Gedanken zur Professionalisierung von ESG-Anleihen

Dr. Thorsten Kuthe, Heuking

Law Corner von Dr. Thorsten Kuthe, Rechtsanwalt und Partner, Heuking Kühn Lüer Wojtek

ESG-Anleihen sind auch im Mittelstand ein wichtiges Thema, das aktuell rasant an Bedeutung gewinnt. Hierbei sieht man Anleihen für einzelne Projekte, die etwa dem Klimaschutz dienen, Unternehmensanleihen von Emittenten, die in spezifischen Bereichen wie z.B. Wasserversorgung tätig sind oder aber auch die Herausarbeitung der „ESG-Fähigkeit“ vorhandener eher klassischer Geschäftsmodelle.

Solche Markttrends sind gut und wichtig für den Kapitalmarkt. Gleichzeitig besteht aber immer die Gefahr von Fehlentwicklungen, man schaut in der „Euphorie“ nicht so genau hin und später kann die ein oder andere Entscheidung bereut werden oder Überraschungen auftreten. Hier werden einige Gedanken skizziert, wie mit wenig Aufwand der rechtliche Rahmen verbessert werden kann.

Voraussetzungen für eine ESG-Anleihe
Eine ESG-Anleihe bekommt diesen Status in der Regel durch ein ESG-Rating, das sich wiederum an einem der auf den Markt befindlichen Standards orientiert. Meistens wird hier ein Standard von ICMA genommen, etwa der ICMA Green Bond Standard oder ICMA Social Bond Standard. Als Basis für das Rating wird von Emittenten ein Framework (Rahmenwerk) aufgestellt, in dem sich Informationen dazu befinden, welche förderungsfähigen Projekte der Emittent verfolgt, die dem jeweiligen Standard genügen, wie die passende Mittelverwendung sichergestellt wird und wie eine Information der Investoren hierzu erfolgen soll (Reporting).

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Konsequenzen bei Fehlentwicklungen?
Was passiert aber, wenn das Unternehmen dieses Framework nicht ordnungsgemäß umsetzt? Wenn der Emittent keine aktuellen Informationen mehr nach außen gibt und kein Rating mehr erstellen lässt? Die Erfahrung aus der Vergangenheit zeigt (leider), dass man auch an solche Entwicklungen denken muss. Dann wird die Anleihe in einem Update des ESG-Ratings ihren entsprechenden Status verlieren oder jedenfalls schlechter eingestuft werden. Bis es so weit ist, vergeht aber oft (zu viel) Zeit und die Anleiheinvestoren warten in Ungewissheit.

Nach den Anleihebedingungen hat all das aber nach derzeitiger Praxis keine geregelten Konsequenzen. Hier kann man ansetzen.

Vorschläge
Als Erstes wäre eine Verpflichtung in den Anleihebedingungen sinnvoll, das ESG-Rating aufrechtzuerhalten und jährlich zu aktualisieren. Nicht ohne Grund hat eine entsprechende Pflicht bezogen auf das Credit-Rating in den Emissionsbedingungen verschiedener Segmente Einzug gefunden und ist in Anleihebedingungen bei gerateten Unternehmensanleihen (sofern ein Rating eine Rolle spielt) oft verankert. Denn wenn der Emittent das Rating nicht mehr aktualisieren lässt, dann wird der Investor nicht informiert und dies sollte auch aus Sicht eines seriösen Emittenten kein Risiko sein, das der Markt auf sich nimmt.

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Das Thema Transparenz ist das nächste Stichwort: Ein Emittent der deutlich machen will, dass es ihm Ernst ist mit ESG, kann in den Anleihebedingungen eine Verpflichtung vorsehen, das Reporting, das er nach dem Framework ankündigt, auch seinen Investoren vorzulegen. So ähnlich wie eine Pflicht zur Vorlage von Jahres- und Halbjahresabschlüssen zum Standard gehört, wäre auch dies ein Qualitätsmerkmal.

Diese relativ kurzen Ergänzungen in den Anleihebedingungen würden schon ein deutlich erhöhtes Maß an Qualität gewährleisten, ohne eine wirkliche Einschränkung für den Emittenten zu sein.

Jedenfalls bei Projektanleihen kann man darüber nachdenken, die Mittelverwendung – mit der notwendigen Flexibilisierung – ebenfalls in den Anleihebedingungen zu verankern. Bei einer Projektanleihe hat man in der Regel aus Sicht des Investors einen ganz klaren Fokus auf ein bestimmtes Projekt mit bestimmten Kriterien, zu denen die entsprechenden ESG-Anforderungen zählen. Sind diese nicht mehr gegeben, wird der Anleihe quasi der Boden entzogen. Bei allgemeinen Unternehmensanleihen scheint dies hingegen zu weitgehend.

Fazit
Wie man sehen kann, ließe sich mit einigen relativ einfachen Mechanismen eine Verbesserung der rechtlichen Einbindung der Qualifizierung als ESG-Bond in das Gesamtpaket erreichen. Im Sinne einer Professionalisierung des Marktes und um etwaige künftige Fehlentwicklungen oder auch nur den Verdacht darauf schon von Anfang an zu ersticken, sollte eine Diskussion hierzu in der Praxis beginnen.

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