„Zusammenspiel aus Wohnraumverknappung und Nachfrageplus wird zu Wertsteigerungen führen“

Ist das Täl der Tränen im Bereich Immobilien endlich durchschritten, Wertsteigerungen endlich wieder absehbar? Mit Experte Stephan Gerlach* sprach BondGuide v.a. über den wichtigen Sektor Wohnimmobilien.

BondGuide: Herr Gerlach, gerade diese Tage lief die EXPO Real in München. Wie war denn dieses Jahr die Stimmung?
Gerlach: Ohne selbst dort gewesen zu sein: Das, was ich im Markt an allen Ecken und Enden erkenne, ist Optimismus mit angezogener Handbremse. Es wird wieder mehr gekauft, Verhandlungszyklen verkürzen sich und auch die Preise erleben einen Auftrieb. Einer der relevantesten Erfolgsfaktoren ist in dieser Phase das Tempo von Deals. Denn Geschwindigkeit beeinflusst den wichtigsten Faktor: die Rendite in Abhängigkeit von der Zeit. Je schneller Projekte abgeschlossen werden können, desto höher ist die Rendite und vor allem der Return on Invest aufs eingesetzte Eigenkapital. Auch dieses Signal kommt mehr und mehr an den Immobilienmärkten an.

BondGuide: Wie steht es denn im Bereich Top Seven Cities derzeit in Deutschland hinsichtlich Wohnimmobilien?
Gerlach: Besser als letztes Jahr. Wohnungen steigen im Preis schneller als Mehrfamilienhäuser. Das vergrößert aber bei MFHs das Zeitfenster für gute Deals.Wer heute auf Schnäppchenjagd geht, muss sich im Segment der Wohnungen also schneller entscheiden. Unabhängig davon, ob Top Seven, B-, C- oder D-Lage. Bei größeren Objekten kann kräftig verhandelt werden. Für 2026 gehe ich fest davon aus, dass das Zusammenspiel aus Wohnraumverknappung und Nachfrageplus zu Wertsteigerungen führen wird. Sowohl für Wohnungen als auch für Mehrfamilienhäuser.

BondGuide: Gehen die Uhren – sagen wir mal in den gleichen Städten – bei Büro und Immobilien abseits von Wohnen derzeit in einem anderen Zeitkontinuum – warum dauert hier die Normalisierung viel länger? Alles andere Post-Corona hat sich doch längst normalisiert: Es geht weiter wie zuvor.
Gerlach: Home-Office, Workation und Co sind in vielen Branchen gekommen, um zu bleiben. Das kommt auch bei Firmen an. Zusätzlich werden Bürogebäude mit kritischem Energiestatus in der Vermietung abgestraft. Das liegt daran, dass Banken diesen Faktor in ihre ESG-Ratings aufnehmen. Diese Ratings werden schlechter und Kredite teurer. Zudem sinken Flächenbedarfe und damit muss ich als Vermieter auch preisliche Anreize schaffen. Je weiter man sich aus den Prime-Lagen – man danke an die Innenstädte von Berlin, Hamburg, München – rausgehe, desto komplexer wird dann auch Bürovermietung. Hinzukommen zwei Geschwindigkeiten in puncto Leerstand. Gibt es diesen erstmal im Sektor Büro, dauert es in B-, C- und D-Lagen deutlich länger, Flächen wieder zu vermieten. Große Firmen mit hohen Mitarbeiterzahlen, lassen sich schließlich eher in den Zentren der Toplagen nieder.

Hamburg: Favorit für Wertsteigerungen

Hamburg: Favorit für Wertsteigerungen

„Es kommt aus meiner Sicht heutzutage darauf an, rechtzeitig zuzugreifen, da das Einstiegsniveau eher steigt als sinkt.“

BondGuide: Müssten nicht so langsam die Speckgürtel a.k.a. Schlafstädtchen rund um unsere Großstädte so richtig boomen? Die Wohnungslücke wurde durch unsere letzten Regierungen nicht etwa geschlossen – sondern vergrößert.
Gerlach: Absolut. Und das wird langfristig auch so bleiben. Als Käufer muss ich mir nur immer die Frage stellen, wie zukunftsfähig der jeweilige Standort im Speckgürtel ist. Besteht beispielsweise eine wirtschaftliche Abhängigkeit gegenüber einer Branche oder einem Unternehmen, würde ich nicht reingehen. Stichwort deutsche Automobilindustrie. Lagen im Speckgürtel der Top Sieben mit positiver Demografie, heterogener Wirtschaft, moderner und sozialer Infrastruktur, sind potentielle Goldgruben. Vermietet kann an Zielgruppen, die den gleichen oder sogar mehr Wohnraum bekommen wie für den identischen Preis in A-Lagen. Es kommt aus meiner Sicht nur heutzutage darauf an, rechtzeitig zuzugreifen, da das Einstiegsniveau eher steigt als sinkt.

