Law Corner: Nordic Bonds – ein Marktsegment gewinnt in Deutschland an Bedeutung

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Sogenannte Nordic Bonds – Unternehmensanleihen nach skandinavischem, meist schwedischem oder norwegischem Recht – gewinnen zunehmend auch in Deutschland an Bedeutung. Was einst als Nischenprodukt galt, hat sich seit etwa 2018 rasant entwickelt. Deutsche Unternehmen schätzen den Zugang zu erfahrenen, finanzstarken Investoren aus Skandinavien, während Investoren ihr Portfolio über nationale Grenzen hinweg diversifizieren können. Für deutsche Investoren bedeutet dies allerdings: Sie bewegen sich außerhalb der vertrauten Mechanismen des Schuldverschreibungsgesetzes (SchVG). Von Dr. Tobias Moser, Partner, und Dr. Fabian Wirths, Associate, DMR Rechtsanwälte Moser Degenhart Ressmann PartG mbB, München

>> aus BondGuide #20-2025 vom 03. Oktober <<

Was sind Nordic Bonds?

Unter dem Begriff versteht man Anleihen, die nach den in Skandinavien etablierten Standarddokumentationen emittiert werden. Diese zeichnen sich im Vergleich zu klassischen internationalen Bond-Prospekten durch eine deutlich schlankere und investorenfreundlichere Ausgestaltung aus. Die Dokumentation wird in weitgehend standardisierter Form von dem typischerweise als Treuhänder der Anleihegläubiger agierenden Trustee vorgegeben.

Im Unterschied zu einer klassischen Unternehmensanleihe wird kein förmlicher Übernahmevertrag abgeschlossen. Stattdessen existiert lediglich ein Engagement Letter der beteiligten Bank(en), ergänzt durch eine Vollständigkeitserklärung des Emittenten (declaration of completeness). Nach der Emission erfolgt die Einbeziehung in einen Freiverkehrsmarkt, wodurch die Anleihen für Anleger handelbar werden.

Zunehmende Beliebtheit von Nordic Bonds auch im deutschen Markt
Gerade aufgrund des hohen Standardisierungsgrades zeigen Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit, dass sich Anleihen im Format von Nordic Bonds auch bei in Deutschland ansässigen Emittenten großer Beliebtheit erfreuen:

LR Health & Beauty emittierte 2024 einen Nordic Bond über 130 Mio. EUR (NO0013149658), notiert in Stockholm.

Mutares SE & Co. setzte mehrfach auf Nordic Bonds (u.a.NO0013325407), begeben unter norwegischem Recht und gehandelt in Frankfurt und Oslo.

Formycon nutzte 2024 das Format für eine unbesicherte Anleihe über 70 Mio. EUR (ISIN: NO0013586024).

Karlsberg Brauerei griff 2024 auf einen Nordic Bond über 50 Mio. EUR zurück (NO0013168005).

PAUL Tech kündigte für 2025/29 die Refinanzierung ihrer bestehenden Anleihe durch einen Senior Secured Green Bond im Nordic-Format an.

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Die wenigen Beispiele zeigen: Nordic Bonds haben sich als echte Alternative zur klassischen deutschen Mittelstandsanleihe etabliert. Immer mehr Emittenten wenden sich dem skandinavischen Format zu, das vor allem mit Schnelligkeit, Flexibilität und Kosteneffizienz überzeugt. Gleichwohl gilt es, die spezifischen Eigenheiten im Vergleich zu deutschen Schuldverschreibungen zu beachten.

Besonderheiten im Vergleich zu deutschen Schuldverschreibungen
Im Vergleich zu Anleihen nach dem SchVG bestehen bei Nordic Bonds einige praxisrelevante Unterschiede, von denen nachfolgend nur einige beispielhaft dargestellt werden.

Während das SchVG in Deutschland klare gesetzliche Rahmenbedingungen etwa zu Anfechtungsrechten oder zur gerichtlichen Bestellung eines gemeinsamen Vertreters vorgibt, existiert für Nordic Bonds kein vergleichbares Regelwerk. Ihre Gestaltung folgt primär vertraglichen Marktstandards und nur sekundär dem jeweils anwendbaren nationalen Recht. Das führt zu einer traditionell schlankeren Dokumentation, die Nordic Bonds insbesondere für Privatplatzierungen und kleinere Emissionen ohne vollwertigen Börsenprospekt attraktiv macht.

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In der Praxis werden sie häufig über Privatplatzierungen begeben und anschließend in Freiverkehrssegmenten – etwa an der Börse Oslo, der Nasdaq Nordic oder bei deutschen Emittenten auch an der Frankfurter Wertpapierbörse – gelistet. Ein Prospekt ist dabei regelmäßig nicht erforderlich.

