Interview: „Echte Mehrwerte für Investoren und Emittenten“

Die Branche für Researcherstellung befindet sich im Umbruch, und weder Digitalisierung noch Regulierung machen vor ihr nicht Halt. BondGuide sprach im Nachgang zur kürzlichen Personalie mit den beiden Vorständen der SRH AlsterResearch AG, Thomas Wissler und Dr. Oliver Wojahn.

BondGuide: Herr Dr. Wojahn, was zog Sie von der EBC Hamburg zu AlsterResearch?
Wojahn: Im Grunde war dies ein etwas längerer Prozess. Herr Wissler und ich haben uns in dem zurückliegenden Jahr engmaschig über die Strategie und Positionierung der AlsterResearch ausgetauscht – damals noch vor dem Hintergrund einer etwas andere Rolle. Letztlich konnte er mich aber mit der Idee des digitalen ResearchHubs, also der Verbreitung des Aktienresearches auf eine neue und innovative Art und Weise, überzeugen. Diese Idee fand ich doch sehr bestechend. Im Kern geht es darum, kleinere und mittelgroße Anleger, etwa Vermögensverwalter oder Family Offices, den Zugang zu Aktienanalysen zu ermöglichen. Aufgrund von MiFid II sind diese heutzutage von professionellem Research abgeschnitten. Uns wurde sofort klar, dass die Änderungen in der Branche eine neue Nische für innovative Unternehmen wie der AlsterResearch eröffnen würde.
Wissler: Herr Wojahn und ich kennen uns schon einige Jahre – wir haben bereits gemeinsam bei der Berenberg Bank in Hamburg maßgeblich an dem Aufbau des paneuropäischen Aktienprodukts mitgewirkt. Als ich die Leitung der AlsterResearch im vergangenen Jahr übernommen hatte, war mir klar, dass Herr Wojahn und ich zeitnah miteinander sprechen sollten.

BondGuide: In der Pressemitteilung wurde auf die ‚Dynamik im Markt für Aktienresearch‘ abgestellt, auch von Umbruch war die Rede – was tut sich denn genau?

Wojahn: Wie schon erwähnt hat MiFid II dafür gesorgt, dass die Kosten für Sell-Side Research quantifizierbar und im Vergleich zu früher transparenter wurden. Fondsmanager und Vermögensverwalter müssen heutzutage ausdrücklich für das verwendete Aktienresearch bezahlen – und zwar häufig aus der eigenen Tasche und nicht wie früher aus dem Fondsvermögen der Anleger. Allerdings führte diese Regelung auch dazu, dass sich kleinere Fondsadressen und Vermögensverwalter, den nun transparent und einzeln bepreisten Zugang zu Research nicht mehr leisten konnten. In der Konsequenz haben heutzutage viele Investoren keinen Zugang mehr zu professionellem Research.
Wissler: Als Fondmanager eines eigenen kleinen Fonds habe ich damals am eigenen Leibe erlebt, wie von einem Tag auf den anderen plötzlich sämtliches, frei verfügbares Research nicht mehr zur Verfügung stand. Hier muss man sich noch einmal in Erinnerung rufen, dass in der Vergangenheit Research häufig durch Kommissionsgeschäfte quersubventioniert wurde. Diese Quersubventionierung ist nun seit 2018 praktisch tot. In der Konsequenz mussten die bestehenden Brokerhäuser empfindliche Einbußen ihres Kommissionsgeschäfts hinnehmen, was wiederum zur Folge hatte, dass die Coverage der weniger ertragreichen Small & MidCaps bankenseitig oftmals eingestellt wurde.
Wojahn: Wie so häufig führen Umwälzungen in Märkten zu Gewinnern und Verlierern. Unsere Idee ist es, die AlsterResearch als den Anbieter von frei verfügbarem, professionellem Research zu etablieren, und zwar für alle Investoren, die aus dem gerade erwähnten Schema herausfallen und jetzt keinen bzw. nur noch eingeschränkten Zugang zu Research haben. Zeitgleich füllen wir die Coveragelücke im Small & MidCap-Segment, den die etablierten Häuser uns eröffnen.

BondGuide: Eine Ihrer Aufgaben wurde schon angedeutet mit dem Auf- oder Ausbau des ResearchHubs, einer digitalen Research Plattform. Was darf man sich darunter vorstellen?
Wojahn: Wir sind die Herausforderung strategisch angegangen. Durch MiFiD II haben wir eine Nische entdeckt, in der wir sowohl für Unternehmen als auch Investoren Probleme lösen können. Der digitale ResearchHub stellt nun ein wesentliches Differenzierungsmerkmal dar in einer Branche, die aus besagten Gründen bei der Digitalisierung eher auf der Kostenbremse stand. Mit dem ResearchHub bieten wir eine Plattform, auf der jeder Investor sämtliche Informationen finden kann, die er benötigt, um eine fundierte Investitionsentscheidung zu treffen – und zwar mit tagesaktuellen Multiples. Dies beinhaltet Hintergrundinformationen, Finanzkennzahlen, aber auch Geschäfts- und Quartalsberichte sowie interaktive Elemente wie Videos oder Screening-Funktionen. Natürlich kann man aber auch sein gewohntes Research im PDF-Format herunterladen und ausdrucken, um es abends auf der Couch durchzuschauen. Die Informationsbeschaffung richtet sich demnach nach den Bedürfnissen unserer User und soll möglichst einfach in der Handhabung sein – und vorzugsweise Spaß in der Nutzung machen.