BondGuide: Gib es heutzutage überhaupt noch Opportunitäten in A-Lagen? – gefragt aus Investorensicht. Nach Inflation, Finanzierungskosten und Steuern ist das aktuell doch ein fast sicheres Verlustgeschäft – außer natürlich, wir kehren noch einmal zurück zu zweistelligen Preissteigerungen pro Jahr. Die Mietrendite jedenfalls scheint’s nicht zu bringen, zumal die Auflagen ständig anwachsen.
Gerlach: Opportunitäten gibt es in A-Lagen in jedem Fall. Ich muss mir als Investor nur immer die Frage stellen: Ab wann sprechen wir von einem ‚Worst performing Building‘? Das sind die Immobilien, die einen unterdurchschnittlichen Gebäudezustand haben.

Home Office: verantwortlich für mehr Bedarf an qm und Wertsteigerungen in Speckgürteln

Alte Heizung, schlechte Dämmung, dezentrale Lage, unpraktische Anbindung: Hier muss ich als Investor wissen, ab wann die Immobilie zu anspruchsvoll in der Modernisierung ist. Ein guter ‚Jahrgang‘ ist in dem Kontext alles rund um die 1980er. Erfahrungsgemäß bieten Gebäude aus diesem Zeitraum mit die besten Voraussetzungen in puncto Energiezustand, Ausstattung und so weiter. Gebäude mit einem energetisch schlechten Zustand, fallen derzeit deutlich im Preis. Eine Entwicklung, die wahrscheinlich langfristig bleiben wird. Investoren, die nach dem Ankauf effizient sanieren, kommen so an gute Chancen. Diese sanierten Gebäude werden auf lange Sicht massiv im Wert steigen.

„Die Angst in Deutschland vor dem Scheitern ist traditionell höher als die Neugier auf Erfolg.“

BondGuide: Nun hat Deutschland innerhalb Europas eine ziemliche Ausnahmestellung: In puncto Hausbesitzer sind wir in Europa entweder Letzter oder fast – Deutsche sind Mieter. Welches Gen fehlt uns im Unterschied zu fast allen anderen europäischen Ländern?
Gerlach: Die Angst in Deutschland vor dem Scheitern ist traditionell höher als die Neugier auf Erfolg. Das erklärt eigentlich schon einen großen Teil der Herleitung. Wir sind ein sicherheitsgetriebenes und risikoaverses Land. Um beispielsweise für das Alter vorzusorgen, muss aber ein Stück weit die Initiative ergriffen werden. Ein 100% risikofreies Invest gibt es nicht. Das größte Risiko besteht aber meiner Meinung darin, gar nichts zu unternehmen und sich auf staatliche Lösungen zu verlassen. Damit zementiert jeder persönliche Armutsrisiken und finanzielle Probleme im Hier und Jetzt.

Bundes Wohnen – Quelle: Noratis

BondGuide: Dann werden wir zum Abschluss doch mal ganz konkret: Ihre drei Lieblingsstädte (oder Regionen) The Place to be sind… – und warum?
Gerlach: Der Speckgürtel von Hamburg, Hamburg selbst und Nordrhein-Westfalen. Das sind die Regionen, die auf lange Sicht krisenresilient, renditestark und zukunftsfähig bleiben werden.

„Überbewertet sind Wolfsburg, Grünheide, Magdeburg. Hier sprechen wir von Standorten mit einer enormen Abhängigkeit gegenüber Branchen im Sinkflug.“

Stephan Gerlach

BondGuide: …und welche sind Ihrer Einschätzung nach überbewertet?
Gerlach: Wolfsburg, Grünheide, Magdeburg. Hier sprechen wir einerseits von Standorten mit einer enormen Abhängigkeit gegenüber Branchen im Sinkflug. Thema VW. Grünheide und Magdeburg sind andererseits sehr trendabhängig. Das gilt für den Tesla-Konzern. Und für den Intel-Deal, der nun ja auch geplatzt ist und vielen auf die Füße fällt.

*) Stephan Gerlach ist Geschäftsführer der 2018 gegründeten Gerlach Immobilien Gruppe und SPIEGEL-Bestseller-Autor. Die Gerlach-Immobilien-Gruppe spezialisiert sich auf Ankauf, Sanierung und Verkauf von Mehrfamilienhäusern.


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