Law Corner: Die Anleihe lebt – und für den Fall, dass sie doch mal wieder kränkelt, kann man vorsorgen!

Dr. Thorsten Kuthe & Meike Dresler-Lenz, Heuking

Der Law Corner Beitrag von Dr. Thorsten Kuthe und Meike Dresler-Lenz, Rechtsanwälte, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln.

Die Mittelstandsanleihe lebt wieder“ titelte jüngst die FAZ. Und wer jetzt Anleihen ausgibt, hat die Chance, aus den Krisen der Vergangenheit zu lernen und vorbereitet zu sein, falls doch mal 50% (bzw. im zweiten Anlauf 25%) der Gläubiger motiviert werden müssen, über eine Anpassung der Anleihebedingungen abzustimmen.

Emittenten können viel tun, um es möglichst einfach zu machen, sie in einem solchen Fall zu unterstützen. Noch mehr tun könnte der Gesetzgeber: Denn selbst in der Praxis längst etablierte Gestaltungsmöglichkeiten werden immer wieder angezweifelt, weil das Schuldverschreibungsgesetz („SchVG“) sie nicht eindeutig regelt.

Nachweis der Gläubigerstellung
Wer abstimmen will, muss durch eine Depotbescheinigung nachweisen, dass er Anleihegläubiger ist. Das erschwert die Erstabstimmung ohne Versammlung, die sonst Kosten sparen könnte. Denn hier müssen die Anleihen nicht nur einen Versammlungstag lang, sondern von der Stimmabgabe bis zum Ende des mindestens 72-stündigen Abstimmungszeitraums im Depot gesperrt bleiben, um Doppelabstimmungen auszuschließen.

Foto: © larshallstrom - stock.adobe.com

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Eine gute Lösung wäre ein für das Abstimmungsrecht maßgeblicher einzelner Stichtag („Record Date“), wie man ihn von HVs kennt. Aber da das SchVG diese Möglichkeit bisher nicht nennt, stoßen Emittenten teils auf Zweifel, wenn sie den Record Date durch die Anleihebedingungen einführen.

Anmeldung
Die Anleihebedingungen könnten etwa vorsehen, dass sich die Gläubiger bis zum dritten Tag vorher zur Versammlung anmelden. Das erleichtert die Vorbereitung. Der zusätzliche Aufwand kann aber auch von der Teilnahme abschrecken. Optimal wäre es, jeweils in der konkreten Situation zu entscheiden, ob eine Anmeldung verlangt wird oder nicht. Das SchVG sollte klarstellen, dass die Anleihebedingungen dem Emittenten diese Freiheit lassen dürfen.

Auch ein starres Verständnis der Anmeldung als unverzichtbare Abstimmungsvoraussetzung ist praxisfern. Die Anmeldung wird nur aus organisatorischen Gründen verlangt. Es spricht deshalb nichts dagegen, auch nicht angemeldete Gläubiger zuzulassen, wenn das den Ablauf nicht gefährdet und der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger gewahrt bleibt. Wenn das SchVG den Fall explizit regeln würde, würde auch niemand von der Handhabung überrascht.

Foto: © Zffoto – stock.adobe.com

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Wartezeiten an der Einlasskontrolle verkürzen sich vor allem, wenn auch die Depotbescheinigung bereits bei der Anmeldung vorliegt. Das verlängert aber die Zeit der Depotsperre und setzt damit eine zusätzliche, umstrittene Teilnahmehürde. Auch hier wäre ein Record Date die beste Lösung.

Wenn Anleihebedingungen bei den Abstimmungen ohne Versammlung (wo sie eigentlich sinnlos ist) eine Anmeldung vorsehen, sollte der Emittent einen Stimmrechtsvertreter benennen, den man gleichzeitig mit der Anmeldung zur Stimmabgabe bevollmächtigen kann. Sonst müssen die Gläubiger zweimal aktiv werden oder stimmen in der Praxis oft zu früh (und damit ungültig) ab.

Der Notar in ungewohnter Rolle
Für viele Notare ist die Rolle als Abstimmungsleiter einer Abstimmung ohne Versammlung noch Neuland. Gebraucht wird ein Notar, der von sich aus die Korrektur formaler Fehler anstößt, um möglichst viele gültige Stimmen einzusammeln. Bei einer anschließenden zweiten AGV bewegt sich der Notar erst recht auf ungewohntem Terrain. Denn nach dem SchVG beruft „der Abstimmungsleiter“ (also der Notar) hier die zweite Versammlung ein. Und da außerdem „der Einberufende“ den Vorsitz führt, müsste der Notar auch diesen übernehmen.

Beides ist vermutlich nicht ganz durchdacht. Bis das ggf. korrigiert wird, einigen sich „alte Hasen“ unter den Notaren mit dem Emittenten auf die gemeinsame Einberufung der zweiten Versammlung und beauftragen auch gemeinsam eine Person, die diese leitet. In jedem Fall ist mit dem Notar schon im Vorfeld zu klären, wie die ungewöhnliche Gesetzeslage gehandhabt werden soll.

Natürlich hoffen wir mit den Emittenten und vor allem den Gläubigern auf einen krisenfesteren Anleihemarkt. Dennoch auf alles vorbereitet zu sein, hat trotzdem noch niemandem geschadet!

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