BondGuide: Ich habe parallel am PC schon die Plattform ausprobiert: Die sieht schon auf den ersten Blick aufwändig aus, da steckt viel Arbeit drin. Meine Frage ist: Wer finanziert diesen Aufwand denn?
Wissler: Das Geschäftsmodell basiert weiterhin auf dem bekannten Modus, den Sie kennen: Emittenten kommen dafür auf, dass ihre Aktie durch AlsterResearch gecovert und auf dem Hub einer breiten Investorengruppe zur Verfügung gestellt wird. Im Englischen würde man dies als Sponsored Research oder Corporate Brokerage bezeichnen. Wichtig ist, dass trotz des umgekehrten Bezahlmechanismus unsere Unabhängigkeit gewahrt bleibt. Wir müssen unsere Investoren zum Beispiel nicht durch Ratingänderungen zum Handeln animieren, da wir nicht über eigene Handelsaktivitäten verfügen. Zudem ist der Mix von größeren und kleineren Titeln wichtig, um unseren Kunden einen attraktiven Strauß an Unternehmen präsentieren zu können. Gerade bei größeren Emittenten merken wir, dass hier ein Umdenken stattfindet. Hier wollen wir unterstützen.

BondGuide: Machen Sie auch IPO-Research, also Coverage von Emittenten, die gerade erst an die Börse gehen? – da ist die Informations-Asymmetrie gemeinhin am größten.
Wissler: Derzeit sind wir auf diesem Gebiet noch nicht aktiv. Aber Sie haben Recht: Es würde sich anbieten, dass wir als unabhängiges Researchhaus auch IPO-Studien verfassen. Sowohl Herr Wojahn als auch ich haben auf diesem Gebiet langjährige Erfahrungen und haben in der Vergangenheit dutzende Transaktionen bei verschiedenen Banken begleiten können. Vorstellbar ist daher sehr wohl, dass die AlsterResearch auf diesem Feld vermehrt Aktivität zeigen wird. Zuletzt waren wir aber bereits beim Thema Reverse-IPOs aktiv. So konnten wir die börsengelistete mic AG researchseitig bei dem Reverse-IPO der Freiburger Pyramid Computer GmbH begleiten. Auch die Themen Mantelkauf oder ähnlich gelagert SPACs – Special Purpose Acquisition Companies – sind neue spannende Felder.

BondGuide: Als Betreiber einer Anleihen-Plattform vermisse ich Anleihe-Research im ResearchHub. Und sagen Sie bitte nicht, die Zielgruppen wären zu verschieden oder die Bewertungsmethoden zu unterschiedlich. Wäre das denn kein spannendes Bearbeitungsfeld für AlsterResearch?

Dr. Oliver Wojahn

Wojahn: Vorstellbar ist dies in der Zukunft bestimmt. Aber lassen Sie uns erst einmal auf unsere Kernkompetenz konzentrieren. Allein in Deutschland haben wir hier einen Markt, der uns genügend Wachstumsfantasie für die nächsten Jahre bietet – von einer europäischen Expansion ganz zu schweigen.

BondGuide: ‚Weitere Innovation werden folgen‘, hieß es ebenfalls in Ihrer Meldung kürzlich. Welche Art Innovationen sind denn beispielhaft vorstellbar in Ihrem Sektor?
Wojahn: Mit Hilfe von Digitalisierung ist vieles vorstellbar. Denken Sie an Recommendation Engines, wie Sie sie sicherlich z.B. von Amazon kennen, nach dem Motto: Sie haben sich für X interessiert, vergleichbare Sucher interessierten sich in diesem Zusammenhang auch für Y und Z. Oder auch Vorschlagslisten auf Basis eines hinterlegten Investorenprofils. Das bietet echte Mehrwerte für Investoren.

Thomas Wissler

Wissler: Wir sehen uns als Problemlöser für Emittenten. Für Unternehmen lautet dieses Problem, dass sie weniger und weniger Zugang zu Investoren haben. Mit dem ResearchHub bringen wir beide Zielgruppen zusammen. Mit den heutigen technologischen Möglichkeiten sind weitere Dinge denkbar wie virtuelle Roadshows oder aber auch Investorenkonferenzen.

BondGuide: Herr Wojahn, Herr Wissler, besten Dank für Ihre Zeit und die spannenden Einblicke.

Interview: Falko Bozicevic