Zehn Punkte, die für Anleger 2023 wichtig sind

Wir gehen davon aus, dass 2023 ein Jahr voller makroökonomischer Wendepunkte werden wird – vom Team Goldman Sachs Asset Management

Der Druck durch die Inflation und die Geldpolitik wird langsam nachlassen. Neben dieser Wende wird es unserer Ansicht nach von größter Bedeutung sein, dass Anleger Rentabilität und verlässlichen Erträgen einen höheren Stellenwert einräumen als Umsätzen und der Unsicherheit von Kapitalzuwachs.

Bei den Marktchancen hat bereits eine Neukalibrierung stattgefunden und für Anlagen werden in diesem Jahr erstens Aktien mit beständigem Cashflow, zweitens hochwertige Anleihen mit beträchtlichen Kupons und drittens alternative Anlagen mit volatilitätsreduzierenden Merkmalen eine größere Rolle spielen.

Zehn Punkte für das Jahr 2023 im Überblick:

1. Wirtschaftswachstum: Nach der aggressiven Straffung der Finanzierungsbedingungen und der restriktiven Geldpolitik im Verlauf von 2022 rechnet Goldman Sachs Global Investment Research (GIR) damit, dass das globale Wachstum 2023 unter das Trendwachstum von 2,0% rutschen wird. Anleger unterschätzen unter Umständen die Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft, während es in Europa hingegen zu einer milden Rezession kommen wird und China eine holprige Wiedereröffnung der Wirtschaft erleben dürfte.

2. Inflation: Die Preise werden sich voraussichtlich langsam abkühlen; bei den Wohnkosten und den Löhnen, die für die Geldpolitik maßgebend sind, werden sich deutliche Verbesserungen einstellen. Die Lieferketten haben sich normalisiert und da China jetzt einige seiner COVID-19-Beschränkungen gelockert hat, ist mit weiteren Verbesserungen zu rechnen. Dennoch sind das Lohnwachstum und die langfristigen Inflationserwartungen wichtige Faktoren für die zukünftige Geldpolitik.

3. Geldpolitik: Die hartnäckige Inflation ist nach wie vor die Hauptsorge rund um den Globus und zwingt die Zentralbanken, ihren Zinsstraffungszyklus 2023 zu pausieren, statt eine Zinswende einzuleiten. Daher ist den Zentralbanken daran gelegen, das Wachstum unter Potenzial zu dämpfen. In den USA rechnet GIR damit, dass der Leitzins einen endgültigen Stand, „Terminal Rate“ genannt, von 5,0 bis 5,25% erreichen und es 2023 keine Leitzinsreduzierungen geben wird. In der Eurozone und Großbritannien könnten die Leitzinsen eine Terminal Rate von 3,25% beziehungsweise 4,5% erreichen.

4. Geopolitik: Die omnipräsente geopolitische Dynamik wird weiterhin von dem Konflikt in der Ukraine, den territorialen Ansprüchen Chinas und der festgefahrenen Polarisierung der Gesellschaft geprägt. Im Hinblick auf den letzten Aspekt rechnen wir mit zunehmender Unsicherheit, was die Zusammensetzung und den politischen Kurs der US-Regierung angeht.

5. Aktien aus Industrieländern: Aufgrund steigender Kapitalkosten dürfte sich der Umschwung von sehr vielschichtigen makroökonomischen zu zutiefst idiosynkratischen Renditetreibern beschleunigen. Um mit attraktiven anlagenübergreifenden Chancen mithalten zu können, ist es unserer Ansicht nach angebracht, eher auf Gewinne als auf Umsätze, auf Qualität als auf Marktkapitalisierung und auf einzelne Unternehmen statt auf Länder zu achten. Angesichts weiterhin bestehender makroökonomischer Risiken scheint eine Ausrichtung auf US-Aktien sinnvoll, aber bei Nicht-US-Aktien könnten sich 2023 die attraktiven zyklischen Merkmale und potenzieller währungsbedingter Rückenwind bemerkbar machen.

6. Schwellenländeraktien: Schwellenländeraktien sind mit einer schwierigen Kombination aus unterdurchschnittlichem Wachstum und einer rasanten Verschärfung der Finanzierungsbedingungen konfrontiert. Wir sind jedoch überzeugt, dass es vereinzelt Chancen in Schwellenländern gibt, die schon früher von nachlassender Inflation und rückläufigen Zinsen profitieren, wie etwa Brasilien, Chile und Südkorea.

7. Zinsen: Weltweit werden sich die Renditen voraussichtlich im Gleichschritt mit dem geldpolitischen Kurs der Zentralbanken bewegen, wobei die regionale Abhängigkeit von Energie zu Unterschieden führen kann. Den Prognosen von GIR zufolge werden die Zinsen in der ersten Jahreshälfte von 2023 ihren oberen Wendepunkt erreichen, wenngleich aufgrund der Bereitschaft der Währungshüter zu übersteuern zugegebenermaßen das Risiko besteht, dass die Zinsen höher steigen. Aus globaler Sicht liegt die stärkste Invertierung der Zinsstrukturkurve unseres Erachtens hinter uns.

Foto: © Engdao – stock.adobe.com

8. Anleihen: Die Fundamentaldaten von Anleihen haben ihren oberen Wendepunkt erreicht, sind aber nach wie vor solide. US-Unternehmen verfügen über Spielraum für eine weitere Spreadausweitung, aber ein diszipliniertes Kapitalmanagement, wenig fällig werdende Anleihen und Bilanzen mit viel Liquidität dürften einen gewissen Puffer bieten. In Europa sorgt die Unsicherheit über Wirtschaftspolitik und Energie trotz attraktiver Bewertungen für Gegenwind.

9. Währung: Die Stärke des US-Dollars kann auf kurze Sicht anhalten, denn weltweit besteht die Gefahr eines rückläufigen Wachstums. Längerfristig könnten seine hohe Bewertung und eine globale Erholung den US-Dollar anfällig machen. Sollten sich die Wachstums- und Inflationsverhältnisse weltweit verbessern, wird der US-Dollar voraussichtlich seine jüngsten Gewinne wieder abgeben.

10. Rohstoffe: Die Lieferengpässe sind struktureller Natur und basieren auf jahrelangen Unterinvestitionen. Wenngleich Schwächen aufgrund von Faktoren wie höheren realen Zinsen, der Stärke des US-Dollar und Rezessionsängsten anhalten können, wird die physisch angespannte Lage längerfristig nicht so einfach zu lösen sein.

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