Disruption im Anleihehandel: Der Weg zum automatisierten Orderprozess

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Im Fixed Income Handel steckt noch viel Optimierungspotenzial. Bislang prägen Intransparenz und ein hoher manueller Aufwand den Orderprozess. Robin Kendzia und Christoph Dzimiera von der Unternehmensberatung Cofinpro zeigen einen Weg zu mehr Effizienz durch eine Automatisierung des Orderprozesses.

Im Unterschied zum Aktien- oder Devisenhandel stockt der Automatisierungsgrad im Anleihehandel auf dem europäischen Markt noch. Einige interessante Entwicklungen bieten jedoch neue Möglichkeiten, den komplexen Orderprozess für den Anleihehandel zum Teil zu automatisieren und dadurch an Effizienz zu gewinnen.

Fortschreitende Entwicklung der EMS-, OMS- und MTF-Anbieter
In den vergangenen Jahren investierten die EMS-, OMS- sowie MTF-Anbieter viel Aufwand in die Weiterentwicklung ihrer Systeme bzw. Plattformen, um mit geeigneten Funktionalitäten der Komplexität des Orderprozesses im Anleihehandel gerecht zu werden. Dies hat die Grundlage für die Automatisierung des Handelsprozesses geschaffen.

So bieten mittlerweile einige MTF-Anbieter die Möglichkeit an, automatisierte RfQ-Anfragen (Request for Quotes) an Broker zu starten und somit die Order-Ausführung zu automatisieren. Zur Konfiguration des Prozesses stehen eine Vielzahl an Parametern zur Auswahl, u.a.: 1) Anzahl der anzufragenden Broker; 2) Festlegung der Dauer der RfQ-Anfrage und 3) Zielgerichtete Auswahl der Parameter auf eine einzelne Produktebene, z.B. die Automobilbranche.

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Die EMS- und OMS-Anbieter haben dagegen auf ihrer Seite Funktionalitäten entwickelt, die es ermöglichen, das Order-Routing nach bestimmten Kriterien zu automatisieren. Die fortschrittlichsten und größten EMS- und OMS-Anbieter bieten zusätzlich die Möglichkeit, das Order-Routing mit einer automatisierten RfQ-Anfrage zu kombinieren. Bei der Festlegung der Parameter kann dabei auf die Historie bereits getätigter Geschäfte zurückgegriffen werden. Diese Kombination aus Funktionen für ein automatisches Order-Routing sowie einer automatischen Ausführung bietet die perfekte Grundlage, um den Prozess für einen Teil der Anleiheorders zu automatisieren.

Das Geschäft mit den Daten
Für diese Automatisierung ist eine sichere und qualitativ hochwertige Versorgung mit Informationen notwendig. So muss mittels geeigneter Daten beim Order-Routing regelbasiert entschieden werden können, welches Instrument liquide und somit für eine automatische Ausführung geeignet ist. Zusätzlich werden Vergleichspreise benötigt, damit abgeglichen werden kann, ob der aus der automatisierten Anfrage erhaltene Preis marktgerecht ist. Denn auch über die automatische Order-Ausführung muss die Best Execution Policy eingehalten und die impliziten Transaktionskosten minimal gehalten werden.

Eine geeignete Datenlösung, die auch in unabhängigen OMS und EMS genutzt werden kann, ist teuer und sollte wohl überlegt sein. Neue Anbieter und innovative Produktlösungen haben dafür gesorgt, dass auf dem Markt der Anleihedaten, nach vielen Jahren von monopolartigen Strukturen, mittlerweile ein kompetitives Umfeld herrscht.

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Bei den Datenlösungen kann zwischen zwei Arten von Anbietern unterschieden werden: Zum einen gibt es die unabhängigen Anbieter, die eigenständig von den verschiedensten Quellen Daten beziehen, konsolidieren sowie aufbereiten. Die anderen Anbieter sind gleichzeitig auch Handelsplattformen, die vor allem die auf ihrem System generierten Informationen (unter Ergänzung von weiteren Quellen) nutzen, um eine Datenlösung zu kreieren.

Bei der Aufarbeitung der Daten werden häufig komplexe Algorithmen verwendet, um diese geeignet aufzubereiten und Ausreißer zu eliminieren. Welche Art von Anbieter am besten für ein Automatisierungsvorhaben geeignet ist, hängt von der Komplexität, dem Produktuniversum sowie den verwendeten Systemen ab.

Bei dem Thema Daten sind auch die Bestrebungen des Regulators aufmerksam zu verfolgen. So wird auf europäischer Ebene im Rahmen der MiFID-II-Überarbeitung die Schaffung eines Consolidated Tape angestrebt, das sich in den USA im Rahmen von TRAX bereits bewährt hat.

Auf dem Fast-Track zum Abschluss
Dadurch, dass Buy- und Sell-Side Anleihen klassischerweise über eine Handelsplattform traden, finden sich Käufer und Verkäufer in einem Dilemma wieder: Einerseits liefern sie die Rohdaten, durch welche die Handelsplätze ihr Geschäft mit den Daten überhaupt erst aufbauen können. Andererseits sind sie auf die Handelsplätze als Trading-Partner angewiesen. Der Anbieter des Handelssystems steht als Profiteur in der Mitte: Er verdient mit der Abwicklung der Geschäfte genauso wie mit der Aufbereitung und dem Vertrieb der Daten sein Geld.

Robin Kendzia, Cofinpro

Um eine gewisse „Privatsphäre“ zu den großen Buy-Side-Häusern wiederherzustellen, gewinnt die Möglichkeit des Direct-Market-Access für die großen Sell-Side-Häuser an Attraktivität. Die modernen OMS und EMS bieten dabei ihre Unterstützung an und werden somit zunehmend selbst zur Handelsplattform. Für die großen Buy-Side-Häuser kann dies zu individuelleren und teils besseren Preisen führen, da die dabei geteilten Informationen zwischen den jeweiligen Handelspartnern bleiben.

Ein Direct-Market-Access wird anfangs vor allem für liquide Anleihe-Kategorien interessant sein, da bei diesen in aller Regel die Sell-Side-Häuser das beste Angebot haben. Ein Direct-Market-Access mit mehreren großen Sell-Side-Häusern bietet für die Buy-Side auch eine einfache und schnell zu realisierende Möglichkeit, den Orderprozess für einen Teil der Orders zu automatisieren.

Christoph Dzimiera, Cofinpro

Fazit
Die dargestellten Entwicklungen sorgen dafür, dass die Hürden für eine Automatisierung des Orderprozesses für Anleihen schwinden. Es lohnt sich, eine solche Umsetzung genau abzuwägen und für den individuellen Fall zu prüfen, denn die positiven Effekte einer Automatisierung können erheblich sein. Zum einen kann das Handelsteam die freigewordenen Ressourcen nutzen, um sich verstärkt auf diffizile High-Touch-Orders und Neuemissionen zu konzentrieren. Zum anderen können durch den Einsatz einer auf automatische Orderausführung konzentrierte Transaktionskostenanalyse die impliziten Transaktionskosten (Timing- und Market-Impact-Kosten) nachhaltig gesenkt werden.