Blockchain und Überwindung der Corona-Krise: Wie passt das zusammen?

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Goldprodukte werden tokenisiert
Der Einsatz der Blockchain-Technologie könnte den Wettbewerb in diesem Bereich verstärken und somit Effizienzsteigerungen ermöglichen. Unter dem Oberbegriff der „Tokenisierung“ können physische Rohstoffe, Edelmetalle und andere Vermögenswerte auf die Blockchain gebracht und somit digitalisiert werden. Eine Blockchain ermöglicht es, einen Rechtsanspruch auf einen physischen Vermögenswert (z.B. Gold oder Silber) in einem digitalen Token abzubilden. Digitale Blockchain-basierte Token sind im Grunde „Träger“ eines physischen Goldbarrens; die Blockchain fungiert hierbei als Trägerplattform. Die Transaktionsgebühren für tokenisiertes Gold könnten im Vergleich zu traditionellen Goldprodukten erheblich gesenkt werden, da die Abwicklung des in Token verpackten Goldes sehr schnell und zu niedrigen Kosten erfolgt. Tokenisiertes Gold ist zudem 24/7 verfügbar, da Token jederzeit gehandelt werden können.

Außerdem verbessert die Nutzung der Blockchain-Technologie die Flexibilität von Gold-Produkten, da digitales Gold in kleinen (marginalen) Bruchteilen gehandelt werden kann. Während ein einziger Goldbarren zu teuer sein könnte und physisches Gold nicht in einer Vielzahl unterschiedlicher Größen erhältlich ist, kann tokenisiertes Gold in jeder erdenklichen Einheit gehandelt werden – und damit individuelle Bedürfnisse befriedigen. Hier zeigen sich die Vorteile von tokenisiertem Gold gegenüber Zertifikaten.

Bereits heute ist es möglich, tokenisiertes Gold zu kaufen. Unter den führenden Projekten ist PAX Gold ein Kryptowert, der mit einer Feinunze eines physischen Goldbarrens besichert ist. Der in diesem Kryptowert verpackte Rechtsanspruch wird auf die Blockchain „eingraviert“. Es gilt allerdings zu beachten, dass Emittenten von tokenisiertem Gold derzeit meist nicht reguliert sind. Somit existiert ein signifikantes Kontrahentenrisiko. Daher müssen die Anwender dem Emittenten vertrauen, dass der digitale Token tatsächlich durch physisches Gold besichert ist.

Innovative Verwaltung von Identitäten
Zudem gibt es zahlreiche andere vielversprechende Anwendungsfälle, die durch die Blockchain-Technologie vorangetrieben werden und in Zeiten der (Corona-)Krise dabei helfen können, diese zu überwinden. Hierzu zählen ein Blockchain-basiertes Identitätsmanagement, Immunitätsbescheinigungen und Gutscheine.

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Identitätsmanagement
Ein Identitätsmanagement auf der Grundlage der Blockchain-Technologie könnte dazu beitragen, die Corona-Krise zu entschärfen. Wenn über ein Blockchain-System digitale Identitäten von Personen abgebildet werden würden, wäre es nicht mehr notwendig, einen physischen Personalausweis oder eine Krankenversicherungskarte zu benutzten. Dadurch könnten Verträge mit einer digitalen Identität unterzeichnet werden und Betroffene müssten z.B. nicht mehr physisch zum Arzt gehen, nur um die eigene Krankenversicherungskarte abzugeben. Solche Ideen sind längst nicht mehr utopisch und treiben die Digitalisierung weiter voran.

Immunitätsbescheinigungen
Sobald die eingeführten Ausgangsbeschränkungen aufgehoben werden, wird es von entscheidender Bedeutung sein zu wissen, welche Menschen bereits infiziert waren und folglich immun sind. Immunität gegen das Coronavirus ist der Schlüssel. Es wäre daher vernünftig, Bescheinigungen für die Personen auszustellen, die immun sind. Diese Menschen könnten sich in unserer Gesellschaft ohne Gefahr für andere bewegen. Die Bescheinigungen müssten an die Identität der Menschen gebunden sein. Auch ältere Menschen könnten am öffentlichen Leben teilnehmen – aber nur, wenn sie mit ihrem Smartphone eine gültige Immunitätsbescheinigung nachweisen können.

