Krypto-Wertpapiere sind die Zukunft – entscheidend für den Durchbruch ist eine durchlässige Marktinfrastruktur

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Seit Juni ist in Deutschland das Gesetz über elektronische Wertpapiere in Kraft. Dieses schafft für herkömmliche Wertpapiere die Pflicht für papierhafte Globalurkunden ab. Vor allem etabliert es aber einen Rechtsrahmen für die Emission von Krypto-Wertpapieren. Damit nimmt Deutschland weltweit eine Vorreiterrolle in der Nutzung der Blockchain-Technologie im Kapitalmarkt ein. Krypto-Wertpapiere sind rechtlich gleichgestellt zu klassischen Wertpapieren. Die Emission und der Handel erfolgt jedoch auf Blockchain-Registern und verspricht eine deutlich effizientere Abwicklung im Vergleich zu herkömmlichen Wertpapieren. Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen weisen Krypto-Wertpapiere den Weg in eine Token-Ökonomie und versprechen einen deutlich effizienteren Kapitalmarktzugang. Entscheidend für den Durchbruch ist die Etablierung einer durchlässigen und effizienten Marktinfrastruktur. Von Jens Siebert*, COO und Co-Founder, Invesdor (ehemals Kapilendo)

Quo vadis Krypto-Wertpapiere – wo steht der Markt?
Im Dezember wurden die ersten Krypto-Wertpapiere nach dem neuen Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) emittiert – u.a. eine Inhaberschuldverschreibung der DekaBank (ISIN: DE000 DK022Z 5). Käufer der Anleihe waren das Bankhaus Metzler und Hauck & Aufhäuser. Im Mittelpunkt dieser Platzierung stand die Erprobung und das Testen der neuen Möglichkeiten von Krypto-Wertpapieren. Das verwundert nicht. Der gesetzliche Rahmen für Krypto-Wertpapiere wurde erst im Juni dieses Jahres geschaffen. Für die Abwicklung solcher Emissionen ist ein sogenannter Krypto-Registerführer vorgesehen. Die Registerführung – also die Verwaltung des Wertpapiers auf der Blockchain – ist erlaubnispflichtig nach dem KWG. Verschiedene Anbieter – Banken und Fintechs – haben gegenüber der BaFin angezeigt, diese Tätigkeit zukünftig erbringen zu wollen.

Das ist ein positives Signal für Investoren und Emittenten, verdeutlicht es doch das generelle Marktinteresse. Zugleich wird deutlich, dass sich die notwendige technische und regulatorische Infrastruktur zur Begebung und Administration von Krypto-Wertpapieren erst etablieren muss. Das braucht Zeit. Kurzfristig liegen die Vorteile von Krypto-Wertpapieren insbesondere in der effizienten Abwicklung. Mittel- und langfristig bieten Krypto-Wertpapiere vollkommen neue Strukturierungsmöglichkeiten. So sind beispielsweise ESG-linked Bonds vorstellbar, deren Zinszahlungen durch sogenannte Smart Contracts an die Erreichung bestimmter Nachhaltigkeits-Kennzahlen der Emittentin geknüpft sind. Das ist jedoch noch Zukunftsmusik. Notwendig hierfür ist eine vollkommen neue Marktinfrastruktur, die sich erst noch ausbilden muss.

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Durchlässige Marktinfrastruktur ist entscheidend
Der Wertpapiermarkt für traditionelle urkundliche Wertpapiere wird regelmäßig als ineffizient beschrieben. Eine Vielzahl von Parteien, angefangenen beim Zentralverwahrer über Wertpapierhandels- und Depotbanken, ist in die Zeichnung oder den Verkauf eines Wertpapiers involviert. Komplexe Prozesse und zahlreiche involvierte IT-Systeme sind kostenintensiv und fehleranfällig. Krypto-Wertpapiere ermöglichen durch die transparente Dokumentation sämtlicher Transaktionen auf einem gemeinsamen Register eine deutlich effizientere Abwicklung. Entscheidend hierfür ist jedoch eine durchlässige Marktinfrastruktur auf der Grundlage gemeinsamer Standards.

