Kai Jordan, mwb im Interview: „Wenn Wind aufkommt, darf es auch mal etwas wackeln – aber nicht kentern“

Die Nachrichtenfrequenz bei der mwb Wertpapierhandelsbank stieg zuletzt erkennbar an – ändert sich etwa die strategische Ausrichtung? Einschätzungen zum aktuellen Marktgeschehen bei KMU-Anleihen dürfen natürlich nicht fehlen, wenn man mit Vorstand Kai Jordan spricht.

BondGuide: Herr Jordan, bei unserem Roundtable im Herbst mit Dr. Thorsten Kuthe von Heuking und Hans-Jürgen Friedrich von der KFM Deutsche Mittelstand konstatierten Sie eingangs noch ‚der Markt [für KMU-Anleihen] ist erfreulicherweise erwachsen wie auch selektiver‘ geworden. Haben wir im Spätherbst/Winter dann mit Eyemaxx und v.a. Lichtmiete eine schlimme Remission, einen Rückfall in vergangen geglaubte Zeiten erlebt?
Jordan: Nein, nicht per se. Eyemaxx haben wir stets ein wenig sportlich unterwegs gesehen und das Unternehmen wurde letztlich ein Opfer der Corona-Auswirkungen. Es zeigt uns lediglich, dass bestimmte Kennzahlen nicht allzu dünn sein dürfen. Wenn Wind aufkommt, kann es auch mal etwas wackeln – aber nicht kentern. Das ist hier leider passiert ist, aber mit der Zeit um 2016 herum nicht zu vergleichen.

BondGuide: … aber?
Jordan: Ja – der Markt ist seit den Nachrichten von Eyemaxx und Lichtmiete ein Stück schwieriger geworden, keine Frage. Das tut jetzt zugleich anderen Emittenten wie auch natürlich Investoren weh. Dies sehe ich aber nicht notwendigerweise als dauerhaft an. Der Markt hat überwiegend gute Emittenten. Wir dürfen aber nie verdrängen, dass es sich um einen Hochzinsmarkt handelt, speziell wenn Bundesanleihen bei Null stehen – KMU-Anleihen sind weder Pfandbrief noch Staatsanleihe. Es gibt Risiken wie immer bei wirtschaftlichem Handeln. Aber die Plausibilitäten müssen gegeben sein.

BondGuide: War unser berühmter ‚CFO-Indikator‘ einmal mehr ein Wink mit dem Zaunpfahl?
Jordan: Es ist zumindest nicht zu leugnen: Das war zumindest bei Eyemaxx ebenfalls so, als zwei leitende Mitarbeiter, darunter der Finanzvorstand von heute auf morgen Ende 2020 ausgeschieden sind. Ich meine, Warnzeichen waren rechtzeitig zu sehen, auch wenn diese natürlich nicht eindeutig waren. Im Nachhinein bestätigt sich der Indikator aber wieder.

BondGuide: Mein Argument zum Jahresrückblick kürzlich war ja, dass die jüngsten Havarien – mein Sammelbegriff, um niemandem eine Insolvenzantragspflicht zu unterstellen – unternehmensspezifisch erklärt werden können und sollten und nicht dem KMU-Anleihemarkt pauschal angelastet werden dürfen. Gehen Sie da mit oder biegen Sie argumentativ ab?
Jordan
: Nein, da gehe ich absolut mit. Das sehe ich genauso.