Auch strukturell ergeben sich einige Besonderheiten: So spielt bei der Gläubigerorganisation die Rolle des sogenannten Trustee eine zentrale Rolle. Anders als der nach dem SchVG nur fakultative gemeinsame Vertreter ist der Trustee verpflichtend vorgesehen und aufgrund seiner vertraglichen Bindung meist aktiver eingebunden. Beispielsweise überwacht er die Einhaltung von Covenants, kontrolliert Sicherheiten und die Freigabe solcher und beruft – im Gegensatz zur Praxis in Deutschland – regelmäßig auch die Anleihegläubigerversammlung ein.

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Auch die Regelungen zu Versammlungen können divergieren: Nach dem SchVG erfordert die erste Gläubigerversammlung ein gesetzliches Quorum von 50% und eine zweite Gläubigerversammlung noch 25% an Teilnehmern. Im Gegensatz dazu entfällt im nordischen Marktstandard eine solche Quorumvorgabe bei der wiederholten Versammlung oft gänzlich, sodass eine zweite Versammlung automatisch beschlussfähig ist. Das kann im Extremfall dazu führen, dass eine kleine Minderheit weitreichende Entscheidungen trifft.

Restrukturierungen: fremde Regeln, neue Dynamik
Besonders augenfällig werden die Unterschiede im Krisenfall. Gerät ein Emittent in Schieflage, greifen nicht die bekannten Instrumente des SchVG, sondern die Mechanismen des skandinavischen Rechts. Erwähnenswert ist hier das sogenannte Written Procedure, das ebenfalls vom Trustee eingeleitet werden kann. Dabei handelt es sich um ein standardisiertes und hoch formalisiertes Umlaufverfahren, bei dem die Anleihegläubiger schriftlich oder digital und ohne physische Versammlung beispielsweise über Änderungen der Anleihebedingungen abstimmen.

Das Written Procedure ähnelt zwar der aus dem SchVG bekannten Abstimmung ohne Versammlung (§ 18 SchVG), ist jedoch deutlich schlanker und effizienter ausgestaltet und eröffnet zugleich aber auch eine neue Dynamik. Kleinere oder passive Investoren laufen Gefahr, von schnellen Entscheidungen überrollt zu werden, wenn sie nicht aktiv mitwirken. Ein bloßes Abwarten kann hier noch riskanter sein als im deutschen Pendant.

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Deutsches Recht bleibt relevant – gerade bei Sicherheiten
Auch wenn sich Emittenten für eine skandinavische Rechtsordnung als Rahmen entscheiden, bleibt deutsches Recht in vielen Fällen weiterhin sehr relevant. Sobald Vermögenswerte in Deutschland belegen sind – etwa Immobilien, Maschinen oder Beteiligungen –, richtet sich die Bestellung und Durchsetzung von Rechten bezüglich dieser Beteiligungen nach deutschem Recht. Gleiches gilt dann für Fragen der Vollstreckung oder in regulatorischen Kontexten wie Prospektpflichten und Anlegerschutz.

Da die Emittenten deutsche Unternehmen sind, gelten für sie – unabhängig von der Rechtswahl des Einzelinstruments, alle deutschen Vorschriften weiter, also insbesondere die gesellschafts-, aufsichts- und insolvenzrechtlichen Vorschriften. Diese zu kennen und zu bewerten, ist auch für die Anleger in Verhandlungen von großer Bedeutung.

Potenzial für Nordic Bonds

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Für Investoren bedeutet das: ihre Position bewegt sich in einem doppelten Rechtsrahmen. Während sich die Änderung der Anleihebedingungen nach skandinavischem Recht richtet, unterliegen Rechtsfragen hinsichtlich der Sicherheiten, aber auch des Emittenten und deren gesellschafts-, aufsichts- und insolvenzrechtlichen Beschränkungen deutschem Recht.

Sowohl der Emittent als auch die Gläubiger benötigen im Regelfall bei Verhandlungen also rechtliche Berater zu beiden Rechtsordnungen. Für die praktische Umsetzung sind Anleihegläubiger daher nicht selten auf ein Tandem spezialisierter Rechtsberater angewiesen – was rechtlich für Sicherheit sorgt, gleichzeitig aber die Komplexität und dementsprechend auch den Aufwand deutlich steigert.

Fazit
Wer in Nordic Bonds investiert, sollte die parallele Anwendung unterschiedlicher Rechtsordnungen besonders beachten – und dies möglichst bereits vor der Investition. Für Emittenten gilt: ihr Vorteil bei der Emission geht oft mit erhöhter Komplexität und Kosten im Restrukturierungsfall einher.

Dr. Tobias Moser (li.) & Dr. Fabian Wirths, RAs, DMR Legal

Im Ergebnis sind Nordic Bonds für die Unternehmensfinanzierung aber kein Nischenthema mehr, sondern ein Wachstumssegment mit attraktiven Renditechancen. Und deutsche Emittenten greifen zunehmend auf dieses Format zurück.

Die weitere Expansion des Formats Nordic Bonds scheint daher zunächst vorgezeichnet. Spannend wird sein, ob Elemente der nordischen Flexibilität auch in den deutschen Markt zurückwirken und dort Impulse für Anpassungen der rechtlichen Rahmenbedingungen setzen.

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