Diese Infrastruktur ist die Voraussetzung für die Etablierung eines gemeinsamen Marktes aus Verwahrstellen, Handelsplätzen, Börsen und Brokern. Hierfür ist die Koordination und der Dialog zwischen etablierten und neuen Marktteilnehmern entscheidend. Gefragt sind dabei insbesondere die Depotbanken und Registerführer. Sie sind es, die bei der Transaktion von Krypto-Wertpapieren zentrale Aufgaben in der technischen Abwicklung übernehmen. Insbesondere diese Marktteilnehmer müssen zeitnah in einen geordneten Dialog treten, um gemeinsame technische und prozessuale Standards für Krypto-Wertpapiere zu definieren. Der Gesetzgeber hat die notwendigen gesetzlichen Grundlagen geschaffen und den Finanzstandort Deutschland im europäischen und internationalen Vergleich in eine hervorragende Ausgansposition gebracht. Gefragt sind jetzt Banken und Fintechs gleichermaßen, diese Chance zu nutzen.

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Potenziale nicht voll ausgeschöpft – digitale Aktie ist notwendig
Für den Kapitalmarkt wird die Blockchain zur Schlüsseltechnologie. Insbesondere im Wertpapiermarkt können zentralisierte und fragmentierte IT-Strukturen mithilfe der Blockchain in eine transparente, dezentrale Abwicklungsinfrastruktur überführt werden. Diese neuen Potenziale werden aber noch nicht voll ausgeschöpft. Das Gesetz über elektronische Wertpapiere ermöglicht bisher nur die Begebung von Inhaberschuldverschreibungen. Umso wichtiger ist es, dass Aktienemissionen auf der Blockchain als klares Ziel im Koalitionsvertrag der kürzlich gestarteten Ampelkoalition genannt wurden. Der konkrete Wortlaut im Koalitionsvertrag („Die Möglichkeit zur Emission elektronischer Wertpapiere auch auf Aktien ausweiten …“) birgt jedoch Risiken, denn die gewählte Formulierung bietet Interpretationsspielraum. Elektronische Wertpapiere können nämlich nicht nur auf einer Blockchain – das wäre die Zukunft – begeben werden, sondern auch zentral durch die Clearstream – das wiederum würde für Vergangenheit stehen. Umso wichtiger ist es, dass Fintechs, innovative Banken und Verbände jetzt aktiv darauf hinwirken, dass die Blockchain im gesamten Kapitalmarkt Einzug hält. Nicht als Anlageklasse, sondern als Technologie im Maschinenraum des Finanzmarktes.

Krypto-Wertpapiere – Türöffner für Token-Ökonomie
Innovative Unternehmen wie Beets & Roots nutzen die Potenziale von Krypto-Wertpapieren bereits. Die schnell wachsende Gastronomiekette emittierte kürzlich über die Plattform Invesdor Partizipationsrechte auf der Blockchain (ISIN DE000 A3CZJS 8). Die Partizipationsrechte stellen die Investoren wirtschaftlich mit echten Gesellschaftern gleich. Damit erhalten Wachstumsunternehmen erstmals ein geeignetes Kapitalmarktinstrument im Vorfeld eines Börsengangs oder Unternehmensverkaufs an die Hand.

Jens Siebert, Invesdor

Auf der Grundlage von Token und Smart Contracts sind aber noch deutlich weiterreichende Finanzierungsformen möglich. Unter dem Schlagwort einer Token-Ökonomie können Unternehmen entlang ihrer Wertschöpfungsketten vollkommen neue Finanzierungsformen gemeinsam mit Kunden, Lieferanten und Investoren etablieren. Die hierfür notwendige Transparenz und technische Infrastruktur bietet die Blockchain-Technologie. Jetzt kommt es auf die Marktteilnehmer an, diese Möglichkeiten innerhalb des geschaffenen regulatorischen Rahmens zu nutzen. Gelingt das, kann Deutschland eine Vorreiterrolle im weltweiten Wettbewerb der Kapitalmärkte einnehmen.

*) Jens Siebert ist COO und Co-Founder der Invesdor. Die Invesdor ist eine europaweit führende Finanzierungsplattform für KMUs und Wachstumsunternehmen. Als Experte für Blockchain-Technologie und Kapitalmarktregulierung ist Siebert regelmäßig beratend für Politik und Aufsichtsbehörden tätig. Als Sachverständiger im Finanzausschuss hat er die Gesetzgebung zu elektronischen Wertpapieren aktiv mit begleitet. Zugleich treibt er als Vorstand im Verband deutscher Kreditplattformen die Entwicklung von einheitlichen Branchenstandards und Rahmenbedingungen im Markt für die direkte Kreditvergabe voran.