BondGuide: Eyemaxx insolvent, Adler Real Estate in den Schlagzeilen – Status ungeklärt. Ist damit das Emissionsfenster für Real-Estate-Emissionen geschlossen einstweilen?
Jordan: Nicht dauerhaft geschlossen, nein. Wir haben nun erstmal jedoch ein eindeutig zäheres Marktumfeld für Immobilienthemen, die auch durch die jüngste Nachrichtenlage insgesamt begleitet wird. Ich denke aber, Transparenz ist das Schlagwort. Wenn Sie sagen, dass Sie bei der Adler Group nicht mehr durchblicken: Ich tue mich da auch schwer. Und intransparente Emittenten werden entsprechend abgestraft. Bei einem Emittenten wie der Euroboden, bei der wir als mwb ja bereits mehrere Platzierungen begleitet haben, haben wir diese Probleme nicht. Das bessere ist auch in den schwierigen Zeiten der Feind des Guten. Aber völlig richtig: Ich glaube auch nicht, dass das aktuelle Jahr als ein weiteres mit Schwerpunkt Emissionen aus dem Bereich Real Estate in die Statistiken einziehen wird. Zumindest für neue, unbekannte Emissionsaspiranten.

BondGuide: … und stattdessen?
Jordan: Nachhaltigkeit, ESG und Impact Investing werden die Themen zumindest dieses Jahres sein. Der Umbau der Wirtschaft in diese Richtung erfordert Investitionen, die auch über den Kapitalmarkt finanziert werden dürften.

BondGuide: Nochmal zur erwähnten Transparenz: Meines Wissens war die mwb die erste Adresse, die ihren betreuten Emittenten freiwillige Transparenzrichtlinien auferlegte. Dies wurde jüngst kopiert, die Beispiele häufig sich. Sind Sie ein wenig stolz?
Jordan: Dies war ja eine Idee aus dem Jahr 2017, als wir seinerzeit das Mandat für Euroboden übernahmen. So war es einfach eine folgerichtige Konsequenz aus unseren Gesprächen mit Investoren, als wir diese fragten: Was ist für euch das wichtigste Thema bei den seinerzeitigen Problemen im Markt, woran hapert es im Markt? Und die Antwort war: Transparenz. Stolz nein, aber wir freuen uns darüber. Denn entsprechende Verpflichtungen tun dem gesamten KMU-Anleihemarkt gut.

BondGuide: Nun entging mir keineswegs, dass die mwb personell aufgestockt sowie größere Büros in Frankfurt bezogen hat, die ich ja bereits besuchen durfte. In der Regel hat man viel vor, wenn man dergestalt aufrüstet.
Jordan: Nun ja, wir haben das Geschäftsfeld Corporates & Markets im Jahre 2017 begonnen und da fängt man erstmal umsichtig an. Das Ihnen bisher bekannte Büro für den Bereich ist aufgrund der erfreulichen Entwicklung dann aber

! Bitte anklicken zum Vergrößern ! – Euroboden 2019/24

spätestens 2020 zu klein geworden und wir haben uns auf die Suche gemacht. Aufrüstung würde ich das nicht nennen, aber das personelle Wachstum und das zunehmende Geschäft hängen integral zusammen und das muss man als Unternehmen natürlich abbilden. Und wir legen hohes Augenmerk auf attraktive Arbeitsbedingungen und dazu gehört neben unserem kooperativen Führungsstil eben auch ein attraktiver Arbeitsplatz. Insofern haben wir an der Stelle auch ein wenig vorgebaut, denn mit der Entwicklung weiterer Dienstleistungen z.B. für Orderflowprovider wächst auch das Team weiter. Hierfür haben wir auch nennenswert in modernste Software investiert.

BondGuide: …und auch das Netzwerk erweitert, die Kooperationen?
Jordan: Wir arbeiten in der Tat sehr stark in Netzwerken und haben in 2021 gemeinsam mit unserem Partner wie beispielsweise First Berlin oder SRH Alsterresearch mehr als 200 Mio. EUR für KMU-Unternehmen am Markt eigesammelt. Durch das Netzwerk leistungsstarker und zuverlässiger Partner können wir für jede Anforderung die richtige Struktur anbieten.

