Law Corner: Kapitalmarktpflichten in der Insolvenz

Dr. Anne de Boer (li), Sarah Dupont, RAs, Heuking
Dr. Anne de Boer (li), Sarah Dupont, RAs, Heuking

Der Law Corner Beitrag von Dr. Anne de Boer, Partnerin und Rechtsanwältin, Sarah Dupont, Rechtsanwältin, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Auch in der Insolvenz werden Aktien und Schuldverschreibungen häufig weiter an Börsenplätzen gehandelt. Für die Anleger ist dies eine Möglichkeit, angesichts langer Insolvenzverfahren die Wertpapiere doch noch gegen ein kleines Entgelt loszuwerden. Bei Aktiengesellschaften bietet sich – wenn auch selten – die Möglichkeit, diese zu sanieren und den Börsenmantel später weiter zu verwenden.

Was ist aber in der Insolvenz mit den kapitalmarktrechtlichen Pflichten? Die Anleger wissen, dass die Gesellschaft insolvent ist, bei Aktien also voraussichtlich mit einem Totalverlust zu rechnen ist. Bei der Anleihe gestaltet es sich dagegen schwieriger, da sich erst im Laufe des Verfahrens eine Quote herausbildet, die auch den Börsenkurs beeinflussen kann.

Die Kosten für die Aufrechterhaltung einer Börsennotierung sind nicht unbedeutend und ein Delisting stellt auch keine reine Formsache dar. Eine weitere Herausforderung ist, dass Vorstände und Aufsichtsräte im Insolvenzverfahren nach und nach ihre Ämter niederlegen und diese teilweise auch nicht mehr besetzt werden, sondern im Fall der Fremdverwaltung dem Insolvenzverwalter die Wahrnehmung sämtlicher Aufgaben überlassen wird. In der Folge werden ab Insolvenzantrag die kapitalmarktrechtlichen Transparenz- und Veröffentlichungspflichten – trotz hoher Bußgeldrisiken – vernachlässigt.

Finanzberichterstattung
Auch in der Insolvenz ist die Gesellschaft verpflichtet, Jahres- sowie ggf. Halbjahresfinanzberichte aufzustellen und innerhalb der vorgeschriebenen Fristen zu veröffentlichen. Dies ergibt sich abhängig vom Börsensegment aus dem WpHG, HGB und den Börsenordnungen. Zudem kann sich die Frage stellen, ob etwaige Abschlüsse nach Liquidations- und Fortführungswerten zu erstellen sind.

Foto: © grafikplusfoto – stock.adobe.com

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Weitere Veröffentlichungspflichten
Die Insolvenz der Gesellschaft ändert auch nichts an der Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach der MAR und den Directors‘ Dealings Stimmrechts- und Beteiligungsmitteilungen. Für Insiderinformationen ist dabei kritisch zu prüfen, inwieweit die jeweilige Information noch Kursrelevanz hat und eine Irreführung eine Selbstbefreiung verhindert.

Folgen in der Insolvenz
Ausweislich des Jahresberichts aus 2016 sieht die BaFin keinen Grund, auf etwaige Bußgelder in der Insolvenz zu verzichten. Vielmehr hatte die BaFin wohl ein Bußgeld in Höhe von ca. 185.000 EUR für zwei verspätet veröffentlichte Halbjahresberichte in der Insolvenz verhängt.

Die kapitalmarktrechtlichen Regelungen sehen zu Recht aufgrund des Anlegerschutzes für die Insolvenz keine allgemeine Befreiung vor. Im Einzelfall und für bestimmte Fallkonstellationen könnte eine solche Erleichterung diskutiert werden, z.B. wenn die (Neu)Aufstellung, Prüfung und Veröffentlichung der Informationen nur eine kostenintensive Formalie ohne Mehrwert ist und/oder die Prüfberichte des Insolvenzverwalters für alle veröffentlicht werden und ausreichende Informationen enthalten.

Grundsätzlich bleiben die Vorstände für die Erfüllung der kapitalmarktrechtlichen Regelungen zuständig. Den Insolvenzverwalter treffen allein Verpflichtungen aus der Masse; Insiderinformationen, die aus der Masse folgen, hat er jedoch unverzüglich den Vorständen mitzuteilen. § 24 WpHG stellt insoweit klar, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung der Pflichten zu unterstützen, insbesondere aus der Insolvenzmasse die hierfür erforderlichen Mittel bereitzustellen hat. Hat die Masse keine ausreichende Liquidität, sollte dringend ein Delisting geprüft werden, solange die Behörden und Börsen keine Ausnahmen von den Folgepflichten zulassen. Aufgrund der Kompetenzverteilung als Verpflichtung der Vorstände besteht zudem ein Risiko, dass entsprechende Bußgelder für die Zeit der Insolvenz mit einem Insolvenzplan nicht bereinigt werden können und als Verpflichtungen der Gesellschaft verbleiben.

Fazit
Insbesondere Vorstände und Aufsichtsräte, aber auch Insolvenzverwalter im Hinblick auf Sanierungsszenarien sollten sich stärker bewusst werden, dass die kapitalmarktrechtlichen Folgepflichten umfassend auch nach Stellung eines Insolvenzantrags und Eröffnung eines Insolvenzverfahrens weiterhin gelten.

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