European Green Deal – Status quo der Umsetzung in Deutschland

Thoralf Herbold

Law Corner von Thoralf Herbold, Rechtsanwalt und Partner im Bereich Energiewirtschaftsrecht, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB*

Zu Beginn des Jahres 2021 steht die Bundesrepublik Deutschland unter den Auswirkungen der Coronapandemie mehr denn je vor der Herausforderung, die Energiewende strategisch klug, wirtschaftlich effizient und zugleich sozial ausgewogen voranzutreiben. Wegweisend hierfür wird der Ende 2019 vorgestellte European Green Deal sein, mit dem die Europäische Union unter der Federführung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Ziel verfolgt, die Nettoemissionen von Treibhausgasen in der Union bis 2050 schrittweise auf null zu reduzieren. Was der European Green Deal beinhaltet und welche Schritte zu dessen Umsetzung in Deutschland bereits ergriffen wurden, soll nachfolgend zusammengefasst werden.

Inhalt des European Green Deal
Das Ziel eines klimaneutralen Europas bis 2050 soll nach der Konzeption des European Green Deal durch die Wiederherstellung der Biodiversität, die Bekämpfung der Umweltverschmutzung sowie die Förderung einer effizienteren Ressourcennutzung mittels des Übergangs zu einer sauberen und kreislauforientierten Wirtschaft erreicht werden.

Als konkret zu unternehmende Schritte sieht der Aktionsplan verschiedene regulatorische Maßnahmen in den Bereichen Energie, Handel, Verkehr, Industrie, Land- und Forstwirtschaft sowie Finanzmärkte vor. Dazu zählen der weitere Ausbau erneuerbarer Energien, die Ausweitung des Emissionshandelssystems, die Schaffung eines CO2-Grenzausgleichssystems sowie die Produktion von „grünem Stahl“. Umgesetzt werden sollen diese Projekte durch ein Zusammenspiel zahlreicher europäischer und mitgliedstaatlicher Maßnahmen.

Der European Green Deal legt zudem den Grundstein für den Erlass eines europäischen Klimagesetzes, mit dem die Ziele des Konzepts – insbesondere die CO2-Neutralität bis 2050 – in verbindliches europäisches Recht überführt werden sollen. Der erste Gesetzesentwurf der Kommission liegt zurzeit dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Beratung vor. Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens dürfte in den nächsten zwei bis drei Jahren zu erwarten sein.

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Umsetzung in Deutschland
In Deutschland wurden bereits wichtige Weichen zur Umsetzung des European Green Deal gestellt: Im Dezember 2020 verabschiedete der Bundestag eine umfassende Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes („EEG 2021“). Mit zahlreichen Änderungen im Detail wurde das EEG 2021 novelliert und den aktuellen Bedürfnissen des Energiemarkts angepasst. Dem zentralen Ziel des Gesetzes, den Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms am Bruttostromverbrauch bis zum Jahr 2030 auf 65% zu steigern, wurde zu einer stärkeren Verbindlichkeit verholfen, indem für jede Erneuerbare-Energien-Technologie konkrete Mengenziele für den jährlichen Zubau festgelegt wurden. So soll der erzeugte Strom aus Windenergieanlagen an Land beispielsweise im Jahr 2022 57 GW betragen und auf 71 GW im Jahr 2030 gesteigert werden.

Zusätzlich traten mit dem bereits am 5. November 2020 beschlossenen Gesetz zur Beschleunigung von Investitionen („Investitionsbeschleunigungsgesetz“) verfahrensrechtliche Erleichterungen zur Realisierung von Onshore-Windparks in Kraft. Nach der neuen Rechtslage entfalten Widersprüche und Klagen gegen genehmigte Windenergieanlagen an Land nunmehr keine aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass Rechtsmittel, etwa von Anwohnern oder Naturschutzschutzverbänden, nicht mehr zur Suspendierung der Genehmigung führen und die Realisierung des Vorhabens trotz laufender Gerichtsverfahren grundsätzlich weiterverfolgt werden darf. Zudem wurde eine Rechtswegverkürzung dergestalt beschlossen, dass Klagen gegen Windenergieanlagen an Land in erster Instanz direkt vor den Oberverwaltungsgerichten der Länder (und nicht wie bislang zunächst erstinstanzlich vor den Verwaltungsgerichten) verhandelt werden.

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Zeitgleich mit der Verabschiedung des Investitionsbeschleunigungsgesetzes wurde die Novelle des Gesetzes zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See („WindSeeG“) beschlossen. Mit dieser Gesetzesreform wurden die Ausbauziele für die Offshore-Windenergie in Deutschland deutlich erhöht. Während das alte Gesetz noch einen Ausbau der installierten Leistung auf insgesamt 15 GW bis zum Jahr 2030 vorsah, enthält die Neufassung eine neue Zielvorgabe in Gestalt einer installierten Leistung von 20 GW im Jahr 2030. Außerdem wurde das Gesetz um eine weitere Zielvorgabe erweitert, nämlich eine Steigerung der installierten Leistung auf insgesamt 40 GW bis zum Jahr 2040. Zur Erreichung der Ausbauziele wurde vonseiten des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie bereits eine Fortschreibung des Flächenentwicklungsplans eingeleitet, um neue Flächen für Offshore-Windenergieanlagen in Nord- und Ostsee auszuweisen.

Fazit
Die skizzierten Gesetzesänderungen adressieren einige hinlänglich bekannte Probleme beim Ausbau erneuerbarer Energien und versprechen Abhilfe, auch wenn sie in vielen Teilen noch nicht der große Wurf sind und – zum Teil berechtigt – auch viel Kritik an den Neuregelungen laut wird. Es steht aber etwa zu erwarten, dass der durch langwierige gerichtliche Verfahren vielfach ausgebremste Ausbau der Windenergie an Land durch das Investitionsbeschleunigungsgesetz nunmehr schneller vorangetrieben werden kann. Die neuen und ambitionierten Ausbauziele des WindSeeG basieren wiederum auf der Erkenntnis, dass die Offshore-Windenergie eine besonders hohe gesellschaftliche Akzeptanz genießt und es daher dringend angezeigt war, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine möglichst umfassende Ausnutzung des Windenergiepotenzials auf See zu schaffen.

Andere von der Windenergiebranche erhoffte Erleichterungen wie die Setzung von Höchstfristen für die behördliche Bearbeitung von Genehmigungsanträgen sind hingegen ausgeblieben. Zudem bleibt abzuwarten, welche neuen regulatorischen Handlungsbedarfe sich aus dem künftigen europäischen Klimagesetz ergeben. Insgesamt ist jedoch zu konstatieren, dass der deutsche Gesetzgeber mit den Ende vergangenen Jahres beschlossenen Gesetzesänderungen einen ersten wichtigen Beitrag zur Erreichung der Ziele des European Green Deal geleistet hat.

*) Ursprünglich erschienen im BondGuide Jahres-Special Green & Sustainable Finance 2021