BondGuide: Apropos Partnerschaften: Vor kurzem gab es eine Meldung, dass die mwb und die Hamburger neoFIN bei tokenbasierten Kapitalmarktemissionen zusammenarbeiten. Können Sie uns den Hintergrund und Pläne etwas näherbringen?
Jordan: Wir sehen dieses Thema perspektivisch auf uns zukommen. Beim gegenseitigen Kennenlernen hatten wir eine gute Chemie. Wir reden aber nicht über den Handel in Kryptowährungen wie Bitcoin. Wir sind keine Devisenhändler. Aber das Geschäft mit Wertpapieren von KMUs ist neben dem Bereich Skontroführung/Market Making ein Kerngeschäft der mwb. Und da ist die Tokenisierung solcher Papiere natürlich ein Thema für uns. Der Markt steckt immer noch in den Anfängen, aber er wächst stark. Man rechnet mit einem jährlichen Wachstum von rund 80% bis 2026. Und in einer guten Partnerschaft können wir schlicht unser Angebot gemeinsam besser erweitern als allein.

BondGuide: Wir schreiben aktuell das Jahr 2022. Bislang war in Deutschland noch nicht sonderlich viel bis gar nichts tokenbasiert unterwegs. Was benötigt dabei eigentlich Jahre – denn so betagt ist das Thema bereits –, um in die Gänge zu kommen?
Jordan: Vergessen Sie nicht: Es ist noch ein langer Weg, bis man zu diesem Thema auch traditionelle institutionelle Investoren an den Tisch bekommt. Aber es hat bereits begonnen. Durch die Regulierung verstärkt sich dieser Trend langfristig. Die mag zunächst anspruchsvoll sein, schafft aber unter dem Strich klare Regeln und besagte Transparenz. Dieses Thema wird sich entwickeln und langfristig unsere Finanzwelt verändern.

BondGuide: Ändert sich damit auch die strategische Ausrichtung der mwb?
Jordan: Nein, das würde ich so nicht sagen. Unsere bisherige Aufstellung war doch auch erfolgreich. Aber durch neue Möglichkeiten und neue Regulierungen gibt es stets neue oder zusätzliche Wege. Wer stehen bleibt, bewegt sich rückwärts. Ich würde einfach mal sagen, wir sind und bleiben auf Ballhöhe bei jeder Art von Transaktionen.

BondGuide: … und dann wäre da noch das Buzzword ESG.
Jordan: … um das man nicht herumkommt. Wir sind ebenfalls dabei, unsere Nachhaltigkeitsstrategie konkret auszuformulieren und haben schon Einiges umgesetzt. Und wissen Sie was: Das ist heute zwingend erforderlich. Ich kann einen Emittenten nicht bezüglich ESG-Verpflichtungen und beraten, aber wenn er dann fragt: ‚Was macht Ihr denn in dieser Beziehung?‘, dann stehen wir blank da. Zumal zwischenzeitlich zahlreiche institutionelle Investoren hier auch Antworten von den Emittenten erwarten oder ansonsten von einem Investment absehen. Auch wenn vieles derzeit noch herausfordernd erscheint: ESG ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Dieser muss begonnen werden und wird dauerhaft hohen Stellenwert behalten. Nicht nur aufgrund regulatorischer Vorgaben.

Kai Jordan, mwb

Kai Jordan, mwb

BondGuide: Dann hatten wir neulich noch einen sehr schönen meinungsstarken Kommentar zu Basel III und seinen Vorboten für die Kreditvergabe. Tenor: Nichtbanken werden für Banken einspringen müssen, wie u.a. in den USA längst geschehen.
Jordan: Das ist in unserer Branche seit Jahren absehbar: Für tradierte Geschäftsbanken wird es Jahr für Jahr schwieriger, aufgrund zunehmender Regulierung oder FinTech-Konkurrenz alle Wettbewerbsanforderungen abzudecken, um weiter im Markt zu bestehen. Darin liegen große Herausforderungen wie auch Chancen.

BondGuide
: Herr Jordan, ganz herzlichen Dank für die sowohl aktuellen als auch im obigen Sinne transparenten Insights!

Interview: Falko Bozicevic