Abverkauf von Anleihen über die Börse?

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Law Corner von Dr. Thorsten Kuthe, Heuking Kühn Lüer Wojtek

In der Praxis trifft man immer wieder auf die Frage, ob ein Abverkauf von Anleihen über die Börse durch den Emittenten zulässig ist. Die Rechtslage ist hier unklar. Aufgrund der (auch strafrechtlichen) Risiken, sollte das aber gut durchdacht sein.

Anleihen als Wertpapiere sind dem Börsenhandel zugänglich und wo Handel ist, da gibt es bekanntlich Angebot und Nachfrage. Manchmal möchten Emittenten hier mitmischen. So kaufen Emittenten etwa Stücke zurück und möchten diese dann wieder später z.B. bei gestiegenen Kursen oder neuem Finanzierungsbedarf über die Börse veräußern.

Eine andere Konstellation ist es, wenn eine Emission nicht voll platziert wurde und die nicht platzierten Stücke über die Börse abverkauft werden sollen. Schließlich ist auch die Aufstockung einer Emission eine Konstellation, in der diese Frage aufgeworfen wird.

In juristischer Hinsicht stellen sich hier zwei Fragen. Zunächst bedarf die Begebung einer Anleihe eines sog. Begebungsvertrages. D.h. jemand schließt mit der Emittentin einen Vertrag über die Ausgabe neuer Stücke ab und verpflichtet sich, den Ausgabebetrag einzuzahlen. Bei einer Anleiheemission wird diese Aufgabe typischerweise von einer begleitenden Bank übernommen. Die Bank sammelt Orders aus den verschiedenen Quellen wie etwa institutionelle Investoren oder das Zeichnungstool einer Börse und schließt dann auf dieser Basis ihrerseits einen Begebungs- oder Zeichnungsvertrag mit der Emittentin ab.

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Jetzt stellt sich die Frage, wie sich dies verhält, wenn die Anleihe nicht voll platziert wurde oder aufgestockt werden soll im Wege des Verkaufs über die Börse. Technisch ist es in diesen Fällen möglich, dass die Stücke trotzdem einfach in das Depot der Emittentin eingebucht werden. Nur wer ist in diesem Fall die Gegenpartei, die den Begebungsvertrag abschließt und sich auch zur Einzahlung des vereinbarten Ausgabebetrags verpflichtet?

Eine Zahlstelle, die die Stücke der Emittentin frei von Zahlung einbucht, wird nicht den Willen haben, einen Begebungsvertrag mit künftiger Zahlung eines Ausgabebetrages abzuschließen. Derjenige, der Anleihestücke über die Börse kauft, hat den Willen, bestehende Stücke zu erwerben, einen Willen, neue Stücke zu schaffen, kann man ihm selbst nicht unterstellen.

Die Emittentin selbst kann als Gegenpartei nicht auftreten, sie kann nicht Verträge mit sich selbst abschließen. Man kann daher hier mit Fug und Recht daran zweifeln, dass die Stücke überhaupt wirksam entstehen. Wenn die Stücke verkauft sind und in Umlauf geraten, dann wirft diese Frage niemand auf. Sollte es aber einmal zu Streit kommen, besteht hier eine Unklarheit, die den Beteiligten auf die Füße fallen kann.

Eine andere Frage ist, ob ein Abverkauf über die Börse eine Form (prospektpflichtigen) öffentlichen Angebots darstellt. Auch dies ist nicht klar. Ein öffentliches Angebot setzt voraus, dass der Anbieter (die Emittentin) den potenziellen Anleger in öffentlicher Weise eine Kaufmöglichkeit offeriert. Wenn die Emittentin nicht kommuniziert hierzu, fehlt es erst mal am kommunikativen Charakter des Angebots.

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Verkauft die Emittentin bestehende Stücke, die sie ihrerseits eingekauft hat und besteht ein ausreichendes Handelsvolumen, so muss dies aber auch nicht notwendig sein. Zu beachten ist allerdings, dass die Emittentin sich schnell dem Verdacht des Insiderhandels und der Marktmanipulation (Kursstützung o.Ä.) aussetzen kann. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, die Vorschriften über die Veräußerung bzw. den Erwerb eigener Aktien über die Börse gemäß der einschlägigen EU-Verordnung entsprechend anzuwenden.

Dr Thorsten Kuthe, Heuking

Das bedeutet, dass die Maßnahme über eine Bank abgewickelt wird, die Bank wird dabei Begrenzungen in Handelsvolumen und Kurs berücksichtigen. Des Weiteren wäre bei entsprechender Anwendung dieser Vorschriften die Maßnahme öffentlich anzukündigen. Das Insiderhandelsverbot greift daneben. Damit wäre eine öffentliche Kommunikation gegeben, als werbend würde man diese aber nicht einordnen. Hat allerdings ein öffentliches Angebot gerade stattgefunden, etwa auf Basis eines Wertpapierprospekts, so könnte, diese Kommunikation in Zusammenhang mit den vorherigen typischen Werbemaßnahmen dazu führen, dass dies als unerlaubtes öffentliches Angebot eingestuft wird, wenn der Wertpapierprospekt diese Form des Angebots nicht abbildet. Hier gilt es vorsichtig zu sein.