivitäten der EZB am Aktienmarkt seien richtig, 17% für eher richtig. In den Kommentaren sprechen sich die Befragten für freie Preisbildung aus, die sie durch einen Eingriff der Notenbank gefährdet sehen. Short- wie Longseller gehörten eben zum Markt, allerdings gehöre Marktmanipulation verboten, Shortselling gehöre in Extremphasen verboten, sei aber Sache der Finanzaufsicht, nicht der EZB.

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Befragt, was sie davon halten, sogenannte Corona-Bonds, also gemeinsame Anleihen der Euro-Länder, zu begeben, äußerten sich die meisten ablehnend und hielten es für falsch oder eher falsch (30 bzw. 23%). Immerhin 15% befürworten Corona-Bonds als richtig, weitere 21% als eher richtig. Die Frage wird auch in den Kommentaren kontrovers behandelt. Häufig wird auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) verwiesen, der die Funktion von Corona-Bonds übernehmen könne und für Situationen, wie wir sie aktuell erleben, entwickelt worden sei. Abgelehnt wird auch unter Verweis auf die ungelösten Haftungsfragen für diese Anleihen. Befürworter halten die Corona-Bonds als Einmalmaßnahme für vertretbar, andere sehen in der Haftungsunion die konsequente Weiterentwicklung der Währungsunion und argumentieren, dass unser Wohlstand zum Teil auch auf dem Wohlstand anderer Nationen beruhe.

Europa braucht kein Helikoptergeld
Die Frage, wie Sie die Idee einschätzen, sogenanntes Helikoptergeld einheitlich im Euro-Raum direkt an Staaten oder Bürger auszuzahlen, um einen Corona-Crash von Handel und Industrie zu vermeiden, erregt die Gemüter der Investment Professionals der DVFA. 33% der Befragten halten es für falsch, 17% für eher falsch. Dagegen sind 15% der Meinung, die Geldverteilung sei richtig, 19% votieren für eher richtig. 16% stehen dem neutral gegenüber.

Auch in dieser Frage wurde die Kommentarfunktion eifrig genutzt, ganz überwiegend aber von jenen, die die Geldverteilung ablehnen. Mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass in Deutschland und auch in Europa, anders als in den USA, wo dieser Begriff erfunden wurde, soziale Sicherungssysteme die Folgen der Corona-Krise bereits abfedern. Insofern habe eine solche Maßnahme weniger Berechtigung. Ähnlich argumentieren Befragte, wenn sie kommentieren, es läge im aktuellen Fall eine Angebotskrise vor und keine Nachfragekrise, das Problem sei keines mangelnder Liquidität.

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De-Globalisierung als Folge der Corona-Krise
Sehr klar ist das Meinungsbild hinsichtlich der These, dass die Corona-Pandemie das Wirtschaften zumindest in einigen wichtigen Bereichen nachhaltig verändern wird, dass beispielsweise lokale statt globale Lieferketten und Lagerhaltung statt möglichst reiner Just-in-Time-Produktion wieder an Bedeutung gewinnen. Mehr als Dreiviertel der Befragten sind entweder der Meinung diese These sei richtig (39%) oder eher richtig (45%). Für falsch halten sie 0,5%, für eher falsch 6,5%.

Digitalisierung und Infrastrukturausbau könnten Rückenwind bekommen, eine Phase der De-Globalisierung könne folgen, wird kommentiert. Andere erwarten, dass der Staat sich wieder stärker in die Wirtschaft einbringt. Auch die Befürchtung, mit der massiven Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte habe ein irreversibler Strukturbruch im System stattgefunden, wurde geäußert, und dass wieder mehr kritische Produktion (Medizin- und Netzwerktechnik, Arzneimittel, Rüstungsgüter) in Europa, möglichst auch in Deutschland gebraucht werde. Andere halten dagegen, dass früher oder später der Kostendruck wieder dazu führe, zum Wirtschaften wie vor der Krise zurückzukehren.

„Die Umfrage unter den Mitgliedern des DVFA zeigt einmal mehr: Grundlegende wirtschaftliche Fragen sind selten einfach und reizen dazu, argumentativ die Klingen zu kreuzen, was die erfreulich aktive Nutzung der Kommentarfunktion zeigt“, sagt Stefan Bielmeier, Vorstandsvorsitzender des DVFA. „Das Meinungsbild der Investment Professionals in Deutschland hat in Sachen Corona-Krise klare Tendenzen, ist aber nicht uniform. Weitgehende Einigkeit herrscht allerdings in dem Punkt, dass es nach der Krise nicht einfach weitergeht wie bisher. Die Pandemie stellt auch in der Finanzbranche infrage, was zuvor als selbstverständlich galt.“

Die DVFA Monatsfrage wendet sich an die 1.400 Mitglieder des Verbandes und widmet sich Themen, die in der Finanzbranche diskutiert werden. Die Ergebnisse der Umfrage werden regelmäßig an jedem 2. Dienstag im Monat veröffentlicht.

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