Wie attraktiv sind Anleihen jetzt?

Bei Hochzinsanleihen muss genau kalkuliert werden

Jupiter Asset Management geht davon aus, dass sich die Inflation deutlich abschwächen wird, was festverzinsliche Wertpapiere wie Anleihen wieder zu einer attraktiven Anlageklasse machen sollte. Von Ariel Bezalel*

Die Schwäche, die wir derzeit weltweit beobachten, ist allgegenwärtig. Die Einkaufsmanagerindizes des verarbeitenden Gewerbes (PMI) sinken, wobei viele von ihnen unter 50 fallen, was eine Kontraktion anzeigt. Auch die PMIs für den Dienstleistungssektor folgen diesem Trend. Anzeichen, die sich in der Vergangenheit bei dem Eintritt in eine Rezession zeigten.

Hinzu kommt, dass einige Zentralbanken allmählich ein wenig zu wanken beginnen. Die Bank of Canada hob ihren Leitzins im Oktober um 50 Basispunkte an und blieb damit hinter der Konsenserwartung von 75 Basispunkten zurück. Die Reserve Bank of Australia (RBA) hob kürzlich die Zinssätze um 25 Basispunkte und hielt damit an kleineren Zinserhöhungen fest, obwohl die Inflation den höchsten Stand seit 1990 erreicht hat. Auch der Ton der RBA war dovish [versöhnlich].

Die makroökonomische Situation führt allmählich zu einer Spaltung unter mehreren geldpolitischen Ausschüssen in der Welt.

Besonders besorgniserregend ist nicht nur der PMI, sondern auch der Rückgang der Immobilienmärkte in wichtigen Volkswirtschaften wie China, Australien, Neuseeland, Kanada, dem Vereinigten Königreich und den USA. Vor allem Chinas Immobilienmarkt macht eine schwierige Zeit durch, was sich auf das Wirtschaftswachstum des Landes auswirken kann. Dies kann sich negativ auf das weltweite Wachstum auswirken, da China die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist.

Rezession so gut wie sicher

Eine negative Renditedifferenz (Inversion) zwischen den in drei Monaten und den in zehn Jahren fälligen US-Staatsanleihen war in der Vergangenheit ein genauer Indikator für die Vorhersage einer Rezession. In den letzten Wochen hat diese Differenz mit einer Inversion kokettiert und sich zu bestimmten Zeitpunkten tatsächlich invertiert, was das erhöhte Risiko (wenn auch nicht die Gewissheit) einer bevorstehenden Rezession verdeutlicht.

Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ist nach wie vor hawkish [harsch]. Die Inflation ist zu hoch, aber die Wirtschaftsdaten sind rückläufig. Meiner Meinung nach sollte sich dies eher früher als später in einer niedrigeren Inflation niederschlagen. Die Fed verlässt sich bei ihren geldpolitischen Entscheidungen auf nachlaufende Indikatoren wie Inflation und Arbeitslosigkeit, und es besteht ein wachsendes Risiko, dass sie der US-Wirtschaft noch mehr Schaden zufügt. Am Rande sei darauf hingewiesen, dass einer Umfrage zufolge 37% der Unternehmen in den USA im Oktober ihre Miete nur als Teilzahlung leisten konnten und sogar 50% bei Restaurants.

Investment-Grade-Anleihen attraktiv aber selektiv

Was die Positionierung anbelangt, so sind die Bewertungen von Investment-Grade-Anleihen und Teilen des Hochzinsmarktes überzeugend. Dennoch ist die Kreditauswahl in diesem Umfeld wichtig, da die Ausfallraten im kommenden Jahr steigen dürften. Daher bevorzugen wir defensive Sektoren und besicherte Papiere in Sektoren wie Telekommunikation und Kabel sowie mit Immobilien besicherte Anleihen.

US-Hochzinsanleihen mit Rückenwind?

Wenn sich die Weltwirtschaft in den nächsten 12 Monaten weiter abkühlt, wird die Debatte darüber, ob die Zentralbanken ihre Geldpolitik lockern sollten, wieder aufleben. Mittel- bis langfristige Staatsanleihen in Australien, den USA und Neuseeland sind unserer Meinung nach attraktiv. Wir glauben, dass Südkorea ebenfalls Chancen bietet, da das Land eine demographische Klippe durchläuft und die Immobilienblase zu platzen beginnt.

Inflation dürfte sich deutlich abschwächen

Die Demografie ist eine wichtige Triebkraft der Wirtschaftstätigkeit, da sie sich auf Nachfrage und Investitionen auswirkt. Damit eine Wirtschaft wachsen kann, braucht man steigende Produktivität und eine wachsende Zahl von Arbeitskräften. Von beidem haben wir heute in den meisten Ländern der Welt nicht viel. Darüber hinaus gibt eine Person in ihren 70ern in der Regel nur die Hälfte dessen aus, was sie in ihren 40ern, wenn die Nachfrage ihren Höhepunkt erreicht, ausgegeben hätte.

Dies ist insofern von Bedeutung, als die US-Wirtschaft zu 70% aus Verbrauchern besteht; in Europa sind es 60%. Daher wirkt eine alternde Gesellschaft tendenziell disinflationär. Außerdem wird in einer alternden Gesellschaft wahrscheinlich etwas weniger investiert als in einer jungen, dynamischen Gesellschaft.

Der Hauptgrund, warum die Inflation in den letzten Jahren so hoch geblieben ist, ist das starke Geldmengenwachstum, das durch die Lockerung der Geldpolitik und die aggressiven fiskalischen Anreize der Zentralbanken und Regierungen zur Bekämpfung der durch Covid verursachten Konjunkturabschwächung ausgelöst wurde. Allein die USA haben rund 9,5 Bio. USD in ihre Wirtschaft gepumpt, und ein Teil dieser Liquidität liegt noch immer herum und sorgt für diese hohen Inflationszahlen.

Ariel Bezalel

Das Geldmengenwachstum bricht jedoch zusammen, und die auf das Jahr hochgerechneten Dreimonatszahlen sind mit -5% ähnlich hoch wie während der Großen Depression. Auch der Einmarsch Russlands in die Ukraine gab dem Inflationsgeschehen noch einmal einen kräftigen Schub. In den letzten 100 Jahren ist die Inflation während einer Rezession im Durchschnitt um fast 7% zurückgegangen. Deshalb versucht die Fed, eine starke Verlangsamung herbeizuführen. Wir gehen davon aus, dass sich die Inflation im Laufe von etwa 12 Monaten deutlich abschwächen wird, was festverzinsliche Wertpapiere wieder zu einer attraktiven Anlageklasse machen sollte.

*) Ariel Bezalel ist Investment Manager für festverzinsliche Wertpapiere bei Jupiter Asset Management

———————-

Die Ausgabe 3/2022 Biotechnologie 2022  der Plattform Life Sciences ist erschienen. Die Ausgabe kann bequem als e-Magazin oder pdf durchgeblättert oder heruntergeladen werden.

Schon unsere brandneue Krypto-Jahresausgabe 2022 (1. Jg., Erscheinungstermin Aug. 2022) gesehen?

Unsere neueste BondGuide Jahresausgabe ,Green & Sustainable Finance 2022‘ ist im April erschienen und kann ebenso wie unser BondGuide Nachschlagewerk ,Anleihen 2021‘ als kostenloses E-Magazin bequem heruntergeladen, gespeichert & durchgeblättert oder weitergeleitet werden!

Bitte nutzen Sie für Fragen und Meinungen Twitter – damit die gesamte Community davon profitiert. Verfolgen Sie alle Diskussionen & News zeitnaher auf Twitter@bondguide !