Gutscheine
In nahezu allen Ländern ist als Folge von Corona die wirtschaftliche Entwicklung gefährdet. Dies hat in manchen Ländern sogar negative Auswirkungen auf die Versorgung mit Gütern, insbesondere auf die Versorgung mit lebensnotwendigen Nahrungsmitteln. Um eine gerechte Verteilung von potenziell knappen Gütern zu ermöglichen, könnte ein Blockchain-basiertes Gutscheinsystem eingeführt werden. Gutscheine würden an Personen ausgegeben, so dass sie Waren und Dienstleistungen bis zu einem vorher festgelegten Limit kaufen können. Wenn solche Gutscheine an die Identität der Menschen gebunden sind, könnte auch ein Weiterverkauf der Gutscheine verhindert werden. Weiterhin könnten Gutscheine dafür eingesetzt werden, um gezielt Konsum und dadurch die Wirtschaft anzukurbeln. Zuletzt hat sich gezeigt, dass Regierungen einer solchen Idee gegenüber nicht abgeneigt sind.

Fazit
Die gegenwärtige Krise ist eine Chance für Kryptowerte im Speziellen und die Blockchain-Technologie im Allgemeinen und wird einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des Blockchain-Ökosystems in den nächsten Jahren haben.

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Die Herausforderung besteht nun darin, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und Systeme und Anwendungen zu entwickeln, die basierend auf der Blockchain-Technologie einen echten Mehrwert liefern. Kryptowerte sind von Natur aus digital, haben also keine „physischen“ Einschränkungen. Sie benötigen auch keine Geldautomaten für Abhebungen oder physische Abrechnungen und Lagerung (wie z.B. Gold, Silber). Da die Blockchain-Technologie immer noch ein Nischendasein fristet, wird die Technologie und die damit verbundenen Versprechen (z.B. „stabiler Vermögenswert“) durch die Krise auf den Prüfstand gestellt und beleuchtet. Dies ist insgesamt positiv, da es das allgemeine Verständnis von Kryptowerten und der Blockchain-Technologie verbessert.

Darüber hinaus könnte die Blockchain-Technologie auch dazu genutzt werden, die Auswirkungen des Coronavirus zu mildern, indem man Gesundheitszertifikate und Gutscheine in Verbindung mit einer digitalen, Blockchain-basierten Identität zur Verfügung stellt.

Über die Autoren
Jonas Groß ist Project Manager und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Frankfurt School Blockchain Center (FSBC). Seine Interessengebiete sind vor allem Kryptowährungen. Außerdem analysiert er im Rahmen seiner Doktorarbeit die Auswirkungen der Blockchain-Technologie auf die Geldpolitik der weltweiten Zentralbanken. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit Innovationen wie Central Bank Digital Currencies (CBDC) und Central Bank Crypto Currencies (CBCC). Sie können ihn per E-Mail (jonas.gross@fs-blockchain.de), via LinkedIn und Xing kontaktieren.

Prof. Dr. Philipp Sandner ist Leiter des Frankfurt School Blockchain Center (FSBC) an der Frankfurt School of Finance & Management. 2018 wurde er von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) als einer der „Top 30“ Ökonomen ausgezeichnet. Darüber hinaus gehört er zu den „Top 40 unter 40“ – einem Ranking des deutschen Wirtschaftsmagazins Capital. Seine Expertise umfasst insbesondere Blockchain-Technologie, Krypto-Assets, Distributed Ledger-Technologie (DLT), Euro-on-Ledger, Initial Coin Offerings (ICOs), Security Token Offerings (STOs), Digital Transformation und Entrepreneurship. Sie können ihn per E-Mail (email@philipp-sandner.de), via LinkedIn oder auf Twitter kontaktieren.

Victor von Wachter ist Produktmanager und Blockchain-Architekt bei Smart Valor, einer in Deutschland und der Schweiz ansässigen Börse für digitale Assets. Seine Interessengebiete sind vor allem Blockchain-Protokolle, Staking, Security Token Offerings (STOs) und Dezentralisierte Finanzsysteme (DeFi) an der Schnittstelle zwischen Business, Technologie und Daten. Seine Forschung an der Technischen Universität München trug zur Entwicklung von Ethereum Token Standards (ERC1400 und ERC1410) bei. Sie können ihn per E-Mail (victor@vonwachter.de) oder über LinkedIn erreichen.